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Anschlussauftrag des gleichen Auftraggebers muss sich Architekt als anderweitigen Erwerb anrechnen lassen

Wird ein Planungsauftrag vorzeitig gekündigt, zugleich aber ein neuer Planungsauftrag für das gleiche Vorhaben erteilt, so muss sich der Planer im Rahmen der Abrechnung seiner Vergütung für nicht erbrachte Leistungen die Vergütung des Anschlussauftrages als anderweitigen Erwerb anrechnen lassen.

Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Steht fest, daß die HOAI anwendbar ist und liegt eine nach der HOAI wirksame Honorarvereinbarung nicht vor, ermittelt sich das Honorar des Architekten direkt nach den Vorgaben der HOAI.

Besonderheiten ergeben sich, wenn es zu einer vorzeitigen Vertragsbeendigung kommt.
Beispiel
(nach OLG Naumburg , Urt. v. 24.11.2022 - 2 U 180/21)
Ein Architekt wird mit Architektenleistungen für das Projekt "Modernisierung xy-Str. 12" beauftragt. Nachdem einige, aber noch nicht alle beauftragten Leistungen durch das Architekturbüro erbracht sind, schließen die Parteien eine neue Vereinbarung, die eine Beauftragung mit Architektenleistungen für das Projekt "Neubau xy-Str. 11 / Modernisierung xy-Str. 12" beinhaltet. Später rechnet das Architekturbüro seine Leistungen aus dem ersten Vertrag ab, und zwar auch unter Berücksichtigung der aus diesem Vertrag nicht mehr erbrachten Leistungen. Der Auftraggeber meint, dass das Architekturbüro sich den Anschlussauftrag als Füllauftrag, d. h. als anderweitigen Erwerb, anrechnen lassen müsse. Das Architekturbüro hingegen argumentiert, es hätte den zweiten Auftrag auch neben dem ersten Auftrag parallel bearbeiten können.

Das Oberlandesgericht Naumburg folgt der Argumentation der Architekten nicht. Es weist den Anspruch des Architekten auf Honorar für nicht erbrachte Leistungen zum ersten Auftrag insoweit ab. Sinn und Zweck des Anspruches nach § 649 S. 2 BGB a.F. (nunmehr § 648 BGB) ist es,  im Ergebnis dafür zu sorgen, dass aus der vorzeitigen Kündigung weder Vor- noch Nachteile für den Autragnehmer erwachsen. Entsprechend ist nicht jeder Erwerb anzurechnen, der nach der Kündigung erzielt wird. Vielmehr muss ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Kündigung und dem Ersatzauftrag bestehen, d. h. ohne die Kündigung müsse die anderweitige Vergütung ausgeblieben sein. Ist der Betrieb des Auftragnehmers in der Lage gewesen, zur gleichen Zeit neben dem gekündigten Werkvertrag auch noch andere Aufträge auszuführen, die ihm unabhängig von der Kündigung von Dritten erteilt wurden, seien die Erträge aus diesen Aufträgen nicht anzurechnen.

Vorliegend habe der Architekt jedoch gerade aufgrund der Kündigung des Erstvertrages aus dem Jahr 2017 den neuen Vertrag betreffend nunmehr auch des Nachbargrundstückes erhalten. Der Erwerb des neuen Vergütungsanspruches beruhte zweifelsfrei auf der Kündigung des alten Vertrages, weshalb sich der Architekt die Vergütung aus dem neuen Vertrag als anderweitigen Erwerb anrechnen lassen muss. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Architekt beide Aufträge hätte parallel bearbeiten können. Wäre der vorangegangene Auftrag aus dem Jahr 2017 nicht gekündigt worden, hätte der Auftraggeber die Aufträge im Jahr 2019 nicht erteilt.

Hinweis
Die Beweislast für ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb bzw. dessen böswilliges Unterlassen trägt der Bauherr (BGH, Urteil vom 21.12.2000); allerdings trifft den Architekten eine sogenannte sekundäre Darlegungslast, d. h. er muss im Einzelnen zu den ersparten Aufwendungen und zum anderweitigen Erwerb vortragen, damit der Bauherr Stellung beziehen kann.