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Architekt trifft keine unbedingte Verschwiegenheitspflicht

Den Architekten trifft kraft Gesetzes keine umfassende Verschwiegenheitspflicht; soweit nicht vertraglich etwas anderes bestimmt ist, ergibt sich aus der vertraglichen Nebenpflicht (Rücksichtnahmepflicht) lediglich, dass der Architekt Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die nur einem engbegrenzten Personenkreis bekannt sind, vertraulich behandeln muss (vgl. aber unter WEITERES).
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Im Hinblick auf die Verpflichtungen des Architekten ist zu unterscheiden zwischen Hauptpflichten und Nebenpflichten.

Zu den Nebenpflichten gehört u.a. die Rücksichtnahmepflicht.
Beispiel
(nach OLG Karlsruhe , Urt. v. 10.05.2005 - 8 U 238/04 -; BGH Beschluss vom 08.12.2005 VII ZR 132/05 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen))
In einem Zeitungsartikel heißt es unter der Überschrift "Stillstand bei der G., Architekten und Stadt über Besitzer K verärgert":

Sowohl die Stadt als auch das von ihm beauftragte Architektenbüro haben kein Vertrauen mehr in Eigentümer K. Der Architekt bestätigt, dass K "nichts tut", um die Umgestaltung der seit knapp einem Jahr leerstehenden, denkmalgeschützten G voranzutreiben (...). Geschehen ist aber auch gar nichts. Tatsächlich so der Architekt, habe sein Auftraggeber seinen bei der städtischen Bauaufsicht vereinbarten Termin nicht wahrgenommen (...). Wie der Architekt sagt, könne sein Büro "nicht weiter planen, weil Entscheidungen des Bauherrn ausstehen". Auch die von der Stadt verlangte Untersuchung eines Bauhistorikers über den heutigen Denkmalwert der G habe K nicht in Auftrag gegeben. Honorar sei ebenfalls nicht geflossen (...).

Tatsächlich hatte sich der Architekt entsprechend gegenüber einem Journalisten der F Rundschau in der wiedergegebenen Weise geäußert, allerdings erst, nach dem er von dem Journalisten mit entsprechenden Informationen, die dieser zuvor aus Kreisen der Stadtverwaltung erhalten hatte, konfrontiert worden war. Sämtliche Angaben in dem Artikel sind zutreffend.

Der Bauherr K erklärt gegenüber dem Architekten die Kündigung des Architektenvertrages aus wichtigem Grund; unter anderem beruft er sich auf eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des Architekten. Der Architekt klagt restliches Honorar ein, der Bauherr erhebt Widerklage auf Rückzahlung des bereits gezahlten Honorars.

Das Gericht sieht eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch die Äußerung gegenüber der Presse nicht gegeben (vgl. aber unter WEITERES). Eine unbedingte Verschwiegenheitspflicht eines Architekten sei aus dem Gesetz nicht zu entnehmen (das Gericht verweist hierzu auf das Urteil des OLG Düsseldorf in Baurecht 2002, 660). Eine vertragliche Vereinbarung zu einer unbedingten Verschwiegenheitsverpflichtung sei ebenfalls nicht vorhanden. Damit sei der Architekt lediglich im Rahmen der ihn nach § 242 BGB treffenden Nebenpflicht gehalten, auf die berechtigten Belange des Bauherrn Rücksicht zu nehmen und alles zu unterlassen, was den Vertragzweck gefährden könnte. Diese Rücksichtnahmepflicht umfasse auch eine Verpflichtung zu Verschwiegenheit, allerdings keine unbedingte Verpflichtung. Die Verschwiegenheitspflicht bestehe nicht bezüglich sämtlicher Tatsachen, die dem Architekten im Rahmen seiner Tätigkeit für den Bauherrn bekannt geworden sein (das Gericht kritisiert das Urteil des LG Leipzig, Urt. v. 12.10.2001 - 2 O 6496/01, als zu weit gehend), sondern nur solche Tatsachen, die als Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nur einem engbegrenzten Personenkreis bekannt, nicht offenkundig seien, nach dem (ausdrücklichen oder konkludent) bekundeten Willen des Bauherrn geheimgehalten werden sollten und auf deren Geheimhaltung der Unternehmer ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse habe. Vorliegend habe der Architekt Kenntnis der Tatsachen, die er gegenüber der Zeitung verlautbarte, im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Bauherrn gewonnen, diese Tatsachen könnten deshalb grundsätzlich der Verpflichtung zur Geheimhaltung unterliegen. Allerdings seien diese Tatsachen hier schon offenkundig gewesen. Hier habe ein Mitglied der Medien bereits Kenntnis der von dem Geschäftsführer der Klägerin bestätigten Informationen gehabt. Damit seien die Tatsachen nicht mehr geheimhaltungsbedürftig gewesen.
Hinweis
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Bauherrn zurückgewiesen. Gleichwohl wird man sagen müssen, dass der Architekt sich in vorliegendem Fall "weit heraus gewagt hatte" und die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Karlsruhe möglicherweise nur auf Messers Schneide stand (vgl. auch unten unter WIETERES). Es ist Architekten in der Regel eher nicht zu empfehlen, sich entsprechend über Bauherren in der Öffentlichkeit zu äußern. Ebenfalls diskutierbar ist zu mindestens die Kritik des OLG Karlsruhe am Urteil des Landgerichtes Leipzig, Urt. v. 12.10.2001 - 2 O 6496/01. Jedenfalls für den dortigen Fall erscheint die Entscheidung des Landgerichts Leipzig im Ergebnis nachvollziehbar.

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