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Bauherr vereinbart überhöhten Pauschalpreis: Haftet der Architekt?

Der Architekt, der bei der Auftragsvergabe eingeschaltet ist, hat die Pflicht, Angebote eingehend zu prüfen und zu werten; überschreitet der Angebotspreis eines Unternehmers den tatsächlichen Wert der Arbeiten nach ortsüblichen Preisen um 35 %, haftet der Architekt auf Schadensersatz unter Abzug eines 10 %-igen Risikozuschlages.

Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

In den Leistungsphasen 6 und 7 schuldet der Architekt eine ordnungsgemäße Vorbereitung und Mitwirkung bei der Vergabe.

Der Architekt hat Angebote sorgfältig zu prüfen. 

Beispiel
(nach OLG Schleswig-Holstein , Urt. v. 25.04.2008 - 1 U 77/07 (nicht rechtskräftig))
Ein Architekt wird unter anderem mit der Ausschreibung der tiefbaulichen Erschließung eines Baugebietes einschließlich der Erstellung des dazugehörigen Leistungsverzeichnisses beauftragt. Mit dem zweitgünstigen Angebot wird durch den Bauherrn und den Architekten verhandelt. Das betreffende bietende Unternehmen ändert allerdings das Angebot noch einmal ab. Schließlich wird ein Pauschalpreis in Höhe von DM 380.000,00 vereinbart. Nach einem Sachverständigengutachten, welches nachträglich in Auftrag gegeben wird, sollen die für den Pauschalpreis erbrachten Leistungen lediglich rund DM 270.000,00 wert sein; Hintergrund sei vor allem, dass in dem vom Unternehmen abgeänderten Angebot die Mengen und Massen falsch ermittelt worden seien. Auf den Unterschiedsbetrag wird der Architekt seitens des Bauherrn in Haftung genommen.
 
Das Gericht gibt der Klage des Bauherrn grds. statt. Ein Architekt, der bei Auftragsvergabe eingeschaltet sei, habe ich Pflicht, die Angebote eingehend zu prüfen und zu werten. Dies gelte nicht nur bei öffentlichen, sondern auch bei privaten Auftraggebern. Die Prüfung habe sich auch auf die Wirtschaftlichkeit zu beziehen. Hier hätte der Architekt das von dem Unternehmen geänderte Angebot nochmals überprüfen müssen. Dabei hätte er feststellen können, dass die Mengen und Massen überhöht waren. Der richtige Wert der Leistungen ergebe sich auf der Grundlage der sachverständigen Ausführung in Höhe von rund DM 270.000,00. Hierauf sei ein Risikozuschlag von 10 % zu addieren, mithin ergebe sich ein Wert von rund DM 300.000,00. Auf den Unterschiedsbetrag hafte der Architekt.

Hinweis
In jedem Einzelfall dürfte zu prüfen sein, ob und welche Pflichten der Architekt verletzt hat. Soll dem Architekten vorgeworfen werden, er hätte dem Bauherrn ein Angebot zur Annahme empfohlen, welches erheblich über den ortsüblichen Preisen liegt, so ist natürlich zu fragen, wie sich solche ortsüblichen Preise ermitteln. Im Einzelfall kann es durchaus sein, dass sich die Ortsüblichkeit der Preise auch wesentlich aus den verschiedenen Angeboten, die der Architekt erhalten hat, ermittelt (vgl. hierzu OLG Celle, Urteil vom 07.07.2004). Sind sämtliche Angebote erheblich überhöht, wird man dem Architekten zutrauen dürfen, dies zu bemerken und neue Angebote einzuholen. Im vorliegenden Fall allerdings lag die Pflichtverletzung des Architekten darin, dass geänderte Angebot des Bieters nicht noch einmal überprüft zu haben.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck