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Architekt nimmt keine ausreichende Kostenkontrolle vor: entfällt Toleranz?

Nach Ansicht des OLG Frankfurt kommt eine Toleranz bei einer Kostenüberschreitung nicht in Betracht, wenn der Architekt keine ausreichende Kostenkontrolle vornimmt.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Ein Sonderbereich der Architektenhaftung stellt die Haftung für Bausummenüberschreitungen dar.

Noch nicht jede Überschreitung der Bausumme führt zu einer Haftung, i.d.R. ist dem Architekten ein Toleranzrahmen zu gewähren.

Beispiel
(nach OLG Frankfurt , Urt. v. 15.12.2011 - 12 U 71/10 )
Ein Architekt gibt auf der Grundlage einer Kostenschätzung für ein Bauvorhaben ein Honorarangebot ab. Auf der Grundlage dieses Honorarangebotes kommt es zu einem Vertrag. Später werden die Kosten aus der Kostenermittlung erheblich überschritten. Der Bauherr sieht sich genötigt, das Bauvorhaben abzubrechen und das Grundstück mit Rohbau zu veräußern. Er macht Schadensersatz gegenüber dem Architekten geltend unter anderem mit der Begründung, er hätte – wenn er auf die hohen Kosten des Vorhabens hingewiesen worden wäre – das Vorhaben nicht begonnen. Ein Abbruch des Bauvorhabens vor Beginn sei ihm auch deshalb unmöglich gemacht worden, weil der Architekt keine Kostenkontrolle und keine weiteren Kostenermittlungen (Kostenberechnung und Kostenanschlag) vorgenommen hätte.
 
Das Gericht sieht es als erhebliche Pflichtverletzung des Architekten an, dass dieser trotz vollständiger Beauftragung keine Kostenkontrolle und keine weiteren Kostenermittlungen mehr durchführte. Obwohl im Einzelnen durch das Gericht im Urteilstext nicht erläutert, stellt das Gericht im Urteils-Leitsatz fest, dass eine Toleranz bei einer Kostenüberschreitung nicht mehr in Betracht komme, wenn der Architekt keine ausreichende Kostenkontrolle vornehmen.
Hinweis
Ein Wegfall jeglicher Toleranz für die Kostenermittlungen des Architekten (für eine hier vorgenommene Kostenschätzung nach allgemeiner Ansicht bis zu 35 % denkbar – Betrachtung des Einzelfalls erforderlich) hatte die Rechtsprechung bisher nur im Falle einer Vereinbarung von Kostenobergrenzen entschieden. Der Leitsatz des OLG Frankfurt würde mithin eine neue Fallgruppe des Entfalls einer Toleranz aufmachen.

Zumindest für eine erhebliche Absenkung der Toleranz spricht im Falle fehlender weiterer Kostenkontrollen und Kostenermittlungen einiges: die Information, die der Bauherr durch fehlende Kostenkontrollen und Kostenermittlungen erhält, ist ja mittelbar die, dass es bei den Kosten der erstmaligen Kostenschätzung bleibt. Das wäre im Grunde so, als wenn der Architekt im Rahmen seiner Kostenberechnung sowie seines Kostenanschlages eben auf das gleiche Ergebnis wie bei der Kostenschätzung käme. Bei einer Kostenberechnung hat er allerdings nur noch eine Toleranz von etwa bis 25 %, beim Kostenanschlag nur noch bis etwa 15 %.

Muss also ein Bauherr in Folge fehlender Kostenkontrollen und Kostenermittlungen bis kurz vor Beginn des Bauvorhabens annehmen, dass es bei den Kosten der erstmaligen Kostenschätzung bleibt, so wäre für diese Kostenermittlung meines Erachtens schlüssigerweise jedenfalls keine größere Toleranz als bis etwa 15 % zu gewähren.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck