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Ohne konkrete Ersatzplanung kein Anlass für den Abriss eines urhebergeschützten Bauwerks!

Bei Werken der Baukunst gehen die Interessen des Eigentümers an eine anderweitige Nutzung oder Bebauung des Grundstückes den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werkes in der Regel vor; etwas anderes kann gelten, wenn für die beabsichtigte Umnutzung Planungen – über eine Ideenskizze hinaus – noch nicht näher konkretisiert wurden.

Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Aus dem Urheberrecht leiten sich u.a. Persönlichkeitsrechte sowie das Änderungsverbot ab.
Beispiel
(nach OLG Celle , Urt. v. 27.02.2024 - 13 U 57/23)
Auf der Grundlage einer entsprechenden Gestaltungsplanung eines Landschaftsarchitekten wird im Jahr 1990 ein Platz gestaltet. Zentrales Element des Entwurfes ist eine Brunnenanlage („Wasserspiegel"). Die Brunnenanlage besteht aus einem geometrischen kreisrunden abgestuften Ring mit erheblichem Durchmesser, der eine im Wesentlichen glatte Wasseroberfläche einfasst (offenbar 50 m, siehe auch die Parallelbesprechung). Die Eigentümerin des Platzes, Stadt H., beabsichtigt den sanierungsbedürftigen und deshalb derzeit nicht mit Wasser gefüllten Brunnen zu beseitigen. Die Stadt kündigt an, im Jahre 2024 mit den Planungen für ein neues dauerhaftes Gestaltungs- und Nutzungskonzept des Platzes zu beginnen, für die Zwischennutzung werde eine Projektgruppe zeitnah Ideen entwickeln. Gegen den Abriss wenden sich die Erben des 2022 verstorbenen Landschaftsarchitekten.

Das Landgericht Hannover weist den Antrag der Erben auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück. Die Eigentümerinteressen überwiegen die Urheberinteressen. Dem anzuerkennenden Neugestaltungsinteresse stehe es nicht entgegen, dass noch keine endgültige Planung bestehe, sondern eine Erprobungsphase vorgesehen sei. Diese erscheine nicht von vornherein ungeeignet, um den Platz einer Neuplanung zuzuführen. 

Das OLG Celle gibt dem Antrag der Erben, der Stadt den Abriss der Brunnenanlage zu untersagen, statt. Bei Werken der Baukunst gingen die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung oder Bebauung des Grundstückes zwar den Interessen des Urhebers am Erhalt des Werkes bei einer vorzunehmenden umfassenden Interessensabwägung in der Regel vor. Etwas anderes könne aber bei der Abwägung zwischen dem Erhaltungsinteresse des Urhebers einer Platzgestaltung und dem Interesse der Gemeinde an einer Umgestaltung des Platzes für eine geänderte Nutzung gelten, solange die Gemeinde weder Planungen für die endgültige Platzgestaltung erstellt hat, noch die Planungen für eine beabsichtigte Zwischennutzung – über eine Ideenskizze hinaus – näher konkretisiert wurden.

Das Gericht führt weiter aus, dass es auf den dargestellten Planungsstand der Stadt nicht entscheidend ankäme, wenn aus Sicht der Stadt in jedem Fall – unabhängig von der konkreten Planung – schon mit der bloßen Entfernung des Brunnens eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation eintreten würde, die bei einem Erhalt des Brunnens nicht erreicht werden könnte. Dies sei jedoch auch nicht der Fall. Vielmehr gehe auch die Stadt davon aus, dass verschiedene Maßnahmen erforderlich seien, um nach dem Abriss des Brunnens die gewünschte Revitalisierung des Platzes zu erreichen.

Im Ergebnis überwiege jedenfalls derzeit bei der umfassenden Interessenabwägung das von den Erben wahrgenommene Interesse des Urhebers an der Erhaltung seines Werkes gegenüber dem Interesse der Stadt an einer Umgestaltung des Platzes. Es sei der Stadt zuzumuten, zunächst ihre Nutzungsabsichten näher zu konkretisieren.

Hinweis
Das OLG betrachtet auch die Kostenseite: Bei dem Beseitigungsinteresse der Stadt sei weiter in den Blick zu nehmen, dass der Brunnen gegenwärtig sanierungsbedürftig sei und die Ertüchtigung mit – im Einzelnen zwar streitigen, jedenfalls aber erheblichen – Kosten verbunden wäre. Allerdings wären auch die Entfernung des Brunnens, die beabsichtigte Umgestaltung zur Zwischennutzung und die abschließende Neugestaltung des Platzes sowie der laufende Unterhalt etwaiger Bepflanzungen etc. mit hohen, möglicherweise deutlich höheren Kosten verbunden.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck