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Das Verbot der Grundstücksvertiefung gemäß § 909 BGB richtet sich auch an den Architekten.

Das Verbot der Grundstücksvertiefung gemäß § 909 BGB (s.u. Hinweis) richtet sich nicht nur an den Eigentümer des vertieften Grundstücks, sondern auch an den bauplanenden und bauleitenden Architekten.


Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Unabhängig von seinen Pflichten aus dem mit dem Bauherrn geschlossenen Vertrag kann der Architekt u.U. auch dann in Haftung genommen werden, wenn Gesundheit oder Eigentum von Dritten beschädigt wird, sog. deliktische Haftung.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 26.11.1982 - V ZR 314/81 -, Baurecht 1983, 177; vgl. a. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.05.1998 - 22 U 203/97 -, BauR 1998, 895)
Auf einem Grundstück sollte ein Geschäftshaus mit Tiefgarage gebaut werden. An einer der Grenzen des Grundstücks stand die Giebelmauer des im Jahre 1907 errichteten und im 2. Weltkrieg beschädigten Nachbargebäudes. Die Garage sollte in einem Grenzabstand von 3,50 m errichtet und etwa 1,50 m tiefer gegründet werden als die Giebelsohle des Nachbarhauses. In dem dazwischen liegenden Geländestreifen entlang der Grenze sollte eine Garagenrampe angelegt werden. Zur Prüfung der Bodenverhältnisse ließ der Architekt sechs Tiefbohrungen vornehmen und über den Bodenbefund ein Gutachten erstellen. Daraufhin wurde die Baugrube für die Tiefgarage in Übereinstimmung mit einer baubehördlich geprüften Statik durch einen Berliner Verbau abgestützt. Dieser Verbau wurde in einer Weise ausgeführt, dass in einem Grenzabstand von 2,65 m die dort befindliche Geschiebelehmschicht durchbohrt und in die Bohrlöcher von 40 cm Durchmesser die Stahlträger mittels eines Rüttelgeräts („Vibrationsbär“) bis zu einer Tiefe von sieben bis acht Metern unterhalb der Baugrubensohle in den Boden getrieben wurden. Später stellten sich Schäden an dem Nachbarhaus heraus. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Schäden unter anderem auf den Einsatz des Rüttelgeräts zurückzuführen sind. Ein Sachverständigengutachten zeigt auf, dass der Einsatz eines Rüttelgeräts bei einer Giebelunterfangung oder auch bei einem Berliner Verbaus im Bohrpfahlverfahren vermeidbar gewesen wäre. Der Nachbar nimmt unter anderem den Architekten und den Eigentümer des bebauten Grundstücks in Haftung.

Die Vorinstanz hatte Ansprüche gegen den Architekten noch zurückgewiesen. Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur weiteren Überprüfung an die Vorinstanz zurück. Eine Haftung des Architekten gegenüber dem Nachbarn sei nicht auszuschließen. In Rechtsprechung und Schrifttum sei anerkannt, dass sich das Verbot der Grundstücksvertiefung gemäß § 909 BGB auch an den von einem Bauherren beauftragten Architekten richte. Für die Anwendung des § 909 BGB genügte jede Einwirkung auf das Grundstück, die zur Folge habe, dass der Boden des Nachbargrundstücks in der Senkrechten den Halt verliere oder dass dort die Festigkeit der unteren Bodenschichten in ihrem waagerechten Verlauf beeinträchtigt werde. Vorliegend sei jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Einsatz des Rüttelgeräts die Standfestigkeit des Nachbarhauses beeinträchtigt habe.

Ein Verschulden des Architekten werde weiter nicht schon deshalb in Frage gestellt, weil die zur Abstützung der Baugrube gewählte Methode des sog. Berliner Verbaus nach den Bodenverhältnissen des Baugrundstücks und nach der baubehördlich geprüften Statik sachgemäß erschien und die Ausführung dieses Verbaus fortlaufend durch Fachleute überwacht wurde. Entscheidend sei vielmehr, ob der Architekt von vornherein auch die besondere Gefahrenlage bedacht habe, die sich aus dem Bauzustand des damals schon 72 Jahre alten und durch Kriegsschäden belasteten Nachbargrundstücks bei der hier gewählten Art der Baugrubenabstützung ergab. Bei einer Grundstücksvertiefung in Grenznähe eines bebauten Nachbargrundstücks seien an die Sorgfaltspflichten des Architekten strenge Anforderungen zu stellen. Dies gelte erst recht unter der vorliegenden Voraussetzung einer ersichtlichen Baufälligkeit des Nachbargebäudes. Nach den vorliegenden Gutachten hätten andere Möglichkeiten zur Abstützung gewählt werden können. Die baubehördliche Genehmigung des gewählten Verfahrens entlaste schließlich den Beklagten nicht.
Hinweis
§ 909 BGB: „Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.“

An den Architekten als Fachmann werden von der Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, im Rahmen von Baumaßnahmen an Grenzen Schäden am Nachbargebäude zu vermeiden. Zu beachten ist, dass für eine Grundstücksvertiefung ein Bodenaushub nicht notwendig ist; es genügt z.B. das Abgraben eines Hangfußes, der Abbruch eines Kellers oder auch nur Oberflächensenkungen in Folge des Drucks durch Bebauung oder Auflagerung. Für eine „genügende anderweitige Befestigung“, die verhindert, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, hat der Architekt zu sorgen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere Unterfangungen das nachbarliche Grundstück in Anspruch nehmen; während eine solche Inanspruchnahme des nachbarlichen Grundstücks grundsätzlich vom Nachbareigentümer verboten werden kann, bestehen im Rahmen eines grenzständigen Bauvorhabens ggf. Rechte zur Inanspruchnahme des nachbarlichen Grundstücks nach den jeweiligen Landesnachbargesetzen bzw. auf der Grundlage des nachbarlichen Treueverhältnisses gemäß § 242 BGB. Der Architekt sollte ggf. den Bauherren auf die Problematik aufmerksam machen, damit die Sachlage für den Einzelfall geprüft werden kann.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck