03.07.2023

Seriell und modular

Wohnquartier des Büros Werner Sobek in Stuttgart im Bau

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Der Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und die spürbaren Folgen des Klimawandels stellen Aspekte der Nachhaltigkeit und Möglichkeiten des seriellen Bauens wieder in den Fokus. Mit dem aktuell entstehenden Plusenergie-Quartier P18 im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt möchten die Architekt*innen des Büros Werner Sobek gemeinsam mit dem Bauherrn der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft in beiderlei Hinsicht einen Meilenstein setzen. Die Wohnungen sollen den Beschäftigten der benachbarten Klinik dienen.

Von Sophie Marthe


Sechs Gebäude soll das neue Quartier im Westen von Stuttgart umfassen. Sie alle setzen sich aus vorgefertigten Holzbaumodulen zusammen, die von den Architekt*innen des Büros Werner Sobek entwickelt und von der ebenfalls durch Sobek gegründeten Firma AH Aktiv-Haus hergestellt werden. Bei Fertigstellung finden auf dem Grundstück im Norden Stuttgarts 212 im Werk vorgefertigte Module Verwendung, die eine Bruttogrundfläche von 24.500 Quadratmetern schaffen.

Ein erheblicher Vorteil der modularen Bauweise ist die verkürzte Bauzeit. Das Quartier wird in zwei Bauabschnitten zu je drei Gebäuden entwickelt. Beim ersten, bereits abgeschlossenen Bauabschnitt vergingen von der Übergabe des Baufeldes bis zum Mietbeginn gerade einmal 12 Monate, drei Wochen davon für den Aufbau der Module. Der zweite Bauabschnitt, in dem auch eine Tiefgarage für insgesamt 156 Stellplätze errichtet wird, braucht noch einmal solange und soll bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein.

Die Geschwindigkeit und Parallelität von Prozessen bedeuten besondere Anforderungen an die Planung, erzählt Max Mannschreck, der als Projekt- und Bauleiter das Vorhaben verantwortet. So mussten beispielsweise bereits Fragen der Ausstattung wie die Verteilung der Steckdosen oder die Farbe der Wandfliesen geklärt werden, während vor Ort noch die Baugrube ausgehoben wurde. Denn die Fertigung der Module erfolgte zeitgleich einschließlich des Innenausbaus.

16 Modultypen


Das hohe Maß an Vorfertigung macht es notwendig, den Entwurf stärker als bei konventionellen Gebäuden an die Bauweise anzupassen. Das trifft auf die Gestaltung der Fassade wie auch auf die Gebäudetypologie und Grundrissgestaltung zu. Für das Quartier P18 wurden insgesamt 16 Modultypen entwickelt, die zwei Gebäudeformen und sechs Grundrissvarianten mit ein bis vier Zimmern zulassen. Die Erschließung der Gebäude erfolgt entweder über in Massivbauweise errichtetes Treppenhaus (Häuser 3 bis 6) oder über eine außenliegende Erschließung mit Laubengängen (Häuser 1 und 2).

Auch die Fassade aus vorvergrauter sibirischer Lärche ist bereits Teil der Module und die Gestaltung daher weitestgehend vorgegeben. Auf der Baustelle werden allein noch die Balkone angehängt und die Stellen in der Fassade ergänzt, an denen die Module anschließen.

6.700 Kubikmeter Holz


Das Büro von Werner Sobek arbeitet bereits seit Jahren mit ihrem selbstentwickelten modularen System. 2017 berichtete BauNetz beispielsweise über eine Unterkunft mit 22 Wohneinheiten, die die Architekt*innen in gleicher Bauweise in der nahe gelegenen Stadt Winnenden realisierten. Doch die Module sind nicht die gleichen geblieben. Verwendeten die Architekt*innen damals noch ein System mit Lastabtrag ausschließlich über die Ecken, wurden die Module für Bad Cannstatt in Holzständerbauweise gefertigt, in der die Lasten als Linienlast über die Wände abgetragen werden. In der Folge fielen Bauteile schmaler aus, wodurch eine entscheidende Menge an Material eingespart werden konnte, erklärt Max Mannschreck. Auch der Betonverbrauch der massiv errichteten Keller sowie der Tiefgarage konnte durch die geringe Last der Module um 5.500 Kubikmeter reduziert werden.

Darüber hinaus, erzählt der Architekt weiter, sind die verbauten Materialien der Module beinahe vollständig wiederverwendbar – 86 Prozent sogar direkt, das heißt ohne aufwändige Instandsetzungsmaßnahmen. Alternativ können auch die gesamten Module, die lediglich vor Ort miteinander verschraubt sind, demontiert und an anderer Stelle wiederverwendet werden.

Gefertigt sind die Module aus Holz, insgesamt 6.700 Kubikmeter. Dieses stammt unter anderem aus Polen, wo die Module auch hergestellt und dann einzeln auf LKWs zum Standort in Stuttgart transportiert wurden.

KfW 40 Plus Standard


Als Plusenergie-Quartier konzipiert, stehen bei dem Projekt Maßnahmen der Energieerzeugung und -speicherung sowie der Verbrauchsoptimierung im Fokus. Das übersetzt sich unter anderem in PVT-Kollektoren, die auf den Dachflächen aller Häuser installiert sind. Sie erzeugen sowohl Strom als auch Wärme und dienen als Quelle für die vorhandenen Sole-Wasser-Wärmepumpen. Zusätzliche Photovoltaik-Paneele sind in den Südfassaden der Häuser 3 bis 6 integriert. Kleinere Wärmepumpen auf den Dächern sorgen für eine Wärmerückgewinnung aus der Abluft. So ausgerüstet, sollen die Gebäude des Quartiers im Jahresmittel mehr Energie erzeugen, als sie selbst benötigen.

An der Stelle des neu entstehenden Quartiers standen auch vorher schon Wohngebäude für das Klinikpersonal. Aufgrund der schlechten Bausubstanz der aus den 1960er Jahren stammenden Bauten wurden diese vollständig zurückgebaut. Den Auftrag erhielt das Architekturbüro gemeinsam mit der Firma AH Aktiv-Haus basierend auf der Rahmenvereinbarung „Serielles und modulares Bauen“ des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen.

Fotos: Zooey Braun, Max Mannschreck, AH Aktiv-Haus

[Anmerkung Redaktion: Es wurde nachträglich die Anzahl der insgesamt verbauten Module sowie die benötigte Zeit für den Aufbau der Module angepasst. 14.07.2023]  


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