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01.06.2023

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Leichter geht es nicht

Studierendenhaus in Braunschweig von Gustav Düsing und Max Hacke


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In Braunschweig steht seit Anfang des Jahres ein Haus für Studierende, das mit Schlichtheit und Leichtigkeit besticht. Die rundherum transparente Fassade verrät schon von außen, worum es bei diesem pavillonartigen Gebäude geht: Hier sollen die Potenziale des einfachen Bauens zusammen mit einer Idealvorstellung von hierarchiefreiem Lernen ausgelotet werden.

Angestoßen hat das Projekt die Fakultät für Architektur, die 2015 stellvertretend für die TU Braunschweig einen Wettbewerb unter ihren Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen ausschrieb. Ursprünglich sollte es ein Zeichensaalgebäude werden, erst später entschied man sich, das Haus für alle Fachrichtungen zu konzipieren. Da der siegreiche Entwurf von Gustav Düsing und Max Hacke von vornherein auf Multifunktionalität ausgelegt war, stellte dies kein Problem dar. Inzwischen führen die beiden jungen Architekten ihr jeweils eigenes Büro in Berlin.

Schaut man sich den nur 5,2 Millionen Euro teuren Bau an, drängen sich einige Referenzen regelrecht auf. Mit dem Wissen, dass Düsing bei Barkow Leibinger (Berlin) am Fellows Pavillon beteiligt war, fällt die Verwandtschaft in der reduzierten Gestaltung schnell auf. Unweigerlich kommen einem aber auch japanische Vorbilder filigraner Architektur in den Sinn, etwa das KAIT-Workshop-Building von Junya Ishigami. Wenngleich Düsing und Hacke die Leichtigkeit ihres Studierendenhauses weitaus unkomplizierter zustande brachten als die kuratierte Zufälligkeit von Ishigami in Tokio.

Zu verdanken ist das dem raumgreifenden, modularen Tragwerk, das die jungen Architekten gemeinsam mit den Ingenieuren von knippershelbig (Stuttgart) entwickelten. Grundlage bildet ein enges Raster von drei mal drei Metern und ein sehr überschaubares Set an Bauteilen. Alle konstruktiven Elemente haben die gleiche Länge und bestehen aus quadratischen Stahlhohlprofilen mit nur zehn Zentimetern Querschnitt. Sie werden, genauso wie die eingehängten, hölzernen Deckenelemente und die Fassadenprofile, einfach miteinander verschraubt. So lässt sich der Leichtbau auf einfachstem Wege demontieren und sogar in alternativen Konfigurationen wieder zusammensetzen. Rund eineinhalb Jahre betrug die Bauzeit. Um trotz maximaler Flexibilität und Filigranität die Statik in den Griff zu bekommen, brauchte es eine intelligente Aussteifung. Neben dem üblichen Kern, wird diese von den vielen Stahltreppen übernommen, die wie diagonale Druckstäbe fungieren.

Räumlich spiegelt das Konzept wider, was zumindest von vielen Architekturstudierenden nach wie vor eingefordert wird: hierarchiefreies Lernen und aneignungsoffene Räume. Das Braunschweiger Studierendenhaus ist in diesem Sinne gar ein zweigeschossiger Allraum über insgesamt 1.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche. Mobile Stellwände und gelbe Vorhänge sollen es den Studierenden ermöglichen, ihre gewünschte Lernsituation selbst einzurichten. Während unten lediglich die verschieden gedrehten Treppen eine grobe Zonierung schaffen, sollen im Obergeschoss die Brücken und Lufträume eine selbstverständliche Gruppenbildung fördern.

Man ahnt jedoch, dass all die Leichtigkeit und Offenheit so einige bauphysikalische Herausforderungen mit sich bringt, die durchaus Auswirkungen auf den Komfort haben. Gemeint sind Akustik, Raumluftqualität und – aus behördlicher Sicht – der Brandschutz. Die Architekten mussten ihr konzeptuelles Idealbild also mit den Baunormen vereinbaren. Dem Schallschutz begegnete man mit Teppichböden, Pinnwänden, den schweren Vorhängen und absorbierenden Materialien in den Dach- und Deckenelementen. Der Luftwechsel wird über automatische Öffnungsflügel gesteuert, die zusammen mit dem Dachfenster einen Kamineffekt erzeugen. Den Brandschutzbestimmungen genügte man mit einem entsprechenden Anstrich für die Stahlelemente und der Ausweisung aller neun Türen als Notausgänge. Die Google-Bewertungen der bisherigen Nutzer*innen jedenfalls fällen ein gespaltenes Urteil über den Bau.

Darüber, dass dieses Haus ein Experiment ist, sind sich die Architekten bewusst. Im Gespräch verriet Düsing, dass er sich vonseiten der Studierenden noch etwas mehr Mut bei der Aneignung wünsche. Manchmal versuche der Architekt selbst Impulse zu setzen, indem er Tische, Stühle und Stellwände willkürlich umgruppiert. Ob das Studierendenhaus also ein funktionierendes Gegenmodell hierarchischer Lehrräume sein kann, wird sich noch zeigen müssen. (mh)

Fotos: Iwan Baan, Leonhard Clemens, Lemmart


Zum Thema:

Mehr zu Schallschutz durch Vorhänge und Metallen im Treppenbau bei Baunetz Wissen


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Kommentare

20

Mark | 07.06.2023 14:18 Uhr

..........

In anderen Unis übernehmen entsprechend umgeräumte Bibliotheken diese Aufgabe. Bücher als akustisches Dämmmaterial.

19

Paolo | 06.06.2023 22:46 Uhr

@arcseyler

Ihre Kommentare werden zusehens obskurer, ärgerlicher. Bitte belassen Sie es mit Ihrem hobby auf eigener Plattform und nehmen Sie Abstand von forum, was vielleicht auch Allgemeinheit liest.

18

Frank S. | 05.06.2023 15:12 Uhr

Heutzutage schöne und mutige Architektur contra Schuhkartons mit kleinen Löchern

... where all that we see or seem is but a dream within a dream ...

17

Latimer | 02.06.2023 20:23 Uhr

Leichter

Wirklich klasse Werk. Erinnert mich ein wenig an Posenenskes geniale HbK in Kassel von 1962.

16

Lukas | 02.06.2023 18:33 Uhr

wie vor 100 Jahren

Zu meinen Vorschreiber*innen:
Was vor 100 Jahren ging hat nichts mit dem zu tun was heute geht. Ein solches Haus mit den heutigen Regelungen mit dieser Leichtigkeit umzusetzen, ist die höchste Schule.

Meine Hochachtung dem Planungsteam.

15

auch kein | 02.06.2023 14:05 Uhr

architekt mehr

wow! tolle leichte konstruktion. vlt können dieses haus und seine bewohner ein bisschen dazubeitragen, die vorherrschende lehrmeinung der letzten jahre an den architekturschulen in deutschland zu hinterfragen bzw. die vielfalt in der lehre zu fördern. ich hoffe auch, dass die studierenden nicht mit überbordenden hausregeln konfrontiert bzw. gemaßregelt werden und sie das haus somit wirklich zu ihrem haus machen können.

14

Anton Schedlbauer | 02.06.2023 12:49 Uhr

Es geht also doch!

So habe ich mir Architektur immer vorgestellt. Die Fortschreibung der Metastadt in Wulfen oder der Habitat 67 in Montreal. Auf Anhieb gut.

13

Gerhard | 02.06.2023 11:29 Uhr

Sauber gmacht

De Kistn is so sau-schee, I schmeiss mi weg.
Leck o mio, mit so wenig so vui macha, Respekt!
De elementierte Richtung is de richtige!

12

arcseyler | 02.06.2023 09:05 Uhr

...........

....Seltsam Fortschritt und dann 100 Jahre das selbe. Und jede Generation will das Rad neu erfinden, rennt dagegen an.
Eher so was wie durchdrehende Reifen bei so viel Power. Pure Energie

11

peter | 02.06.2023 09:01 Uhr

ich scließe mich gerne an:

energie, u- und dämmwerte: F*** Off!

tolles haus!

10

arcseyler | 02.06.2023 08:30 Uhr

.........

Hat sich was geändert seit Mies und Ruf? Wir leben in einem stehenden Hoch seit bald 100 Jahren, mit gelegentlichen Ausläufern in Varianten. Weltweit äußerst stabil.
Was reitet uns da? Uns, die wir im Schützengraben alle Kritik daran abbekommen. Nach der vorherigen Gehirnwäsche im Studium. Mit Vernunft hat das ja nicht unbedingt zu tun. Das ist schon Mutwille, ein Kult. Der Raum

9

karl | 01.06.2023 22:55 Uhr

großartig

das ist einfach toll. einfach weiter machen. das ist groß. lasst die kläffer am wegesrand liegen. nur architekten können, was architekten können. energie- fuck off. das ding funktioniert.

8

Hirsch | 01.06.2023 20:38 Uhr

Fragwürdige Studierende

Sind das alles Laptop-Theoretiker? Oder warum klebt keine einzige Zeichnung an den Scheiben, kein Modell ist sichtbar, kein Material liegt rum, was ist da los?
Oder verbietet die Uni hier ernsthafte Aneignung durch die Studierenden, aus der Sorge, dass das neue Gebäude "dreckig" werden könnte?

7

peter | 01.06.2023 19:32 Uhr

licht und schatten

sehr schönes haus, erfrischend leicht und souverän detailliert. von daher mal volle punktzahl. materialsparend, recyclingfähig, alles gut.

aber man muss auch nach dem u-wert fragen dürfen. das haus kann heizenergetisch gar nicht toll sein. selbst die modernsten und energiesparendsten fensterkonstruktionen kommen auf wärmedurchgangswerte, die um den faktor 8-10 schlechter sind als diejenigen vergleichbar zeitgenössischer opaker wände. zur veranschaulichung: ein u-wert von 0,8 (praktisch das beste fenster, das man am markt bekommt), entspricht ungefähr dem wert einer ungedämmten vollziegelwand in der stärke wie an einem üblichen gründerzeitbau (50-60 cm) oder einer massiven ks-wand mit 3 cm eps-außendämmung (stand der technik der 60er jahre).

ich habe noch nie verstanden, dass bei opaken bauteilen so gute dämmwerte gefordert werden, aber bei glasfassaden der u-wert nahezu völlig egal ist. bzw. klar, geht halt nicht besser. aber dann wäre eben die frage, wieso man ganzglashäuser überhaupt noch bauen darf.

6

zweitverwendung | 01.06.2023 19:17 Uhr

Bedenklich! (oder besser bedenkenswert!)

Da es außen Stützen hat müssen die Träger keine Momente aufnehmen und somit auch nicht "durchlaufen". Aber das ist alles für die Katz...

Was ist denn heute los, gleich 2x Architektur als Meldung? Und zack - schon versaut einem der Blick aufs Wettbewerbswesen die Stimmung. Und das bevor die beiden Kommentatoren des Grauens das schaffen... Bedenklich!

5

Frauke | 01.06.2023 18:44 Uhr

@Mark Schneider

Schauen Sie mal auf Bild 4 Die äußeren Stahlträger sind mit einem Sonderelement gekoppelt, die Träger laufen nicht durch.

4

Mark Schneider | 01.06.2023 16:47 Uhr

Wärmeschutz?

Wie sieht's mit dem Wärmeschutz aus? Durchlaufende Stahlprofile sind da wohl nicht ganz so toll.

3

christof | 01.06.2023 16:22 Uhr

gelungen

äußere erscheinungbild, intelligentes aber 'simples' tragwerk, innere vielfältigkeit, die unaufgeregtheit von farben - ein in jeder hinsicht gelungenes gebäude! ich wünsche mir mehr architekten und ingenieure, die hierzulande ihre gehirne in dieser weise einsetzen.

2

romanesco | 01.06.2023 16:10 Uhr

Fettarme Architektur

Loide,

das Haus hat das Zeug zu einem Klassiker von morgen, da es heute schon einer ist. Olle Krämer oder gar Helmut C. Schulitz, die Älteren unter uns werden sich erinnern, wären stolz, SOWAS im Dunstkreis ihrer weiland Wirkungsstätte zu erleben. Man kann dieses protestantische, im besten Sinne des abgedroschenen Attributs "moderne", filigrane Statement nicht genug feiern. Man tut das aber sehr leise, denn ihm ziemen keine lauten Töne. Und man freut sich Tag für Tag, wenn man auf es schaut oder gar das Glück hat, aus ihm heraus zu schauen.

Nur wer durch die öden Ebenen des DIN-gerechten Bauens gegangen ist, ahnt wirklich, welchen Kraftakt es bedeutet haben muss, dieses Schlankheitswunder so unbeschadet durch die Drahtverhaue der Regelwerke hindurchmanövriert zu haben, ohne dass es auf diesem Weg den üblichen, bedenkenbedingten Sicherheitsspeck angesetzt hat. Hut ab vor Düsing & Hacke!

1

Frauke | 01.06.2023 15:56 Uhr

Super!

So sieht zeitgemäßes Bauen aus. Minimierter Materialeinsatz , maximale Flexibilität, und komplette Rückbaubarkeit! Verschattung der Glasfassaden im Sommer durch Dachüberstand.
Glückwunsch an die Planenden und die Uni Braunschweig zu dem gelungen Projekt.

 
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