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Kardinalpflicht verletzt: Haftungsbeschränkende Klausel greift nicht!

Die Planung der Abdichtung einer Bodenplatte im Rahmen der Sanierung eines 40 Jahre alten Gebäudes ist nach Auffassung des OLG Düsseldorf eine Kardinalpflicht; bei der Verletzung einer Kardinalpflicht greift eine im Vertrag vereinbarte haftungsbeschränkende Klausel nicht.


Hintergrund
Haben Architekt und Bauherr einen Vertrag geschlossen, prägt dieser wesentlich das Rechtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien.

Sind Vertragsbestimmungen als sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren, so sind sie auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.

Ist der Architekt Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, so ist deren Wirksamkeit allein zu seinen Lasten zu prüfen.
Beispiel
(nach OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2025 – 22 U 19/24 , )
Ein Architekt wird mit Architektenleistungen für den Umbau einer in den 1960er Jahren errichteten katholischen Grundschule in einen Kindergarten beauftragt. In dem Vertrag wird auf die Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVA) Bezug genommen; dort heißt es unter 8.3:

Bei einfacher (leichter, gewöhnlicher) Fahrlässigkeit beschränkt sich die Haftung des AN dem Grunde und der Höhe nach auf den Schadenumfang, der dem Grunde und der Höhe nach durch den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung gedeckt ist oder hätte Objekt angemessen gedeckt werden können. Diese Einschränkung gilt nicht bei der Verletzung von Kardinal- oder Hauptpflichten mit der Folge, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wird, und bei der Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.

Wegen erheblichem Feuchtigkeitseintritt etwa 3 Jahre nach Öffnung der KiTa kommt es zu einer Sanierung. Der Bauherr nimmt den Architekten auf Sanierungskosten in Höhe von rund € 320.000 in Haftung. Der Architekt (der offenbar lediglich in Höhe der Pflichtversicherungssumme von € 250.000 für Sach- und Vermögensschäden versichert ist) beruft sich auf die oben zitierte Klausel zu seiner Haftungsbeschränkung.

Das OLG Düsseldorf hält den Vortrag des Architekten zur Haftungsbegrenzung für unerheblich. Die Planung der Abdichtung bei der Sanierung eines Gebäudes, das mehr als 40 Jahre alt sei, sei eine Kardinalpflicht; der Kindergarten könne wegen seiner Planungs- und Aufklärungsfehler nicht wie vorgesehen genutzt werden, die Verletzung der Kardinalpflicht habe entsprechend den Vertragszweck vereitelt.


Hinweis
Haftungsbeschränkungsklauseln sind – in gewisser Weise verständlich – bei der Rechtsprechung noch nie besonders beliebt gewesen. Nach wie vor noch nicht endgültig geklärt ist, ob überhaupt eine Haftungsbeschränkung – gegebenenfalls eingegrenzt
  • auf nur leichte Fahrlässigkeit
  • der Höhe nach auf eine angemessene Versicherungssumme (vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.11.2001
  • unter Ausschluss von Verletzungen einer Kardinalpflicht
  • unter Ausschluss von Schäden aus der Nichterfüllung einer zugesicherten Eigenschaft
  • unter Ausschluss von Personenschäden

      (vgl. auch Hinweise zu BGH, Urteil vom 29.09.1985)

wirksam vereinbart werden kann.

Liegt eine dermaßen eingegrenzte Klausel vor, so wird deren Relevanz naturgemäß sehr gering sein – wie auch das hier zitierte Urteil zeigt.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck