https://www.baunetz.de/recht/Kuerzt_Sachkunde_des_Bauherrn_Umfang_der_Aufklaerungspflicht__10055415.html


Kürzt Sachkunde des Bauherrn Umfang der Aufklärungspflicht?

Eine Enthaftung des Architekten kann in der Regel nur angenommen werden, wenn der Architekt den Bauherrn zuvor über die Risiken hinreichend aufgeklärt hat; eigene Sachkunde des Bauherrn beschränkt nach Ansicht des OLG Düsseldorf den Umfang der Aufklärungspflicht nicht.


Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluss der Haftung kann sich ergeben, wenn der Bauherr auf eigene Gefahr handelt.
Beispiel
(nach OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2025 – 22 U 19/24 , )
Ein Architekt wird von einem städtischen Eigenbetrieb mit Planungs- und Überwachungsleistungen für den Teilumbau einer in der 1960er Jahren errichteten katholischen Grundschule in einen Zwei-Gruppen-Kindergarten beauftragt. Dabei wird eine von dem Architekten in der von ihm erstellten Ausschreibung vorgesehene Abdichtung der Bestandsbodenplatte des Gebäudes nicht verlegt. Der Architekt erläutert, die Abklebung sei wegen der Unebenheit der Bodenplatte problematisch gewesen, ein Estrichuntergrund als Voraussetzung für eine Abklebung habe nicht aufgebracht werden können, weil dann die Deckenhöhen nicht mehr einzuhalten gewesen wären. Der Sachverhalt sei mit der Betriebsleiterin des Eigenbetriebes besprochen worden, es habe Einigkeit geherrscht, dass ein Verzicht auf die Abdichtung der Bodenplatte kein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Baukunst darstelle, auch weil die Bodenplatte des Bestandsgebäudes trocken gewesen sei. Etwa drei Jahre nach Eröffnung der KiTa muss diese wegen erheblichen Feuchtigkeits- und Schimmelerscheinungen geschlossen werden. Der Eigenbetrieb klagt über Euro 320.000 Schadensersatz gegenüber dem Architekten ein.

Das Landgericht weist die Klage des Eigenbetriebes ab; aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme hat es das Landgericht als bewiesen angesehen, dass die Betriebsleiterin des Eigenbetriebes auf die Bodenplatte bewusst verzichtet habe. Das OLG Düsseldorf hebt das landgerichtliche Urteil auf und spricht den Schadensersatz gegen den Architekten zu. Schadensersatzansprüche gegen einen Architekten wegen fehlerhafter Planung könnten zu verneinen sein, wenn der Auftraggeber sich mit der Planung und Ausführung einverstanden gezeigt habe. Das setze allerdings voraus, dass der Bauherr Bedeutung und Tragweite der Fehlerhaftigkeit der Planung erkannte. Die Aufklärung des Architekten müsse dem Auftraggeber ermöglichen, sinnvoll eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen, ob dieses Risiko in Kauf genommen werden soll. Hier habe der Architekt nicht hinreichend darauf hingewiesen, dass das Unterbleiben des Abklebens der Bodenplatte zu einer Feuchtigkeit und Schimmel in der Folge führen könne, sodass das Gebäude nicht mehr als Kindergarten zu nutzen sei.

Auch ein Mitverschulden des Bauherrn komme hier nicht in Betracht. Der Hinweis des Architekten, der Verzicht auf eine Abklebung sei mit der Betriebsleiterin mit dem Ergebnis besprochen worden, dass die Abklebung als entbehrlich erscheine, lasse sich nicht entnehmen, dass die Betriebsleiterin vor einem offensichtlichen Risiko der Bauausführung die Augen verschlossen hätte (was ein Mitverschulden hätte begründen können). Ein Mitverschulden könne hier auch nicht darauf gegründet werden, dass die Betriebsleiterin durch Einsatz eigener Sachkunde das Risiko hätte erkennen können.


Hinweis
Die Frage, inwieweit bei Risikoaufklärungen gegenüber dem Bauherrn eine eigene Sachkunde des Bauherrn zu berücksichtigen sein kann, wird nicht einheitlich beurteilt. In seinem Urteil vom 14.05.2013 ist das OLG Köln der Ansicht, dass Prüfungs- und Bedenkenhinweispflicht grundsätzlich gegenüber jedem Auftraggeber, auch wenn es sich um ein Fachunternehmen handele, bestehe. Währenddessen hält das OLG Stuttgart in dem Urteil vom 17.10.2011 die Aufklärung eines Bauträgers über den Stand der Technik im Hinblick auf Schallschutz nicht ohne weiteres für erforderlich. Nach Ansicht des Verfassers müsste eine Sachkunde des Bauherrn jedenfalls dann grds. berücksichtigungsfähig sein, wenn der Planer berechtigterweise (!) davon ausgehen dürfte, dass der Bauherr seine Erläuterungen verstanden hat und diese Erläuterungen ausreichend waren.

Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck