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27.01.2015

Der Rationalist von West-Berlin

Zum Tod von Jürgen Sawade


Von Stephan Becker

Der Berliner Architekt Jürgen Sawade war gerade mit dem Umbau des ehemaligen Universum-Kinos von Erich Mendelsohn zur Schaubühne beschäftigt, da kam sein alter Freund O. M. Ungers zu Besuch. Auf der Baustelle, in der Weite des künftigen Zuschauerraums, löste sich Ungers von der kleinen Gruppe und ging ein paar Schritte voran. Ungers hätte den frischen Beton in der Nase gehabt, berichtete Sawade später, er musste einfach wieder bauen. Damals war Ungers vor allem ein Paperarchitect, während der Praktiker Sawade seine Ideen in vergleichsweise großem Maßstab umsetzen konnte.

Die Idee zum Umbau des Kinos am Kurfürstendamm ging auf Sawade selbst zurück, der damit bewies, auch an der historischen Dimension seiner Wahlheimat interessiert zu sein. Schon als Ungers’ Assistent an der TU Berlin hatte sich Sawade allerdings ausgiebig mit der eingeschlossenen Stadt und ihren Potenzialen als Labor der Moderne beschäftigt. Seine vergleichsweise wenigen realisierten Projekte wirken denn auch wie Fragmente aus jenen Seminaren.

Die Seminare hatten einen dezidiert konzeptuellen Ansatz, der sich jedoch immer in konkreter Architektur niederschlug. Sawade war das Denken in strukturellen Lösungen auch bei spekulativen Entwürfen wichtig, was den Studenten mittels der berühmten Wochenaufgaben vermittelt werden sollte, die sich jeweils auf ein bauliches Element konzentrierten.

Insbesondere erinnern Sawades Häuser in der Charlottenburger Lewishamstraße und sein Wohnen am Kleistpark, auch bekannt als Sozialpalast, an seine frühe Arbeit als Assistent. Bei ersterem Projekt von 1981 vervollständigte er vier durch die Neuanlage der Straße quer zum historischen Raster entstandene Restflächen mit jeweils dem gleichen flachen Kopfbau, so dass über die breite Straße hinweg eine Art imaginärer Platz aufgespannt wird. Im Inneren konsequent als flexible Wohnbauten gedacht, standen diese Häuser auch mit ihrer flächigen Fassade konsequent zwischen Moderne und Postmoderne.

Am Kleistpark hingegen scheint die großmaßstäbliche Wohnanlage von 1977 zunächst eher an seine frühen Begegnungen mit Le Corbusier zu erinnern. Doch auch hier sorgt Sawade für die Integration des strengen Riegels in die damals fragmentierte städtische Umgebung der Potsdamer Straße, mit Vorbauten im Blockrand, der ihm wie seinen Weggefährten Josef Paul Kleihues oder Hans Kollhoff später zum Ideal werden würde. Dass er dann im Zusammenhang mit den Planungen des Potsdamer Platzes polemisch ein Hausverbot für Richard Rogers forderte, darf da nicht unerwähnt bleiben.

Sein konzeptuell avanciertestes Projekt bleibt aber das Grand Hotel Esplanade am Landwehrkanal von 1988. Im Kontext der IBA aufgrund seiner verschlossenen Form durchaus kritisch gesehen, wurde der Bau auch als Abwendung von der Stadt verstanden. Keine vorstädtische Hoteltypologie verpflanzte Sawade an den Lützowplatz – er wollte einen „großstädtischen und modernen Ort“ schaffen, einen Mittelpunkt für die Stadtgesellschaft, zu der eben auch das Auto gehört. Womit Sawade nicht zuletzt die Sehnsucht nach der historischen Stadt dekonstruierte, weil „gegenwärtige Bedürfnisse eben auch nach neuen Typologien verlangen“, wie es in unserer Würdigung zum 25. Geburtstag des Esplanade hieß.

In den Neunzigern folgten weitere Bauten, deren Qualität im Kontext des damaligen Baubooms gesehen werden muss. Sawade wurde auch wieder als Lehrer tätig, zunächst seit 1991 in Dortmund und seit 2004 in Potsdam. Schon 2002 zum Mitglied der Akademie der Künste berufen, ist Sawades beruflicher Nachlass in deren Sammlung zu finden. Sein eigenwilliger Ansatz, ein im Grunde rationalistisches Denken mit oft industriell anmutenden Lösungen zu verbinden, wird insbesondere auch bei seinen unrealisierten Projekten deutlich, die es wiederzuentdecken gilt.

Im Jahr 1937 in Kassel geboren, verstarb Jürgen Sawade am 21. Januar im Alter von 77 Jahren in Berlin.


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Neue Schaubühne Berlin, 1981

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Wohnen am Kleistpark, 1977

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