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28.11.2023

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Kopenhagener Modell im Teutoburger Wald

Umgestaltung Jahnplatz in Bielefeld


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Jahrelang war dicke Luft am Bielefelder Jahnplatz. Denn am zentralen Verkehrsknotenpunkt der Stadt wurden regelmäßig die zulässigen Schwellenwerte für Stickstoffdioxid überschritten. Deshalb beschloss die Stadt 2017, dass der motorisierte Individualverkehr reduziert werden soll. Diese Maßnahme stand und steht wiederum in größerem Zusammenhang mit der kommunalen Mobilitätsstrategie, die eine langfristige Verlagerung des innerstädtischen Verkehrs weg vom Auto anstrebt.

Für den Jahnplatz bedeutete dies nicht weniger als eine komplette freiraumplanerische Umgestaltung samt neuen Haltestellendächern für die Bushaltestelle, an der alle Linien halten, die die Innenstadt bedienen. Die zentrale verkehrspolitische Entscheidung beinhaltete die Reduzierung der Fahrspuren für den motorisierten Individualverkehr von zwei auf je eine Spur pro Richtung. Nur fünf Jahre nach dem politischen Beschluss wurde das Projekt am 20. August 2022 feierlich eingeweiht. Die Hauptbauarbeiten waren im Sommer 2020 begonnen worden, dauerten also knapp zwei Jahre.

Planung umd Umsetzung lag in den Händen der beiden Büros Kortemeier Brokmann Landschaftsarchitekten (Herford/Osnabrück) und Architekten Wannenmacher + Möller (Bielefeld/Münster). Letztere gestalteten die schirmartigen Haltestellendächer mit integrierten Leuchten und begrünter Dachoberfläche. Die neue Verkehrsplanung verantworteten Bockermann Fritze Ingenieur Consult. Auffällig und ungewöhnlich ist nicht zuletzt der Beitrag von Envue Homburg Licht. Die Lichtplaner*innen mit Sitz in Berlin und Bielefeld konzipierten unter anderem die farbigen „Nachtsonnen“, die über dem Platz schweben. Sie wurden erst im Frühjahr dieses Jahres montiert.

Erklärtes Vorbild für die Reorganisation der öffentlichen Verkehrsflächen war Kopenhagen. Deshalb fuhr das Team im Zuge der Planungen in die dänische Hauptstadt und ließ sich vom ehemaligen Fahrradbeauftragten dort die viel gelobten Lösungen für die Organisation des innerstädtischen Verkehrs im Straßenraum zeigen. Unter anderem setzte man das „Kopenhagener Modell“ der „Linksabbiegerschleife“ für Fahrradfahrer*innen um, erklärt Nils Kortemeier gegenüber BauNetz. Klar wird hier auch, dass der neue Jahnplatz kein shared space ist, bei dem sich alle Verkehrsteilnehmer*innen einen Raum rücksichtsvoll teilen. Vielmehr setzten Politik und Planer*innen auf klar definierte Spuren für Fußgänger*innen, Fahrräder, Busse und Autos.

Gerne hätte man im Zuge der Neugestaltung mehr Grünflächen realisiert, betont Kortemeier, doch zwei wesentliche Faktoren standen dem entgegen. Erstens, die notwendigen Aufstellflächen für die Feuerwehr. Zweitens, die Fußgängerpassage „Forum“ unterhalb des Jahnplatzes. Da dieser in weiten Bereichen unterbaut ist, war die Pflanzung von Bäumen hier unmöglich. Die unterirdische Passage bietet freilich auch Potential, denn perspektivisch wäre hier ein großes Fahrradparkhaus vorstellbar, sagt Kortemeier. Spätestens dann dürfte der Besuch der Stadt am Teutoburger Wald zu einem echten Pflichttermin für ambitionierte Verkehrspolitiker*innen und -planer*innen werden.

Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich laut Kortemeier auf rund 20 Millionen Euro. 18 Millionen davon konnten durch das EFRE-Programm „Emissionsfreie Innenstadt“ der Europäischen Union finanziert werden. (gh)

Fotos: Nikolai Benner, Joachim Grothus, Stadt Bielefeld/Amt für Verkehr


Zum Thema:

Weitere, ausführliche Informationen bietet die Webseite zum Projekt, die die Stadt Bielefeld einrichtete, um den Umbauprozess zu begleiten.


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Kommentare

2

mv_af | 29.11.2023 18:58 Uhr

Radfahrer in Bielefeld

..als Radfahrer und Architekt in Bielefeld
kann ich mich nur wundern...

Die Gestaltung ist nur auf den ersten Blick gelungen, denn
.. die Kreuzung vom Fußgängerüberweg und dem Radweg am Jahnplatz ist nicht praxistauglich.

Hier fahren die, nicht durch eine Ampel gebremsten, Radler in die Fußgänger, die imer den Radweg überqueren müssen, wenn sie auf die andere Seite wollen.
Die Verkehrssituation ist tatsächlich für die Radfahrer und Fußgänger unübersichtlicher und unsicherer als vorher.

Darüber hinaus wurden die vorher dezentralen Fahrradständer jetzt stark auf dem Jahnplatz zusammengefasst - dadurch parken mehr Fahrräder vor den Geschäften und an den Bäumen im Grünstreifen.

Die Beleuchtung ist schöner, die Dächer sind gelungen und werten den Platz auf, aber die Verkehrswegeführung von Rad- und Fußwegen ist in der Praxis schlecht gelöst.

Da ich selber schon in Kopenhagen war, kann ich leider nur sagen, dass in Bielefeld noch ganz viel Luft nach oben ist.

1

a_C | 29.11.2023 10:52 Uhr

Ein paar Anmerkungen...

1. Ganz schön viel versiegelte, "steinerne" und primär auf einen möglichst optimalen Verkehrsfluss ausgerichtete Flächen. Aufenthaltsqualität?

2. Etwas mehr Grün hätte es trotz allem dann doch sein dürfen. Die Lösung mit dem Baum als Teil eines Stadtmöbels funktioniert doch wunderbar. Ärgerlich, wenn die Feuerwehr hier nicht mitmacht, wo es doch ganz offensichtlich reichlich Aufstellflächen gibt.

3. Beeindruckend, was mit 20 Mio. Euro erreicht werden kann. In diesem Zusammenhang sei auch ausdrücklich die EU-Förderung gelobt, ohne die so etwas hier wohl nicht möglich wäre. Hut ab auch an die Planer.

4. Die Möglichkeit, die "Nachtsonnen" farbig zu schalten, bleibt hoffentlich nur Theorie bzw. auf wenige spezielle Anlässe (bspw. Stadtfest, Adventszeit, Aufstieg des örtlichen Fußballvereins) beschränkt.

5. Interessant wie lobenswert, wenn eine mit Haushaltsmitteln nicht gerade gesegnete Stadt so etwas hinbekommt und dabei sogar noch über den Tellerrand bis nach Kopenhagen blickt. Toll!

 
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