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Auch offenkundiger Verstoß gegen die aaRT indiziert keine bewusste Pflichtwidrigkeit

Auch ein eindeutiger und offenkundiger Verstoß gegen baurechtlich Vorschriften oder allgemein anerkannte Regeln der Technik allein belegt noch nicht, dass der Architekt bewusst pflichtwidrig gehandelt hat.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Soweit ein Architekt eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, besteht Haftpflichtversicherungsschutz für seine freiberufliche Tätigkeit nach Maßgabe des Versicherungsvertrages.

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versicherungsverträge (AHB; BBR/Arch) sind Fälle bestimmt, in denen ein Versicherungsschutz ausgeschlossen ist.
Beispiel
(nach OLG Köln, Beschlüsse vom 08.09.2025 und 14.10.2025, - 9 U 50/25 , )

Ein Architekt wird mit Leistungsphasen 1-9 betreffend die Modernisierung und Instandsetzung eines Bestandsgebäudes einer Berufsfachschule beauftragt. Der Architekt plant unter anderem ein begrüntes Dach auf einer nicht hinterlüfteten Holzkonstruktion. Später kommt es zu erheblichen Feuchtigkeitsschäden im Dach. Der Bauherr setzt einen Schadensersatzanspruch in Höhe von rund Euro 315.000 gegenüber dem Architekten gerichtlich durch. Der Schadensersatzanspruch wird gestützt auf einen Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik (DIN 68800).

Die Haftpflichtversicherung lehnt den Deckungsschutz ab. Der Architekt verklagt daraufhin seine Haftpflichtversicherung. Diese beruft sich auf eine bewusste Pflichtwidrigkeit des Architekten als Ausschlussgrund. Der Architekt habe hier gegen Elementarwissen verstoßen, im Übrigen handele es sich bei der geplanten Konstruktion um eine Sonderkonstruktion, weshalb der Architekt sich bei Fachplanern Rat hätte einholen müssen.

Das Oberlandesgericht Köln gibt der Klage des Architekten gegenüber der Haftpflichtversicherung statt. Eine bewusste Pflichtwidrigkeit können nicht festgestellt werden. Ein bewusster Pflichtverstoß setze voraus, dass der Architekt als Versicherungsnehmer nicht nur die Pflicht positiv kannte, sondern auch inhaltlich zutreffend beurteilt hat, also gewusst hat, wie er sich konkret hätte verhalten müssen. Auch ein eindeutiger und offenkundiger Verstoß gegen baurechtlich Vorschriften oder allgemein anerkannte Regeln der Technik allein belege nicht, dass der Architekt bewusst pflichtwidrig gehandelt habe (vergleiche OLG Karlsruhe, Urteil vom15.12.2005).

Darlegungs- und beweispflichtig für die Verwirklichung der bewussten Pflichtwidrigkeit sei der Versicherer. Der Beweis sei geführt, wenn Indizien, die auf objektiven Tatsachen beruhen, den Schluss zulassen, dass der Versicherungsnehmer bewusst pflichtwidrig gehandelt habe. Bei einer Verletzung von elementaren beruflichen Pflichten, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden könne, werde ohne weitere zusätzliche Indizien auf eine bewusste Pflichtwidrigkeit geschlossen. Handele es sich nicht um eine Verletzung elementarer beruflicher Pflichten, müsse vom Versicherer aufgezeigt werden, wie sich der Versicherungsnehmer hätte verhalten müssen und dass er um diese Pflicht gewusst habe. Erst wenn der Versicherer entsprechend vorgetragen habe, obliege es dem Architekten vorzutragen, warum die von der Versicherung vorgetragenen Indizien den Schluss auf eine bewusste Pflichtwidrigkeit hier (ausnahmsweise) nicht zuließen (vergleiche LG Bad Kreuznach, Urteil vom 07.03.2014).

Entscheidend für das Obsiegen des Architekten war hier, dass ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger zu dem Ergebnis kam, dass es im Planungszeitraum nicht zum Basis- und Primitivwissen eines Architekten gehört habe, dass die vom Architekten geplante Dicht-Dichtkonstruktion eines Flachdach in Holzbauweise nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprochen habe. Mithin waren elementare berufliche Pflichten nicht verletzt. Auch im Übrigen habe der Versicherer keine Pflichtverletzung vorgetragen, derer sich der Architekt bewusst gewesen wäre. Insoweit gehe auch der Hinweis auf die „Sonderkonstruktionen“ ins Leere; auch hier legten die Ausführungen des Sachverständigen nahe, dass der Architekt sich gar nicht bewusst gewesen sei, eine Sonderkonstruktion gewählt zu haben.
Hinweis
Der Zweck des Deckungsausschlusses bei bewusster Pflichtwidrigkeit besteht (worauf auch das Gericht hinweist) darin, den Versicherer davor zu bewahren, dass auf seine Kosten der Architekt außerhalb bautechnisch gesicherter Erkenntnisse planerisch experimentiere oder sich – aus welchen Gründen auch immer – sozusagen sehenden Auges über genormte oder vertraglich übernommene Pflichten hinwegsetze und dadurch einen Dritten schädige. Eine lediglich riskante Planung des Architekten oder Ingenieurs sei jedoch versichert.