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Unvollständiges Brandschutzkonzept: Welche Pflichten treffen den Architekten?

Die Einschaltung eines Sonderfachmanns für den Brandschutz entbindet den Architekten nicht ohne weiteres von der Pflicht, sich darüber zu vergewissern, ob der Sonderfachmann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zutreffende, bautechnische Vorgaben gemacht hat.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Sind neben dem Architekten noch weitere Beteiligte für einen Schaden verantwortlich, so bestimmt sich die Haftung eines jeden nach seinen ihn im Verhältnis zu den anderen treffenden Pflichten.

Zur Abgrenzung der Pflichten von Architekt und sons. Fachplanern.
Beispiel
(nach OLG Saarbrücken , - Urteil v. 27.01.2021 - 2 U 39/20)
Ein Architekt wird mit Architektenleistungen für den Neu- bzw. Umbau eines Schulgebäudes beauftragt. Das Brandschutzkonzept wird durch einen seitens der Bauherrin beauftragten Brandschutzsachverständigen erstellt. Später stellt sich heraus, dass Anforderungen der Landesbauordnungen und der Schulbaurichtlinien nicht eingehalten waren: Unter anderem waren Lauflängen von 35 m zum Erreichen von Treppenräumen oder Ausgängen ins Freie überschritten, darüber hinaus waren zwei der vier zur Rettungswegführung dienende Treppen im Gebäude mit deutlich zu geringer Breite bemessen. Ein Sachverständiger stellt fest, dass in dem Brandschutzkonzept konkrete Angaben zur Länge und Breite der Rettungswege fehlten. Allein schon der Umstand, dass sich die Rettungswegführung insbesondere im Obergeschoss bei den vorliegenden Längenausdehnungen und einer Anzahl von bis zu 842 gleichzeitig anwesenden Personen auf lediglich vier Treppenräume stütze, mache detaillierte Untersuchungen erforderlich, ob zulässige Rettungsweglängen eingehalten und geforderte Mindestbreiten nicht überschritten seien. Die Bauherrin nimmt den Architekten auf Schadensersatz in Höhe von rund 420.000,00 € für erforderliche Umbaumaßnahmen in Haftung.
 
Das Oberlandesgericht Saarbrücken verurteilt den Architekten auf Schadensersatz. Ein Architekt müsse grundsätzlich im Rahmen der konstruktiven Gebäudeplanung auch die Anforderungen an den Brandschutz berücksichtigen, wobei sich der Umfang der diesbezüglichen Leistungspflichten an dem jeweiligen Objekt sowie der Frage orientiere, ob die von dem Architekten zu erwartenden Kenntnisse einer Bearbeitung ermöglichen. Für den fachlichen Bereich eines Sonderfachmanns sei der Architekt zwar nur bei nach seinen Fachkenntnissen offensichtlichen Fehlern verantwortlich, der Architekt brauche den Sonderfachmann im Allgemeinen nicht zu überprüfen, sondern dürfe sich grundsätzlich auf dessen Fachkenntnisse verlassen (vgl. auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.04.2004). Andererseits müsse sich der Architekt, wenn relevante bautechnische Fragen zu seinem Wissensbereich gehörten, im Einzelfall vergewissern, ob der Sonderfachmann entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zutreffende bautechnische Vorgaben gemacht habe. In diesem Zusammenhang sei entscheidend darauf abzustellen, ob dem Architekten eine Überprüfung der Leistung des Sonderfachmanns möglich und zumutbar gewesen sei und ob sich ihm Bedenken hätten aufdrängen müssen. Nach Maßgabe dieser Grundsätze sei die Berücksichtigung gesetzlicher Vorgaben im Zusammenhang mit der Dimensionierung von Rettungswegen – so das OLG Saarbrücken – von den Leistungspflichten des Architekten ohne weiteres umfasst.
 
Hinweis
Das Gericht stellte darüber hinaus fest, dass sich die Bauherrin ein etwaiges Verschulden des Brandschutzsachverständigen nicht nach §§ 278, 254 BGB zurechnen lassen müsse.
 

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck