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12.03.2010

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Hutznhaisl

Kleinod von AFF fertig


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Seit 1971 stand ein Holzbungalow in Fertigteilbauweise direkt an der Straße von Rittersgrün nach Oberwiesenthal am sächsischen Fichtelberg. Die Hütte diente als schlichte Unterkunft für Wanderer und vor allem als Umkleide- und Servicestation für den Skiclub Dynamo. Seit 1996 ungenutzt, verfiel die alte Holzhütte zusehends, bis sie schließlich versteigert wurde. Die Hütte hatte großes Glück: Sie wurde von AFF Architekten (Berlin) ersteigert, die sich mit ihrem etwa 80 Kilometer entfernten Projekt in Freiberg (siehe BauNetz-Meldung vom 14. Januar 2008) in der Region bereits einen guten Namen gemacht hatten.

Nun wollten die Architekten aus der Hütte einen halb-privaten Rückzugsort machen, ein kleines, spartanisches Büro. Zur Grundlage des Entwurfs wurden grundsätzliche Überlegungen zur Funktion: „Die Rückbesinnung auf das Elementare“ und „Orte, die uns an das Ursprüngliche zurückführen“ seien Antrieb für den Wanderer und sollten in der Hütte einen Ausdruck finden:

„Wie der Landschaft abgetrotzt erscheint die Hütte als Betonskulptur am Saume der erzgebirgischen Landstraße. Wo die Häuser weniger und die Bäume häufiger werden, bildet sie eine Schnittstelle zwischen Zivilisation und Natur.
Die Schutzhütte für Verpflegung und Unterkunft von vier bis sechs Personen ist einfach und spartanisch. Die Qualität der Details speist sich aus zählbaren Dingen. Wände und Decken generiert aus Beton, Holzdielenboden aus vor Ort geschlagenen Fichten, Einbauten wie Schalter, Lampen, Sessel, Stühle und Waschschüsseln aus Bauteilrecycling, Öfen aus Stahl und großflächige Fenster. Schlicht und sparsam in technischer und funktionaler Hinsicht, erfüllt die Hütte ihre Aufgaben effizient und ohne gewagte technische Besonderheiten.
Den Metropolen entlegen, gibt es hier keine technischen Gehilfen, weder Mobiltelefonempfang, Geschirrspülmaschine oder Mikrowelle, noch Fernsehgerät und Brennwerttherme. Der Betonkörper öffnet sich ausschließlich zum Wald, so wie sich eine Bushaltestelle ausschließlich zur Straße öffnet, immer in die Richtung des anvisierten Ziels.“


Es ist jetzt eine private Hütte, die aber durchaus auch von interessierten Wanderern als Wochenendhäuschen gemietet werden kann, so AFF. Es gibt allerdings, das sei gesagt, kein fließendes Wasser, und auch sonst ist neben der betonten Zivilisationslosigkeit die Schwere, die sich in dem geschlossenen und zur Straße fensterlosen Betonkörper ausdrückt, das zentrale Entwurfselement. Das spürt man schon beim Öffnen der 200 Kilo schweren Stahl-Beton-Tür. Bei den übergroßen Fensterscheiben zum Wald hilft einem dann die Öffnungsmechanik.

Und die alte Holzhütte spielte auch noch eine Rolle, denn eigentlich hätte an dieser Stelle, außerhalb des Ortszusammenhangs, gar nicht neu gebaut werden dürfen. Die Architekten deklarierten den Bau jedoch als Anbau und verwendeten die alten Holzwände als Schalung für die Innenwände. Wie ein geisterhafter Abdruck der alten Hütte, umschlossen vom neuen Beton, die alten Fenster teilweise als Regalflächen genutzt. Im Neuen lebt das Alte fort und fort. Poetischer kann eine Ferienhütte nicht sein.


Zum Thema:

Einen ausführlicher Reise- und Übernachtungsbericht zum Gebäude hat Kaye Geipel für die Bauwelt-Ausgabe 11/2010 geschrieben

Alles rund um den Baustoff Beton gibt's unter www.baunetzwissen.de/Beton


Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
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Kommentare

21

peter | 17.03.2010 15:48 Uhr

hutzn-3

@solong:
eigenzitat: "hier wurde alles (für diese bauaufgabe) unnütze weggelassen" - das bezieht sich auch auf die wärmedämmung. eine sommerhütte im wald ohne klo muss man nicht wärmedämmen. hier wird mit holz geheizt, das sonst im wald zu co2 verrotten würde. selbst wenn man viel heizt, ist das absolut co2-neutral! die umweltverschmutzung bei der herstellung der dämmung kann man sich also schenken.
das gilt _natürlich_ nicht für reguläre bauaufgaben.

aber auch bei diesen muss man vorsichtig sein, dass man das kind nicht mit dem bad ausschüttet.

mein hinweis war ja, dass bei vielen deutschen architekten (der mehrheit?) und bei fast allen deutschen bauherrn vor lauter normenkonformismus, bautechnik, ökologie und gebäudeautomatisierung im kopf kein platz mehr ist für ästhetik und raum. denn DAS sind die kernkompetenzen des architektenstandes! den ganzen bauphysik- und technikdschungel durchschauen andere besser.

20

solong | 17.03.2010 12:55 Uhr

peter !! ökologische verantwortung !!!

also bitte ... für einen architekten und seine mit seinem tun verbundene veantwortung ... ist "...wärmedämmung kann man auch durch ausreichende lüftung ersetzen, wenn es um schimmelvermeidung geht..." wohl nicht ernst gemeint ??? ... oder fährst du auch ein ungetüm von amerikanischen geländewagen und lässt den motor beim tanken laufen ... sodaß du nie wieder von der tankstelle wegkommst ??!!

19

peter | 15.03.2010 20:18 Uhr

hutzn-2

@Schrägstrich:
mit "zukunftsweisend" war die herangehensweise gemeint, dass sich die architekten nicht krampfhaft um sogenannte schönheit bemühen (samtweiche sichtbeton-oberflächen, eingelegte e-installationen usw.), sondern eine ehrlichen brutalismus zelebrieren. ich fühle mich oft gefangen in dem unerfüllbaren dickicht von anfordeungen und preisvorstellungen.
hier wurde alles (für diese bauaufgabe) unnütze weggelassen (wärmedämmung kann man auch durch ausreichende lüftung ersetzen, wenn es um schimmelvermeidung geht). das haus will einfach nicht mehr sein, als es ist! denn genau das ist die alltägliche crux der architekten _und_ bauherrn (ja, da gibt es ganz schön viel gemeinsames...).
und das ist doch ziemlich zukunftsweisend.
wir sind mittlerweile so weit, dass wir das bauhaus und die moderne verehren, aber ihre prinzipien nicht kapieren (form follows function, unverhohlene zurschaustellung der konstruktion usw.). wir begreifen die moderne als stil, verpacken unsere schicken hütten in polystyrolschaum, kaschieren massen von haustechnik hinter gipskarton und wollen alle unterzüge am liebsten deckengleich ausführen. das ist vormodern!
insofern - zukunftsweisend, der bunker. vielleicht könnte man sagen, zeitlos, da die hütte generationen überbrückt.

18

Schrägstrich | 15.03.2010 11:35 Uhr

mentale Hilfestellung

@peter: Zukunftsweisend??? Na ich weiß nicht.

Idee und Kompromisslosigkeit, volle Punktzahl!

Das "innovativste" an dem Ganzen ist wohl die Ortswahl. Man wird wohl von Glück reden können wenn die Einheimischen die Hütte in Ruhe lassen. Damit will ich nicht sagen das es in der Gegend keinen gibt der so ein Gebäude zu würdigen weiß. Allerdings fällt mir in der Nähe kein Bau ein der einen auf so was hätte mental vorbereiten können. Und das liegt da bestimmt nicht daran das da niemand über das entsprechende Kleingeld verfügt (in Oberwiesental wohnt z. b. Jens Weißflog).

Mieten würde ich das Betonding auf jeden Fall mal, aber auch nur weil ich zur Körperpflege auf Freunde in Rittersgrün ausweichen kann.

Jaloidi!

17

captain ahab | 15.03.2010 09:23 Uhr

ohne Toilette?

einfach die Hütte (da stelle ich mir eigentlich etwas Leichtes vor) ja gar nicht gebaut werden dürfen, wie Sie schreiben. Einfach mal kurzerhand als Anbau (an was eigentlich, denn da steht sonst nichts...?) deklariert und schwupps.....
Da wird exakt das gemacht (im Kleinen) worüber wir uns sonst im Großen aufregen (wenn es die lieben Investoren machen)...
Und wo soll man da bitte auf die Toilette im Führerbunker - ohne fließend Wasser - jetzt sagen Sie nicht: in den Wald...
Abgesehen davon - ist die Architektur (für Architekten) schon OK....

16

hliebau | 15.03.2010 08:46 Uhr

Holz' mich mal!

Nun endlich wissen wir auch, wo der Alte Holzmichel lebt. Danke.

15

Rockwool | 14.03.2010 13:14 Uhr

@Fremdling:

Da kann man ja von Glück reden, dass im Erzgebirge ausschließlich Architekten leben und dort auch nur Architekten wandern werden. Kollektive Freude bis zum Tellerrand.

Dennoch: witzige Idee mit der Schalungshütte.

14

sverris | 14.03.2010 12:53 Uhr

...

Mal AFF anrufen und auf ein paar Tage das Ding mieten.

13

vanb | 13.03.2010 22:27 Uhr

Hutznhaisl

super gelunge Arbeit.
das ist mal radikal und sinnlich.
von der aussenhaut wird der beton erst in 10 jahren richtig heiss aussehen, mosig grün, er wird farblich mit der umgebung verschmelzen

12

e.gen | 13.03.2010 19:22 Uhr

Führerbunker?

Bei uns sieht der Rohbau immer so aus.
Ach Gott, hoffentlich haben die an die Dämmung gedacht, bevor der Schimmel wächst.

11

rli | 13.03.2010 17:09 Uhr

..aff..

....grausames betongefüge mit bunkerartigen attributen und szenenhaften führer-a-ss-oziationen...nein danke...

10

Fremdling | 13.03.2010 02:46 Uhr

Sichtbeton - Oft nicht verstanden

Interessanter Bau bei dem der Architekturfremde wieder fragen wird:
a) Und wann werden die Betonwände verputzt?
b) Was machen denn die Bunkerreste da im Wald?

9

peter | 12.03.2010 23:56 Uhr

hutznhaisl

hammer! klar kann man sich fragen, was so eine hütte bringt und wie es mit der verhältnismäßigkeit aussieht.
aber das ding ist 'ne wucht! volle punktzahl! sehr schräg, angesiedelt irgendwo zwischen kapelle, atombunker und gartenlaube. zukunftsweisend. simpel, aber dauerhaft. technik ja, aber aufputz (äh, -beton), wie damals.
die hütte hat kraft. und, vor allem, sie hat architektonischen anspuch fernab edler oberflächen, an denen die architekten so hängen. ein projekt, das ungeheuren mut macht. danke, aff!

8

Fan | 12.03.2010 18:37 Uhr

grandiose Architektur

Eine klasse Hütte, guter Umgang mit der Umgebung - perfekte Arbeit. Vor allem die Reliefs gefallen gut. Toll.

7

kong | 12.03.2010 16:57 Uhr

betong

in welchen finsteren wäldern steht das?
führerbunker - fehlt nur noch die in beton gegossene europakarte ( bild 3 ) zur orientierung .

6

sebb | 12.03.2010 16:27 Uhr

...lebt denn der alte Holzmichel noch?

Es gibt zwar auch den Thüringerwald aber der Fichtelberg im Erzgebirge liegt immer noch in Sachsen!
Und ein uriger Hüttenabend mit "de randfichten" sorgt dann auch für die bisher noch fehlende heimelichkeit in dieser etwas "unterkühlten" Behausung.
Ansonsten Beton brut vom Feinsten, für die dies mögen.

5

architekturpolizei | 12.03.2010 16:21 Uhr

Ganzganz schön

Architekten sind einfach die besten Bauherren !

4

terra | 12.03.2010 16:12 Uhr

WOW

WOW. Grosse klasse!

3

erzgebirgler | 12.03.2010 15:58 Uhr

fichtelberg von thueringen geklaut

als heimatkundiger bitte ich darum den fichtelberg im erzgebirge zu verorten, zumindest in sachsen ;-)

aber das projekt sieht witzig aus...

2

martin s | 12.03.2010 15:54 Uhr

...

Irgendwie eine beklemmende "Saw-Atmosphäre"... Wo sind die Ketten?

Ach, ich hab bald Feierabend und mache dann den Kamin in kleinem Holzhäuschen an....

1

Gustav | 12.03.2010 15:43 Uhr

...

Prima Arbeit! AFF sind Gute Jungs.

 
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