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24.01.2007

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Stimfrau

Schweizerin wird Senatsbaudirektorin in Berlin – mit Kommentar der Redaktion


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Die Schweizer Architektin Regula Lüscher Gmür wird die neue Berliner Senatsbaudirektorin. Der Senat ernannte die 45-jährige Baslerin am 22. Januar 2007 auf Vorschlag von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Die stellvertretende Direktorin des Amtes für Städtebau in Zürich wird ihr Amt in Berlin am 1. März 2007 übernehmen.

Lüscher Gmür folgt Hans Stimmann, der im Herbst 2006 als Senatsbaudirektor in den Ruhestand verabschiedet worden war (siehe BauNetz-Meldung mit Kommentar der Redaktion vom 25. Oktober 2006).

Nach Abschluss des Architekturstudiums an der ETH Zürich 1986 arbeitete Lüscher Gmür in Zürich und Wien als Architektin.
Danach eröffnete sie mit Patrick Gmür ein Architekturbüro in Zürich, in dem sie jedoch nach Auskunft des Büros seit acht Jahren nicht mehr tätig ist. BauNetz hat über zwei Projekte des Büros berichtet (siehe BauNetz-Meldung zum Wohnhaus in Zürich und BauNetz-Meldung zu einer Schulerweiterung in Zürich).

In ihrer zehnjährigen selbständigen Tätigkeit als Architektin beschäftigte Lüscher Gmür sich mit städtebaulichen Aufgaben, öffentlichen Bauten, Wohnungsbau und kleineren Umbauten. Sie war seit 1989 an der ETH und in Winterthur in der Lehre tätig, wirkte in Jurys mit und war vier Jahre Mitglied der Stadtbildkommission Luzern.

Kommentar der Redaktion:

Eine vergleichsweise junge Schweizer Architektin wird Architektur und Städtebau in Berlin politisch leiten. Das klingt nach frischem Wind. Sie übernimmt die Geschicke in Berlin zu einem prekären Zeitpunkt: Ihr Vorgänger Hans Stimmann (1991 bis 96 und 1999 bis 06), hinterlässt ihr ein unvollendbares „Planwerk Innenstadt“ in einer bankrotten Stadt, der es bisher noch immer nicht gelungen ist, wirkliche deutsche „Hauptstadt“ zu werden, Ost und West politisch zu vereinen und gut dotierte Arbeitsplätze in die Stadt zu holen.

Anfang 2007 ist Berlin bei Touristen aus aller Welt zum beliebten Städtereiseziel per Billigflieger geworden - in der allerdings für die Politik der zahlende Besucher wichtiger als der wählende Bürger geworden ist. Einige Prestigeprojekte der Nachwendezeit verlieren derzeit in Berlin ihr Prestige wie der neue Hauptbahnhof seine Stahlträger.

Schweizern unterstellt man mehr diplomatisches Geschick und mehr Verständnis für Demokratie als Lüscher Gmürs Vorgänger. Dessen in den 60er Jahren geschulte ideologische Meinungsfreudigkeit war aber auch seine Stärke. Wird Lüscher Gmür mit dem rauen Berliner Ton und Stil umgehen können, ohne sich zu sehr zu verschleißen?

Dass Berlin abermals eine(n) Architekten/in im politischen Amt bekommt, kann eine gute Nachricht sein. Die Gefahr, dass sie, wie Stimmann, eine Clique genehmer Entwerfer um sich schart und immer wieder beauftragt, besteht angesichts ihrer mangelnden Verwurzelung in Berlin zunächst nicht. Es wird interessant zu beobachten sein, ob es der „Berliner Schule“ gelingt, die neue Amtsinhaberin zu vereinnahmen – oder ob es ihr gelingt, diesem Begriff einen neuen Inhalt zu geben.

Der ganz große Berliner Bauboom ist vorüber, die internationalen Investmentfonds kreisen nicht nur über der unterbewerteten Stadt, und der Leerstand ist groß. Dennoch hat sich Berlin positiv entwickelt: Vom Zentrum der Ost-West-Konfrontation zu einem kulturellen und politischen, aber nicht wirtschaftlichen internationalen Zentrum im wiedervereinigten (Mittel-)Europa.

Ulf Meyer


Kommentare

10

Dipl.Ing. Eckart Leipprand | 29.01.2007 11:09 Uhr

Stimfrau

Wir reden von Baukultur. Baukultur ist wie jede Kultur ein homogenese Wirken Vieler und nicht Einzelner. Wenn ein Chinese mit dem Stäbchen ißt, dann ist das noch keine Esskultur. Wenn alle mit dem Stäbchen essen, dann ist das eine Esskultur. Baukultur ist nicht, wenn einzelne Stararchitekten Ausgefallenes produzieren, sondern wenn alle in einem homogenen Sinne gemeinsames zusammenpassendes Bauen praktizieren. Das aber ist Städtebau. Baukultur ist genau genommen Städtebaukultur und dafür brauchen wir viele Senatsbaudirektoren, Baudezernenten, Stadtplaner, Städtebauer.
Deren "Nachzucht" und Wichtignahme aber scheint im Gegensatz zu unserem Lippenbekenntnis extrem vernachlässigt. So ist die etwas verlegen wirkende (Fern-)Suche nach einer Nachfolge für Stimmann nur ein Schlaglicht und Beispiel für unsere Inkonsequenz in Sachen Baukultur, sprich in Sachen Städtebau.

9

peter | 25.01.2007 19:48 Uhr

Stimfrau

Nachdem fast alle prestigeträchtigen und fortschrittlichen Gebäude in Deutschland von ausländischen Architekten gebaut werden
( Elbphilharmonie, Reichstag, Allianzarena, Neues Museum,Phaeno, etc.) ist es nur konsequent, dass eine Schweizerin Senatsbaudirektorin der Hauptstadt wird. Der architektonische Nachwuchs scheint wohl ausgerottet zu sein.Vielen Dank, Herr Stimmann.

8

steff | 25.01.2007 12:58 Uhr

kommentar aus der schweiz

für alle diejenigen welche regula lüscher als unbeschriebenes blatt bezeichnen, unterschätzen sie. in der schweiz ist regula lüscher sehr wohl sehr bekannt. das büro lüscher gmür gehörte wohl zu den aufstrebenden bekannteren büros der letzten jahre. dass lüscher wie es heisst mehrere jahre nicht im büro gesehen wurde, könnte daran liegen dass sie mit der gesamtleitung des städtebaus der stadt zürich beauftragt war. dies gleichzeitig mit dem amt der vizedirektorin des städtebauamtes. demnächst erscheint ein buch über die stadtplanung zürichs der letzten jahre. da wird die leistung der stadtplanung zürich und damit auch lüschers ausführlich beschrieben. würde sagen ihre berufung ist nicht gut für zürich, entsprechend gut ist es für berlin. gruss aus der schweiz.

noch ne frage wie alt muss man sein um gut zu sein? ist man mit 45 noch jung?

7

bbs | 25.01.2007 12:37 Uhr

Qualifikation

Erstaunlich! Was prädestiniert diese Frau für
dieses Amt, die bisherige Tätigkeit als "stellvertretende Direktorin des Amtes für Städtebau in Zürich" dürfte wohl kaum ausreichend sein. Daß sie seit Jahren nicht mehr in ihrem Büro tätig war, wird als quasi Rechtfertigung hingestellt. In Berlin wundert einem allerdings schon lange nichts mehr, sowohl was die städtische als auch die bundesrepublikanische Führung anbelangt; kümmerlich von vorne bis hinten !

6

jhk | 25.01.2007 09:04 Uhr

überraschung! für wahr.

mehr in wien, als in berlin, hole ich mir architetonischen input und kick meist über eure nachrichten. was berlin die letzten jahre gemauert hat stößt mir oft steinern auf.

generell neuem offen, wundere ich mich, daß es niemanden aus den eigenen reihen gibt. irgendwie seltsam, oder? wie kommt dat nu wieder? hintergrundinfo wäre wirklich nett.

5

Cihan Arin, Architekt | 24.01.2007 20:13 Uhr

Berliner Senatsbaudirektorin: gelungene Überraschung?

Die Überraschung der Fachöffentlichkeit durch die Stadtentwicklungssenatorin Berlin ist perfekt: mit einem auch von "gut informierten Kreisen" geheim gehaltenen Akt zauberte sie eine bisher unbekannte Schweizer Architektin als künftige Senatsbaudirektorin aus dem Hut - optimistisch anzunehmen dabei ist, dass bei dieser relativ jungen Kollegin die ihrem Vorgänger, Stimmann, anhaftende Konnotation eines semi-demokratischen und sozial autoritären Führungsstils nicht vorkommen wird.

Jedoch gewinnt die von Baunetz aufgeworfene Gretchenfrage, "ob es der „Berliner Schule“ gelingt, die neue Amtsinhaberin zu vereinnahmen – oder ob es ihr gelingt, diesem Begriff einen neuen Inhalt zu geben", eine besondere Bedeutung in der Hauptstadt.

Angesichts der Fülle von vorliegenden Fragen der Hauptstadtentwicklung wird sie sich daran messen lassen, ob und wieweit es ihr gelingen wird, den vorhandenen Provinzialismus zu überwinden und Berlin zu einem bedeutenden Ort der international zeitgemäßen Architektur zu verhelfen. Eines wird sie jedoch mit ihrem Amtsvorgänger wahrscheinlich nicht gemein haben: die Machtfülle, über die Stimmann aufgrund besonderer Umstände während seiner Amtszeit verfügen konnte.

Begleitet von einer kritischen Fachöffentlichkeit, liegt ja vielleicht in den relativ bescheiden gewordenen neuen Umständen auch die Chance, durch behutsames Vorgehen sinnvolles für die Stadt zu tun - in diesem Sinne wünsche ich der Kollegin viel Erfolg.

4

baby | 24.01.2007 19:20 Uhr

Immer mit der Ruhe.

Auf gehts? Und los? Aufbruchstimmung kann ja ganz schön sein, aber man sollte doch auch klaren Kopf behalten können.
Wir holen schließlich nicht die Schweiz nach Berlin und auch nicht die Welt und nicht die Demokratie, sondern eine Schweizer Architektin, von der ich ehrlich gesagt noch nie etwas gehört oder gesehen habe. Mich interessiert einfach mal, wie wir denn zu ihr gekommen sind. Gab es ein Bewerbungsverfahren, wie kommt Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) auf Regula Lüscher Gmür und was sind ihre Vorstellungen zur Ausübung dieses Amtes? Von Seiten der Redaktion hätte ich mir hier etwas mehr hinterfragende Informationen gewünscht.

3

BEACH. | 24.01.2007 16:53 Uhr

anspruch, schub + los !!!

die stadt berlin und deutschland werden hoffentlich von hohem anspruch an städtebau und architektur unseres kleinen nachbarn angespornt.

ihre integrative kraft, ihr zueigenes gesamtheitliches denken, und das gespür für prozessuale vorrausschauende strategien werden nicht nur der stadtentwicklung berlins , sondern auch wünschenswerter weise deutschland einen schub verleihen.

auf geht´s !!!

2

uwe | 24.01.2007 16:48 Uhr

schweizer ...

... schlichtheit hat berlin nach seinen steinernen jahren nun auch dringend nötig. mit sicherheit.

1

www.plattformnachwuchsarchitekten.de | 24.01.2007 16:10 Uhr

Stimfrau

Sehr guter Kommentar!

 
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