https://www.baunetz.de/recht/Offene_oder_geschlossene_Gestaltung_der_Fassade_Zielfindungsphase_noch_nicht_abgeschlossen__9917446.html


Offene oder geschlossene Gestaltung der Fassade: Zielfindungsphase noch nicht abgeschlossen!

Die Wesentlichkeit der Leistungsziele ist subjektiv zu bestimmen, die Vereinbarung wesentlicher Planungs- und Überwachungsziele i.S.d. § 650p BGB kann auch dann fehlen, wenn dem Vertragsschluss ein Planungswettbewerb vorausgegangen ist, aber die für die Bauherren wesentliche Fassadengestaltung – offen oder geschlossen – nicht geklärt war.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Legt ein Planer zum Ende der Zielfindungsphase eine Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung, obgleich gegebenenfalls gemäß § 650p II BGB erforderlich, nicht vor, wird er nach wohl herrschender Meinung wegen fehlender Freigabe durch den Bauherrn einen Honoraranspruch für weitergehende Leistungen nicht begründen können.
Beispiel
( - OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2025 5 U 102/23)
Ein Unternehmen plant die Errichtung eines Bürogebäudes als neue Firmenzentrale. Das Unternehmen lobt einen Realisierungswettbewerb für eine geplante Beauftragung mit den Leistungsphasen 1 - 5 aus. Wesentliche Ziele des Wettbewerbes wurde durch seitens des Unternehmens beauftragte Fachplaner festgelegt (Teil C der Auslobung „Definition der Aufgabe").  Im Hinblick auf die äußere Form und die Fassade befanden sich u. a. folgende Vorgaben in der Auslobung:
  • Es wird erwartet, dass die Höhenentwicklung des neuen Gebäudes sich an die vorhandene Bebauung anpasst, sodass eine einheitliche Stadtkante ausgebildet wird. Dabei sollte sich das zukünftige Erscheinungsbild in der Massivität dem E unterordnen.
  • Die Fassade des neuen Gebäudes hat sich in Bezug auf Farbgebung und Materialität der Umgebung anzupassen.


Das Preisgericht empfiehlt dem Unternehmen nach Durchführung des Wettbewerbs eine Zusammenarbeit mit dem Architektenbüros A., es solle mit diesem Büro über ein entsprechenden Architektenauftrag verhandeln, allerdings mit dem Büro und der Stadt den Entwurf auch gemäß den Empfehlungen des Preisgerichts weiterentwickeln; dabei ging es dem Preisgericht in erster Linie um die äußere Gestaltung des Objektes. Ein erster Preis wurde nicht vergeben.

Nach einem Auftaktgespräch zwischen Unternehmen und Architektenbüro A folgen zahlreiche Besprechungen und eine Fortentwicklung der Planung. Etwa drei Monate nach dem Auftaktgespräch kommt es zu einer Beendigung der Zusammenarbeit. Im Anschluss hieran klagt das Architektenbüro A Honorar für erbrachte Leistungen sowie rund € 1,35 Million für nicht erbrachte Architektenleistungen bis zur Leistungsphase 5 ein.

Das Landgericht Düsseldorf hatte den Anspruch des Architektenbüros scheitern lassen, weil es bereits einen Auftrag des Unternehmens gegenüber dem Architektenbüro A nach Abschluss des Wettbewerbs nicht erkennen konnte. Hiervon abweichend stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf zunächst einen konkludent erteilten Auftrag fest (jedenfalls für die Leistungsphasen 1 und 2). Für erbrachte Leistungen urteilt das OLG Düsseldorf hier eine berechtigte Forderung in Höhe von rund € 219.000 aus. Kein Honorar stehe allerdings dem Architektenbüro für weitere, nicht erbrachte Leistungen der Leistungsphasen 1 - 5 zu.

Das OLG Düsseldorf beruft sich hierzu auf ein Urteil des BGH vom 17.11.2022, welches klargestellt hatte: Bei einer einfachen Kündigung eines Planervertrages ohne wichtigen Grund, bei welchem dem Bauherrn bei weiterer Durchführung des Vertrages das Sonderkündigungsrecht gemäß § 650r Abs. 1 BGB zugestanden hätte, umfasst der Anspruch auf Kündigungsvergütung nicht solche Leistungen, die nach Vorlage der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung zu erbringen gewesen wären (vgl. auch OLG Frankfurt, Urt. v. 16.05.2022). § 650r Abs. 1 BGB gewähre dem Auftraggeber ein Sonderkündigungsrecht binnen zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen gemäß § 650p Abs. 2 BGB; dieses Recht hätte hier dem Unternehmen noch zugestanden. Denn die Planung – so das OLG – habe sich hier noch in der Zielfindungsphase befunden. Es seien noch nicht sämtliche wesentliche Planungs- und Überwachungsziele vereinbart gewesen. Offengeblieben sei als wesentliches Planungs- und Überwachungsziel die Fassadengestaltung.

Die Frage, ob noch nicht vereinbarte Leistungsziele wesentlich seien oder nicht (und damit die Zielfindungsphase beendet oder nicht), sei nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv zu bestimmen. Selbst wenn objektiv genügend Leistungsziele vereinbart seien, könnten für den Besteller weitere Leistungsziele wesentlich sein, die noch nicht vereinbart sind. Ein Unternehmen, das beabsichtige, das zu planende Gebäude später als Hauptverwaltung zu nutzen, werde gegebenenfalls viel Wert auf eine repräsentative Gestaltung legen und der Funktion und den Kosten weniger Gewicht zumessen. Es lasse sich entsprechend nicht objektiv allgemeingültig bestimmen, sondern hänge von dem konkreten Einzelfall ab, welche Leistungsziele für den Besteller wesentlich seien.

Zwar sei hier weiter der durchgeführte Architektenwettbewerb zu berücksichtigen. Die in der Auslobung formulierten Leistungsziele würden im Rahmen eines Vertragsschlusses jedenfalls konkludent vereinbart. Allerdings sei es nach Ansicht des Gerichts auch in einer Wettbewerbskonstellation nicht ausgeschlossen, dass sich vor Vertragsschluss zeige, dass eben doch noch nicht alle für den Auslober wesentliche Planungsziele in der Auslobung Anklang gefunden hätten. So läge es hier. Auf der Basis des Wettbewerbsbeitrages des Architektenbüros A habe die grundlegende und noch offene Frage bestanden, wie die Fassade gestaltet werden könnte und müsste, damit sie einerseits den Anforderungen des Bestellers genüge, zugleich aber auch genehmigungsfähig sei. Offen war insbesondere, wie transparent bzw. wie geschlossen die Fassade wirken sollte. Das Unternehmen habe hier von Beginn an zu erkennen gegeben, dass die Fassadengestaltung für sie ein wesentlicher, vorrangiger Aspekt sei. Hinsichtlich der offenen/geschlossenen Gestaltung habe das Unternehmen bis zu dem Zeitpunkt der Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Architektenbüro A keine Entscheidung getroffen.

Hinweis
Die Entscheidung ist schlüssig begründet. Allerdings hätte man wohl auch eine Entscheidung zugunsten des Architektenbüros schlüssig begründen können. Die 2018 mit dem § 650p BGB neu eingeführten Begrifflichkeiten der „wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele" sind in jeder Richtung dehnbar (was auch die Beispiele in der Begründung zur gesetzlichen Regelung zeigen, die mindestens wenig hilfreich sind: „Art des Daches, Zahl der Geschosse o. ä. für die Planung grundlegende Fragen").

Am Ende verhält es sich hier wie mit der Widerrufsbelehrung bei Verbrauchern: Besser einmal zu viel bzw. einmal umsonst eine Planungsgrundlage und eine Kostenschätzung vorgelegt (vgl. § 650r BGB), als einmal zu wenig.

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck