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Werbung durch öffentliche bestellte Vermessungsingenieure

Es ist berufsrechtlich nicht geboten, passive Internetauftritte von öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren nach Inhalt und Gestaltung so zu begrenzen, dass sie keine Grundlage für eine Vorauswahl bieten.
Hintergrund
Das Berufs- und Standesrecht befasst sich mit Vorschriften und Bedingungen, die den Rahmen für die Berufsausübung des Architekten bilden.

Die jeweiligen Landesarchitektengesetze schützen die Berufsbezeichnung der Architekten.

Beispiel
(nach OVG NRW , Urt. v. 04.09.2007 - 14 A 4267/05)
Ein öffentlich bestellter Vermessungsingenieur arbeitet mit seinem Vater zusammen. Sie haben einen gemeinsamen Auftritt im Internet. Dort publizieren sie u. a. Einzelheiten zum Leistungsangebot, zur personellen und sachlichen Ausstattung und zur Geschichte des vom Großvater des Vermessungsingenieurs gegründeten Vermessungsbüros. Die zuständige Aufsichtsbehörde hält den Auftritt für standeswidrig; die Seite "Über uns" mit den nach geordneten Seiten "Firmenprofil", "Mitarbeiter", "Historisches in der Presse" und "Bei der Arbeit" seien als berufswidrige Werbung einzustufen.

Die detaillierten Lebensläufe des Firmengründers und seiner beiden Nachfolger, die historischen Zeitungsausschnitte sowie die historischen Photos seien unzulässig, weil sie den Eindruck vermittelten, dass das Büro langlebig, zuverlässig und beständig sei und damit in erster Linie der Abgrenzung und Hervorhebung gegenüber anderen Büros dienten. Die Angaben über die personelle und sachliche Ausstattung des Büros seien nicht erforderlich, weil es zu den Berufspflichten gehöre, ein für die Aufgabenerfüllung adäquate Ausstattung vorzuhalten. Sie vermittelten deshalb nur, wie leistungsstark ein Büro sei, insbesondere bei einer großen Mitarbeiterzahl und priesen das Büro als leistungsstarken Auftragnehmer an. Eine reklamehafte Selbstanpreisung sei aber unzulässig. Ein Internetauftritt dürfe keine Informationen aufweisen, die einem potentiellen Auftraggeber eine Vorauswahl zwischen verschiedenen öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren ermögliche.
 
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte der Aufsichtsbehörde Recht gegeben und den Vermessungsingenieur zur Änderung seiner Internetseite verpflichtet. Das OVG NRW hebt das Urteil der Vorinstanz auf. Folgende Leitsätze stellt das OVG NRW auf:
 
-        Bei der berufsrechtlichen Beurteilung der Werbung eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs ist zu berücksichtigen, dass er neben seiner Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Bestellung auch auf allen anderen Gebieten des Vermessungswesens tätig werden darf.
-        Es ist berufsrechtlich nicht geboten, passive Internetauftritte von öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren nach Inhalt und Gestaltung so zu begrenzen, dass sie keine Grundlage für eine Vorauswahl bieten.
-        Werbung darf inhaltlich nicht unwahr oder irreführend sein (hier: Darstellung über Leben und Tätigkeit eines ausgeschiedenen Vermessungsingenieurs, Angaben zu ehrenamtlichen und berufspolitischen Tätigkeiten) und im Stil, Form und Gestaltung nicht aufdringlich, markschreierisch, grell oder übertrieben wirken.
-        Zur so genannten Qualitätswerbung: Die Darstellung der eigenen Leistungsfähigkeit darf nicht übertrieben werden und dadurch darauf zielen, die Leistungen und Leistungsfähigkeit von Wettbewerbern herabzusetzen.
-        Zur so genannten Sympathiewerbung: Das Bemühen des Werbenden, auch persönlich vorteilhaft zu wirken, hat seine berufsrechtliche Grenze, wo Inhalte und Mittel eingesetzt werden, die keinen Bezug zur Berufstätigkeit haben und dadurch auf Bewusstseinsebenen eingewirkt wird, die mit einer sachorientierten Wettbewerberauswahl nichts zu tun haben.
 
Das Gericht weist darauf hin, dass – soweit die öffentliche Bestellung von Vermessungsingenieuren reicht – diesen gegenüber ein besonderes Vertrauen entgegengebracht werde, was zu höheren Ansprüchen führe. Allerdings sei bei der berufsrechtlichen Beurteilung der Werbung eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs auch zu berücksichtigen, dass er neben seiner Tätigkeit im Rahmen der öffentlichen Bestellung auch auf allen anderen Gebieten des Vermessungswesens tätig werden darf (betreffend dieser Bereiche wäre dann die Ingenieurkammer-Bau zuständig). Eine Trennung innerhalb seines Leistungsangebotes, z. B. auf der Homepage, sei dem Vermessungsingenieur regelmäßig nicht zumutbar, da diese gekünstelt wirke.
 
Im Hinblick auf die Seite des durch die Aufsichtsbehörde beklagten Vermessungsingenieurs sei folgendes festzustellen:
 
Bild und Lebenslauf des Großvaters des Vermessungsingenieurs auf der Seite "Über uns", das Anfang der 30er Jahre des vorherigen Jahrhunderts geführte Interview einer Magdeburger Zeitung mit dem Großvater über dessen Mitwirkung beim Bau eines Großvorhabens und die dabei von ihm angewendeten Verfahren auf der Seite "Historisches in der Presse" seien berufswidrig, da sie den falschen Anschein erweckten, für die aktuelle Berufsausübung von Bedeutung zu sein. Der Großvater sei hingegen bereits 1963 in Ruhestand getreten und 1971 verstorben. Mit Ausnahme des Umstandes, dass auf ihn die Gründung des Vermessungsbüros zurückzuführen ist, haben weder seine Berufstätigkeit und Qualifikation noch von ihm abgewickelte Vermessungsaufträge für die Arbeit der derzeitigen Inhaber des Büros Bedeutung. Durch Wiedergabe von Bild und Lebenslauf des Großvaters und der Presseberichterstattung werde in typischer Weise mit seinem "guten Namen" geworben. Zwar könnten grundsätzlich auch Gründer und Gründungszeitpunkt eines Büros benannt werden. Über die Geschichte des Vermessungsbüros, die beteiligten Personen und durchgeführte Vermessungsaufträge kann zudem ggf. außerhalb eines werbenden Zusammenhangs – etwa im Kontakt mit Auftraggebern oder mit sonst Interessierten – berichtet werden. Hier allerdings mache sich der derzeitige Büroinhaber in einem Werbungszusammenhang Person und Referenzen eines früheren Inhabers gewissermaßen zu nutzen.
 
Im Hinblick auf Angabe von Referenzen auf der Homepage eines Vermessungsingenieurs gibt das OVG zu bedenken: Es erscheint zweifelhaft, ob Hinweise auf Referenzen geeignet seien, Erkenntnisse über die Leistungsfähigkeit des Vermessungsingenieurs zu vermitteln. Denn es sei eher nicht zu erwarten, dass zusätzlich alle für eine Beurteilung der Arbeitsqualität wesentlichen Einzelheiten der Auftragsvergabe und Erfüllung offen gelegt werden und werden können. Deshalb erscheint es zweifelhaft, ob die unkommentierte und zum Teil auch nicht kommentierbare Angabe von Referenzen für Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Bestellung mit den Berufspflichten in Einklang gebracht werden könnten (Das Gericht weist darauf hin, dass dies nicht in gleicher Weise für die Angabe von Referenzen außerhalb des Rahmens und der öffentlichen Bestellung gelten muss).
 
Das OVG meint weiter, auch die Angaben des Vermessungsingenieurs in seinem Lebenslauf über seine Mitgliedschaften und Aktivitäten in Berufsverbänden und Berufsverwaltungsorganisationen sowie auf politischer Ebene könnten irreführend sein.
 
Im Übrigen kann aber das OVG keine weiteren Verletzungen der Berufspflichten des Vermessungsingenieurs feststellen. Die übrigen Inhalte der Lebensläufe beschränken sich auf berufsbezogene Angaben. Die Beschreibung der persönlichen und sachlichen Ausstattung des Vermessungsingenieurs und seines Leistungsspektrums im Firmenprofil gehe über sachliche Informationen nicht hinaus. Die Informationen über die Ausbildungstätigkeit des Betriebes sind wesentlich für Ausbildungsplatzsuchende. Die Photos der beiden in Arbeitsgemeinschaft stehenden öffentlichen bestellten Vermessungsingenieure und ihrer Angestellten bewegen sich mit ihrem zurückhaltenden Passbildformat in einem Rahmen, wie er auch in Internetauftritten von Nur-Notaren zu finden ist, ohne dass dies Bedenken hinsichtlich deren Amtsführung auslöst. Auch die Schnappschüsse auf der Seite "Bei der Arbeit" und die Bildunterschriften beschränken sich, zum Teil anekdotisch auf den Alltag eines Vermessungsingenieurs in der Zeit von 1950 bis 1989 mit der damals üblichen technischen Ausstattung. Sie entfalten keine erkennbare Werbewirkung.
 
Zusammenfassend: Berufsrechtswidrig sei lediglich das Photo und der Lebenslauf des Großvaters des Vermessungsingenieurs, der historische Zeitungsartikel und die Angaben zum Lebenslauf des Vermessungsingenieurs über Ämter und Aufgaben im Berufsverband und politischen Raum.

Hinweis
Aufgrund ihrer öffentlichen Bestellung müssen für öffentlich bestellte Vermessungsingenieure höhere Anforderungen gelten, als für den "Normalplaner". Gleichwohl gibt das Urteil auch wertvolle Hinweise, welche Kriterien grundsätzlich für die Frage der Wettbewerbswidrigkeit einer Werbung von Planern zu berücksichtigen sind. Dem Urteil wird auch zu entnehmen sein, dass die Angabe von Referenzen auf der Homepage von nicht öffentlich bestellten Planern jedenfalls grundsätzlich nicht zu beanstanden ist.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck