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Bauherr verzichtet auf Werkplanung: Haftungsfreistellung für Architekten?

Verzichtet der Auftraggeber auf eine Ausführungsplanung und lässt er ungeprüft die Baugenehmigungsplanung als Vorlage für die Bauausführung zu, so trägt er nach Ansicht des LG Aschaffenburg das Risiko für Mängel, die im Entwurfsplan enthalten, für die Baugenehmigung aber unerheblich waren und die nicht aufgedeckt wurden, weil eine Ausführungsplanung nicht erstellt wurde.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluß der Haftung kann sich ergeben, wenn der Bauherr auf eigene Gefahr handelt.
Beispiel
(nach LG Aschaffenburg , Urt. v. 17.05.2001 - 2 S 8/01 –, BauR 2002, 822)
Ein Architekt wird mit Architektenleistungen Leistungsphasen 1-4 für ein EFH beauftragt. Die Auftraggeberin ist selber im Bauwesen tätig. In der Planung des Architekten ist jeweils im Grundriss des Kellergeschosses, des Erdgeschosses und des 1. Geschosses ein Kamin für einen Kachelofen eingezeichnet. Im Dachgeschoss ist der Kamin nicht eingezeichnet. Bei der Außenansicht des Gebäudes ist der Kamin von Osten her gesehen so eingezeichnet, dass er im Giebelfenster steht. Bei der Bauausführung ergibt sich dann tatsächlich, dass der Kamin vor dem westlichen Giebelfenster steht. Die Auftraggeberin verlangt vom Architekten für den Rückbau des Kamines rd. DM 18.500,00.

Die Schadensersatzklage der Auftraggeberin gegen den Architekten wird abgewiesen. Der Bauherr trage hier für den entstandenen Mangel die alleinige Verantwortung. Der Architekt sei lediglich mit Leistungsphasen 1-4 beauftragt gewesen. Grundlegende Voraussetzung für die ordnungsgemäße Entwurfsbearbeitung (als Grundlage für die Genehmigungsplanung) sei das Durcharbeiten des Planungskonzeptes unter Berücksichtigung städtebaulicher, gestalterischer, funktionaler, technischer, bauphysikalischer, wirtschaftlicher, energiewirtschaftlicher und landschaftsökologischer Anforderungen. Die Planung müsse alle wesentlichen Merkmale aufweisen, die Einfluss auf die Baukosten haben. Der Entwurf stelle gleichwohl aber noch keine baureife Zeichnung dar. Dies sei der Ausführungsplanung vorbehalten. Hinsichtlich der Berücksichtigung vorgenannter Anforderungen spiele die genaue Lage des Kamins keine Rolle. Gleiches gelte für die Kostenfrage. Schließlich sei auch die Baugenehmigung erteilt worden.

Wäre dem Architekten hier auch die Ausführungsplanung übertragen worden, so wäre ihm sein Fehler aufgefallen und er hätte mit der Auftraggeberin die genaue Lage des Kamins besprechen können. Er hätte mithin die Möglichkeit einer Nachbesserung gehabt. Diese war ihm vorliegend genommen, da er überhaupt nichts von dem Mangel wusste. Grundsätzlich haftet der Architekt nur insoweit, wie ihm Planungsaufgaben übertragen seien. Die genaue Lage und Ausführung eines Kamins gehörte nicht zur Genehmigungsplanung, sondern zur Ausführungsplanung. Der Auftraggeberin sei zwar zuzustimmen, dass bei Einfamilienhäusern i.d.R. nach genehmigten Bauplan gebaut und auf eine Ausführungsplanung verzichtet wird. Dies geschehe weitgehend aus Kostengründen. Dann aber trage der Bauherr das volle Risiko für Mängel, die auf Fehlen der Ausführungsplanung beruhen. Die Genehmigungsplanung ersetze auch bei einfachen Bauten nicht die Ausführungsplanung.

Darüber hinaus sei auszuführen:

Der Architekt habe für seine Planungsleistungen ein Honorar i.H.v. DM 8.651,00 abgerechnet. Dies sei ein Honorar, welches weit hinter dem Mindestsatzhonorar zurückbleibe. Vor diesem Hintergrund könne es letztendlich auch dahingestellt bleiben, ob der Architekt wusste, dass auf der Basis seiner Pläne die Bauausführung durchgeführt werden solle. Denn es sei widersprüchlich, den Architekten bei der Unterschreitung der Sätze der HOAI lediglich mit der Genehmigungsplanung zu beauftragen, dennoch eine detaillierte Vermaßung zu verlangen und gleichzeitig die Haftung des Beklagten für hiervon nicht erfasste Detailvorhaben anzustreben.
Hinweis
Das Urteil ist für Architekten ermutigend. Richtig weist es auf die Eigenverantwortlichkeit des Bauherrn, insbesondere eines im Bauwesen bewanderten Bauherrn, hin. Wie leider viel zu selten weist das Gericht erfreulicherweise ausdrücklich auch auf die zunehmende Diskrepanz zwischen den haftungsrechtlichen Anforderungen an Architekten und der hierfür vom Bauherrn i.d.R. zugestandenen Vergütung hin. Gleichwohl ist das Urteil mit Vorsicht zu genießen. Ob es eine OLG-Instanz oder gar den BGH überstanden hätte, erscheint zweifelhaft. Dort wird in Fallkonstellationen, in denen der Bauherr (oft aus Kostengründen) unvernünftige Entscheidungen trifft, regelmäßig eine ausführliche Aufklärungspflicht des Architekten auf die hiermit verbundenen Risiken angenommen. Ein Mitverschulden oder gar ein Handeln auf eigenes Risiko durch den Bauherrn wird erst dann bejaht, wenn der Bauherr in Kenntnis des vollständigen Risikos eine unvernünftige Entscheidung beibehält. Für oben genannten Fall hieße dies, dass der Architekt jedenfalls dann, wenn er die Absicht des Bauherrn, ohne Ausführungsplanung zu bauen gekannt hätte, den Bauherrn über die entsprechenden Risiken aufklären müssen.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck