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Bauen ohne Baugenehmigung: Ganz schlechte Idee!

Bauen ohne Baugenehmigung, und sei es auch nur in der Form einer Abweichung von der Baugenehmigung, führt für einen Architekten zu mannigfaltigen und, wie nun ein Gericht festgestellt hat, auch berufsrechtlichen Konsequenzen; dass der Bauherr vielleicht entsprechende Abweichungen wünschte, hilft dem Architekten nicht.
Hintergrund
Ein Architekt wird mit Planung und Objektüberwachung eines Umbaus eines Einfamilienhauses mit grenzständiger Garage beauftragt. Die Bauherren wünschen die Herstellung von drei Wohnungen. Außerdem wird – auf wessen Anregung auch immer – darüber gesprochen, ob mindestens ein Teil der grenzständigen Garage in eine der Erdgeschosswohnungen einbezogen werden kann. Der Architekt weist die Bauherren darauf hin, dass eine vollständige Einbeziehung als Wohnfläche wegen des fehlenden Grenzabstandes nicht möglich sei.

Schließlich fertigt der Architekt eine Bauantragsplanung, in welcher zwei Wohnungen im Gebäude ausgewiesen sind, die Grenzgarage ist gänzlich unberührt geblieben. Parallel hierzu stellt er eine „Baustellenzeichnung“ her, welche drei Wohnungen ausweist und eine teilweise Einbeziehung der Grenzgarage in eine der Erdgeschosswohnungen. Jedenfalls einen schriftlichen Hinweis auf die hieraus folgende materielle Baurechtswidrigkeit und daraus resultierende Folgen gibt der Architekt nicht. Nach Erteilung der Baugenehmigung auf der Grundlage der Bauantragsplanung wird das Gebäude entsprechend der Baustellenzeichnung ausgeführt. Von der Abweichung der Ausführung von der erteilten Baugenehmigung erfährt das Bauaufsichtsamt.
Hinweis
Die Abweichung von der Baugenehmigung hat öffentlich-rechtlich gravierende Folgen: Da es sich – Dreifamilienhaus anstatt Zweifamilienhaus/Verletzung der Abstandsflächen wegen Entprivilegierung der Grenzgarage – um alles andere als unerhebliche Abweichungen handelt, gilt der gesamte Baukörper einschließlich der Nutzung als Schwarzbau. Die ursprünglich erteilte Baugenehmigung ist voraussichtlich bereits erloschen, da sie nicht ausgenutzt wurde. Ein „Rückbau“ auf den Stand der erteilten Baugenehmigung ist also in der Regel nicht möglich. Ein Rückbau auf den Stand vor Erteilung der Baugenehmigung, gegebenenfalls auf den Stand einer alten Baugenehmigung, ist auch nicht möglich, da der Bestandsschutz erloschen wäre. Es muss also möglicherweise ein neues Bauantragsverfahren eingeleitet werden, welches – insbesondere wenn zwischen Erteilung der Baugenehmigung und Bekanntwerden des Schwarzbaus ein nicht unerheblicher Zeitraum verstrichen ist – ganz neue Anforderungen nach aktuellem Recht an das Gebäude stellen kann.

In dem hier vorliegenden Fall wird die Abstandsflächenverletzung voraussichtlich nicht zu heilen sein: Hierzu bedürfte es nicht nur einer Zustimmung der Nachbarn zur Abstandsflächenverletzung, sondern in der Regel einer Baulast, die ebenso regelmäßig von Nachbarn – aus verständlichen Gründen – abgelehnt wird. Im Hinblick auf den Teilausbau der Garage steht also auf jeden Fall (neben etwaigem Baustopp und Nutzungsuntersagung) ein Rückbau an (vgl. zu dem Erfordernis eines Rückbaus wegen Erstellung eines nicht genehmigungsfähigen Zustandes auch OLG Köln, Urteil vom 04.05.2016 ).

Für sämtliche Schäden im Zusammenhang mit den Konsequenzen eines Bauen ohne Baugenehmigung haftet der Architekt. Ein Mitverschulden des Bauherrn wird er nur einwenden können, wenn er eine Kenntnis des Bauherrn nachweisen kann (vgl. ebenfalls OLG Köln, Urteil vom 04.05.2016). In der Regel wird der Bauherr verstanden haben müssen, welche Konsequenzen im Einzelnen aus dem Bauen ohne Baugenehmigung resultieren.

Für die dem Architekten gegenüber im Rahmen seiner Haftung geltend gemachten Schäden wird seine Haftpflichtversicherung die Deckung in der Regel verweigern können, da bewusste Pflichtwidrigkeit vorliegt (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 15.04.1992). Hinzukommt, dass dem Architekten ein Ordnungswidrigkeitsgeld droht, da es der Behörde beim Bauen ohne Baugenehmigung offensteht, sowohl Bauherren als auch Architekten in Anspruch zu nehmen.

Nunmehr hat das Architekten-Berufsgericht Niedersachsen (unter Datum vom 04.08.2023, Aktenzeichen: AG 1/22) gegen den betroffenen Architekten neben einem berufsrechtlichen Verweis eine Geldbuße i.H.v. € 9.000,00 verhängt. Das Verhalten des Architekten stelle objektiv alles andere als ein „Kavaliersdelikt“ dar, sondern vielmehr ein schwerwiegendes Versagen im absoluten Kernbereich der Berufspflichten, insbesondere der Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung. Dieses Fehlverhalten sei geeignet, das Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit und das Vertrauen in dessen Integrität ganz erheblich zu beschädigen.

In der Entscheidung weist das Gericht ausdrücklich darauf hin, wie ein Architekt sich zu verhalten habe, wenn die Bauherrenschaft im Rahmen der tatsächlichen Bauausführung mit dem öffentlichen Baurecht nicht vereinbare oder gesondert genehmigungsbedürftige Abweichungen vom ursprünglichen Genehmigungsinhalt verwirklichen wolle: In diesem Fall habe der Architekt ausdrücklich auf solche Umstände hinzuweisen und auf eine unverzügliche Beseitigung etwaig rechtlicher Hindernisse für eine von der Genehmigung in diesem Sinne abweichende Bauausführung hinzuwirken. Bleibe die Bauherrenschaft diesbezüglich untätig, halte aber gleichwohl an der rechtswidrigen Abweichung der tatsächlichen Bauausführung von der Baugenehmigung fest und erteile gegebenenfalls sogar entsprechende Anweisung an die ausführenden Handwerker, habe der Architekt gegebenenfalls den abgeschlossenen Architektenvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen und seine weitere Mitwirkung an der Bauausführungsbegleitung bzw. Überwachung zu verweigern.

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