18.04.2019

Farbe als Exponat

Meisterhaus Kandinsky-Klee in Dessau saniert

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Meisterhaus Kandinsky/Klee, April 2019, Hausansicht Süden

Wer heute die Meisterhäuser in Dessau besucht, kann nicht nur ein von Walter Gropius geplantes und 1926 gebautes Ensemble der Moderne erleben. Die drei Doppelhäuser und der Einzelbau sind längst auch eine Ausstellung unterschiedlicher Denkmalpflegeansätze. Jüngstes Beispiel ist das Haus Kandinsky-Klee, bei dem eine alte Farbfassung aufwändig  wiederhergestellt wurde.

Von Friederike Meyer


Zum Jubiläum stehen die Dessauer Meisterhäuser strahlend weiß im Kiefernhain. Als gestern das sanierte Meisterhaus Kandinsky-Klee der Presse vorgestellt wurde, räumten die Maler gerade ihre Eimer beiseite. Als man sich in den 1990er Jahren erstmals an die Sanierung der Meisterhäuser machte, war deren ursprüngliche Erscheinung mächtig entstellt – Haus Moholy-Nagy und Haus Gropius hatte der Krieg komplett zerstört. Während beide 2014 durch zwei vielgelobte und kontrovers diskutierte Neubauten vom Büro Bruno Fioretti Marquez ersetzt wurden, erscheinen Haus Muche-Schlemmer, in dem heute Stipendiaten wohnen, und Haus Feininger, das die Kurt-Weill-Gesellschaft nutzt, als Mischung aus rekonstruierten Fassaden und Raumgefügen, Details aus der DDR-Zeit, ergänzten Oberflächen und pragmatischer Funktionsmöblierung.

Anders jetzt das Meisterhaus Kandinsky-Klee. Während der Sanierung vor 20 Jahren hatte man es als Galeriehaus hergerichtet und eine Klimaanlage eingebaut, in der unerfüllten Hoffnung, Ausstellungen mit hochkarätigen Leihgaben zeigen zu können. Nach der nun beendeten Sanierung stellt man das Haus selbst aus. Präsentiert werden leere Räume mit farbigen Wänden in jener Fassung von 1933, als die Bauhausmeister ausziehen mussten. Die Nutzungsspuren der jüngeren Vergangenheit, die Haustechnik und der Blick in die Wandschichten sind getilgt.  Nur die Spuren im teilweise originalen Triolin-Boden und die Oberflächenstruktur der Wände, Türen und Treppen verweisen auf die 93-jährige Baugeschichte.

Es ist das Ergebnis eines dreijährigen Sanierungsprozesses unter luxuriösen Bedingungen, den die Wüstenrot Stiftung mit 1,5 Millionen Euro nicht nur finanziert, sondern auch mit ihrem wissenschaftlichen Team begleitet hat. Winfried Brenne Architekten (Berlin), vertraut mit der Sanierung von Bauten der Moderne, haben Dach, Terrassen und Keller abgedichtet und viele exponierte Stellen bautechnisch repariert. Heute, so Winfried Brenne, gäbe es ganz andere Möglichkeiten, das Dach abzudichten oder den Keller trocken zu halten. Das Atelier Schöne (Halle), spezialisiert auf Restaurierung und schon früher an den Meisterhäusern aktiv, hat genau 100 verschiedene Farbtöne erfasst, mikroskopisch analysiert, nachgemischt und so aufgebracht, das die Pinselspuren und Unebenheiten der Entstehungszeit sichtbar bleiben.

Das Authentische herausarbeiten, ohne die Spuren der Geschichte zu tilgen, das sei das Ziel der Sanierung gewesen, sagt Philip Kurz, Geschäftsführer der Wüstenrot Stiftung. Ob das gelungen ist, entscheidet die Interpretation des Begriffs „authentisch“, über den sich Denkmalpfleger seit jeher streiten. Und so kann man auch über das Richtig oder Falsch beim Meisterhaus Kandindsky-Klee als begehbares Gemälde, als Exponat seiner selbst in der Fassung einer festgelegten Zeit streiten, oder es einfach als Facette des denkmalpflegerischen Umgangs akzeptieren. Unumstritten bemerkenswert allerdings ist das hier vorgeführte Engagement der Wüstenrot Stiftung im Hinblick auf die Bauforschung und den dabei praktizierten Diskussionsprozess. Derart akribische Farbuntersuchungen wie sie hier möglich waren, sind leider ebenso selten wie die gemeinsame Suche aller Beteiligten nach einer Lösung.