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Auftrag nur mit Teilgewerken: Wie werden anrechenbaren Kosten ermittelt?

Die anrechenbaren Kosten des Planers bestimmen sich durch den Vertragsgegenstand; entsprechend ermitteln sich die anrechenbaren Kosten auf der Grundlage der dem Planer zur Bearbeitung bestimmten Gewerke.
Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Steht fest, daß die HOAI anwendbar ist und liegt eine nach der HOAI wirksame Honorarvereinbarung nicht vor, ermittelt sich das Honorar des Architekten direkt nach den Vorgaben der HOAI.

Im System der HOAI stellen die anrechenbaren Kosten eine der Grundlagen zur Berechnung der Honorars dar.
Beispiel
(nach BGH , Urt. v. 12.01.2006 - VII ZR 2/04 -)
Einem Planerbüro werden Leistungen des raumbildenden Ausbaus, Leistungsphasen 1 bis 9 gemäß § 15 HOAI, für ein Berufsförderungswerk übertragen. In dem Vertrag ist auch eine in Anlage 1 enthaltene Gewerkeliste Bezug genommen, in der einzelne Gewerke mit "IA" (Innenarchitekt) gekennzeichnet sind; dies sind nicht sämtliche derjenigen Gewerke, die grds. in den Rahmen des raumbildenden Ausbaus fallen. Das vom Architekten abschließend errechnete Resthonorar in Höhe von rund € 630.000,00 wird vom Bauherrn nicht gezahlt. Vor dem Oberlandesgericht Dresden unterliegt der Architekt unter anderem mit der Begründung, sein Honorar sei mangels Prüffähigkeit seiner Rechnung zur Zeit nicht fällig. Die Rechnung sei nicht prüffähig, da der Architekt – so das OLG Dresden – lediglich diejenigen Gewerke, die mit "IA" gekennzeichnet gewesen sein, für seine anrechenbaren Kosten zugrundegelegt habe; nach der Systematik der HOAI hätte der Architekt allerdings die Gesamtkosten des raumbildenden Ausbaus zugrunde legen müssen, die Tatsache, dass er nicht alle Gewerke des raumbildenden Ausbaus bearbeitet habe, müsse er durch eine Kürzung der anzusetzenden Prozentpunkte nach § 5 Abs. 2 HOAI berücksichtigen.

Der BGH hebt das Urteil des OLG Dresden auf. Entgegen der Ansicht des Oberlandesgericht sei die Rechnung prüffähig. Aufgrund der Feststellungen des OLG sei davon auszugehen, dass eine Beschränkung des Auftragsumfanges nur insoweit erfolgt sei, als sich der Auftrag des Architekten nicht auf alle im Rahmen des raumbildenden Ausbaus zu bearbeitenden Gewerke bezog. Zu dieser Konstellation werde vertreten, dass die gesamten anrechenbaren Kosten des raumbildenden Ausbaus auch dann zugrunde zulegen sein, wenn – wie hier – der Auftragnehmer mit einzelnen Gewerken nichts zu tun habe; Kürzungen seien gegebenenfalls nach § 5 Abs. 2 HOAI vorzunehmen. Nach anderer Auffassung bestimmen sich die anrechenbaren Kosten nach dem jeweiligen Vertragsgegenstand. Der Honorarabrechnung seien nur die anrechenbaren Kosten der raumbildenden Ausbauten zugrunde zulegen, auf die sich der Vertrag bezogen habe.

Der BGH entscheidet sich für die letztere Ansicht. Für eine direkt oder analoge Anwendung des § 5 Abs. 2 HOAI bestehe keine Veranlassung. Ziel der sich aus der Honorartafel zu § 16 HOAI ergebenen Degression sei es, dass der Architekt bei höherem Auftragsvolumen ein relativ geringes Honorar erhalte, nicht aber, dass bei einem auf mehrere Auftragnehmer aufgeteilten Auftragsvolumen für den Bauherrn die gleichen Kosten anfallen, wie bei der Vergabe nur eines umfassenden Auftrages. Mit einer Honorarabrechnung auf der Grundlage der anrechenbaren Kosten des Vertragsgegenstandes wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass sich der Wert und damit die Honorarwürdigkeit der Architektenleistung gerade in den anrechenbaren Kosten wiederspiegelt.
Hinweis
Das Urteil liegt auf der Linie der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. auch Begrenzung einer Honorarvereinbarung über anrechenbare Kosten durch Vertragsgegenstand).

Nach verschiedentlich geäußerten Ansichten sollen sich aber weitere Konsquenzen aus dem Urteil ergeben können. Es fragt sich, ob und inwieweit der BGH das sogenannte "Gesamtkostenprinzip", welches bisher für die HOAI-Systematik als wesentlich erachtet wurde, aufgeben möchte. Insbesondere fragt sich, ob nunmehr beispielsweise jeder Nachtragsauftrag lediglich nach den anrechenbaren Kosten des Nachtrags abzurechnen ist, oder – wie früher noch – unter Berücksichtigung der anrechenbaren Kosten des Hauptauftrages und entsprechender Kürzung der Honorarprozentpunkte. Als nächste Frage stände an, was passiert, wenn einem Architekten der Vertrag vorzeitig gekündigt wird, beispielsweise in Leistungsphase 8; soll hier weiter wie früher unter Berücksichtigung des Gesamtkostenprinzips die Prozentpunkte gekürzt werden, oder errechnet nunmehr der Architekt sein Honorar für die Leistungsphase 8 anhand der anrechenbaren Kosten für die Gewerke, die er bis zur Kündigung betraut hat? Entsprechende Klarstellungen durch die Oberlandesgerichte und den BGH müssen wohl abgewartet werden.

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