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Eine Kündigung ist kein Widerruf

Eine Kündigung hebt das Vertragsverhältnis für den Zeitraum nach Kündigung auf, ein Widerruf hebt das Vertragsverhältnis von Anfang an auf; entsprechend kann eine Kündigung nicht ohne weiteres in einen Widerruf umgedeutet werden.
Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Um rechtliche Wirkungen entfalten zu können, muß ein Vertrag wirksam zustande gekommen sein.

Gründe für die Unwirksamkeit eines Vertragsschlusses können sich aus vielfachen Umständen ergeben, bei einem Architektenvertrag insbesondere auch aus:
- einem Widerruf gem. §§ 312 ff. BGB
Beispiel
(nach OLG Stuttgart, Urteil vom 18.3.2025 – 10 U 107/24 , )
Ein Architekt wird Ende 2020 beauftragt mit den Leistungsphasen 1-4 für den Anbau an ein Mehrfamilienhaus, der Ausarbeitung eines Entwässerungsgesuchs sowie der Erbringung der Leistungsphase 5 für die Gewerke Rohbau, Dachstuhl und Bodenplatte. Etwa ein halbes Jahr nach Beauftragung lässt der Bauherr den Vertrag durch seinen Anwalt kündigen. Nunmehr macht der Architekt restliche Honoraransprüche gegenüber dem Bauherren geltend. In dem anschließenden Prozess macht der Bauherr Anfang 2024 geltend, er sei nicht über seine Rechte zum Widerruf belehrt worden, weshalb er berechtigt sei, den Vertrag zu widerrufen.

Das Gericht spricht dem Architekten restliches Honorar für erbrachte Leistungen zu. Ein Widerruf, welcher das gesamte Vertragsverhältnis von Anfang an aufgehoben und den Bauherren berechtigt hätte, eine Honorarzahlung zu verweigern (vergleiche OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2023), sei nicht rechtzeitig erfolgt. Ein solcher Widerruf hätte (da eine Belehrung unstreitig nicht stattfand) innerhalb von zwölf Monaten und 14 Tagen nach Vertragsschluss erfolgen müssen. Die Geltendmachung des Widerrufs im Prozess sei entsprechend verspätet. Die Erklärung der Kündigung innerhalb der Frist könne nicht in einen Widerruf umgedeutet werden. Aus eine Erklärung, die der Verbraucher als Widerruf verstanden wissen wolle, müsse sich sein Entschluss zum Widerruf des Vertrages eindeutig ergeben. Werde die Kündigung eines Vertrages mit Langzeitcharakter erklärt (hier Architektenvertrag), könne diese Erklärung nicht ohne weiteres als Widerruf verstanden werden, da die Kündigung im Falle ihrer Wirksamkeit das Vertragsverhältnis für den Zeitraum ab Kündigung beende und nicht – wie ein Widerruf – von Anfang an aufhebe.
Hinweis
Zum Verhängnis wurde dem Verbraucher hier, dass er einen Anwalt eingeschaltet hatte: Das Gericht stellt insoweit klar, dass „jedenfalls“ in Fallgestaltungen, in denen die Vertragskündigung durch einen juristischen Fachmann ausgesprochen werde, eine Auslegung einer Kündigung als Widerruf in der Regel nicht in Betracht komme. Als Trostpflaster dürfte dem Verbraucher nun einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Rechtsanwalt zustehen in der Höhe, in der seine Zahlungsverpflichtung durch einen Widerruf hätte abgewandt werden können.