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Bauherr kündigt außerordentlich: Beginn der Gewährleistung auch ohne Abnahme?

Nach Ansicht des OLG Hamburg beginnt die Gewährleistungsfrist von 5 Jahren gegenüber dem Architekten auch ohne Abnahme an zu laufen, wenn das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Haftungsansprüche gegen den Architekten verjähren.

Dauer, Beginn, Hemmungen und Unterbrechungen der Verjährung ist nach altem bis zum 31.12.2001 geltenden Recht anders geregelt als nach neuem Recht.
Beispiel
(nach OLG Hamburg, Urteil vom 09.11.2023 – 4 U 18/23 , )
Ein Architekt wird für 2 Bauvorhaben mit Planung-und Überwachungsleistungen beauftragt. Mit Schreiben vom 13.06.2016 (zugegangen am 15.06.2016) erklärt der Bauherr die fristlose Kündigung beider Architektenverträge. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Bauvorhaben noch nicht fertiggestellt. Der Bauherr hatte bereits zuvor ein anderes Planungsbüro beauftragt, dass zunächst neben dem Architekten tätig war. In dem Kündigungsschreiben teilt der Bauherr mit, dass er das Vertrauen in die Arbeit des Architekten verloren habe und Schadensersatzansprüche diesem gegenüber geltend zu machen gedenke, unter anderem Mehrkosten des bereits beauftragten Planungsbüros für die noch ausstehenden Arbeiten. Am 10.08.2021 erhebt der Bauherr gegenüber dem Architekten Klage. Dieser beruft sich auf Verjährung.

Das OLG Hamburg weist die Schadensersatzansprüche des Bauherrn wegen Verjährung ab. Die 5-jährige Frist sei am 15.06.2021 abgelaufen, da sie am 15.06.2016 begonnen habe zu laufen. Zwar sei grundsätzlich eine Abnahme – die hier nicht vorliegt – erforderlich, um die Gewährleistungsfrist anlaufen zu lassen. Nach der Rechtsprechung genüge im Einzelfall aber auch der Eintritt des Vertragsverhältnisses in ein Abrechnungsverhältnis. Dies sei hier anzunehmen. Ein Abrechnungsverhältnis liege vor, wenn die Umstände ergeben, dass eine Erfüllung des Vertrages in keiner Hinsicht mehr in Betracht und es von Seiten des Bauherrn lediglich und ausschließlich nur noch um Schadensersatzansprüche gegenüber dem Architekten ginge (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 01.12.2022). 
Hinweis
Nach allgemeiner Ansicht kommen Nacherfüllungsansprüche des Bauherrn gegenüber dem Architekten betreffend eine Pflichtverletzung dann nicht mehr in Betracht, wenn sich diesselbe im Bauwerk als Mangel „verwirklicht“ hat, vielmehr nur noch Schadensersatzansprüche: der Architekt schulde nur Architektenleistungen, aber nicht Bau-Reparaturleistungen (allerdings ist im Einzelnen ungeklärt, ob Nacherfüllungsansprüche gegenüber dem Architekten nicht  doch bestehen im Hinblick auf solche Architektenleistungen, die für die Sanierung eines im Bauwerk verwirklichten Mangels erforderlich werden könnten). Ob man vor diesem Hintergrund aber bei jeder Beendigung eines Architektenvertrages, bei welchem durch den Bauherrn nur noch Schadensersatzansprüche wegen im Bauwerk verwirklichter Mängel geltend gemacht werden, von einem Abrechnungsverhältnis und damit von einem Beginn der Verjährung ausgehen kann, ist soweit erkennbar höchstrichterlich noch nicht klar entschieden.