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10.06.2014

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Stillleben im Pavillon

Ein Kommentar zum deutschen Beitrag in Venedig


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Schon wieder eine Auseinandersetzung mit dem Gebäude in den Giardini. Während der Werkbund sich mit seiner Ausstellung den Abriss zum Diskurs stellt, verschneiden die Kuratoren des deutschen Pavillons den Nazi-Bau mit einem Bungalow der Moderne. Natürlich nicht mit irgendeinem Gebäude, sondern einem politischen: dem Wohn- und Repräsentationsbungalow des Nachkriegsdeutschland.

Wobei der Wohntrakt von Erhard, Schmidt und Kohl es nicht von Bonn nach Venedig geschafft hat, er wurde ausgeblendet, damit sich der repräsentative Teil von Sep Rufs Kanzlerbungalow als Fragment mit dem Pavillon überlagern kann. Lediglich ein Blick durch eine Seitennische in die Küche des einstigen Kanzlerbungalows zeichnet das Bild eines äußerst ungemütlichen Wohngebäudes. So ungemütlich, dass außer Ludwig Erhard kein Kanzler in dem hier gezeigten Urzustand wohnen wollte.

Unter der strahlenden Apsis im deutschen Pavillon öffnet sich das Atrium des Bungalows. Verschiedene Räume spannen sich auf, die durch die Glaswände reflektiert werden, verschiedene Blicke durch den perfekt platzierten Bungalow geben die weiß verputzen Innenwände seines neoklassizistischen Dialogpartners frei. Das Dazwischen leuchtet: Es wird von den Oberlichtern des Pavillons und den versteckten Strahlern auf dem Dach des Bungalows im richtigen Winkel inszeniert.

Bewunderung verdienen die Details: Stahlstützen wurden extra angefertigt; Decke, Böden und die Backsteinwände exakt nachgebaut. Die verschiedenen Holz-Töne im Bungalow sind ungewohnt. Im Inneren sind die hellen Deckenpaneele dunkler geworden. Die dunklen Holzwände haben sich in den letzten 50 Jahren so aufgehellt, dass sich alle Elemente heute in der Mitte treffen und zu einer Art „Bonner Gelb“ verschmelzen.

Auf den ersten Blick ein starker Auftritt, auf den zweiten Blick kaum mehr als Show. Beim wiederholten Besuch entzaubert sich der Beitrag als ein drapiertes Stillleben, in das man hineingehen kann. Was sich die beiden Bauten aus 1911/38 und 1964 zu sagen haben, geht als Echo zwischen den Glas- und Steinwänden im Nichts verloren. Es soll ein Dialog sein, ein gebauter, erläutern Lehnerer und Ciriacidis. Damit versprechen die Kuratoren einen Inhalt, eine Auseinandersetzung, einen Diskurs. Doch zu plakativ, zu dünn ist ihre Idee, die keine Fragen stellt.

Wem man applaudieren kann, sind die Handwerker und die Planungsbeteiligten – in letzterem Fall also auch den Kuratoren, die mit ihrem ersten realisierten Einbau in Venedig beweisen, dass sie vor allem die letzten Leistungsphasen ihrer Profession beherrschen. Die Phasen eins bis drei fehlen: der Entwurf. Planerisch also eine Leistung, könnte man die Installation im deutschen Pavillon im besten Fall als Konzept-Kunstwerk bezeichnen. Vielleicht als Aufforderung zu einer neuen Form der Architekturvermittlung, die vor allem im Kontext der übrigen Nationenbeiträge durch ihre formale Qualität auffällt, im Vergleich zu den anderen jedoch inhaltlich abfällt.

„Bungalow Germania“ ist keine Ausstellung, und auch keine Architektur, sondern eine stille Konstruktion – eine Idee, vor der ein Mercedes parkt: der gepanzerte Kanzler-Benz von Helmut Kohl. Für ihre hochwertigen Autos sind die Deutschen noch bis heute international berühmt.

(Jeanette Kunsmann)


Am 7. Juni eröffnet, läuft die 14. Architekturbiennale in Venedig noch bis zum 23. November 2014. BauNetz ist Medienpartner des deutschen Beitrags. Unsere Berichterstattung zur Biennale 2014 wird unterstützt von GROHE. Alle Artikel zur Architekturbiennale: www.baunetz.de/biennale


Zum Thema:

Zum Film über den Deutschen Pavillon

Bonner Widerspruch der Moderne: Alles was man über den Kanzlerbungalow in Bonn und Venedig wissen muss lesen Sie in der Baunetzwoche#366


Kommentare

12

Joachim Augst | 12.06.2014 19:34 Uhr

Betroffen humorlos...

Da wandelte ich erfrischt durch die Gardini, u. a. beeindruckt von Rem Koolhaas´ genialer Hauptausstellung im zentralen Pavillon, amüsiert vom Modell des Tati Hauses und einem eindrucksvollen Film über Prouvé & Co. bei den Franzosen und lande querab in einer gefühlt grauen, vollkommen humorlosen Installation, in der ich als Deutscher kein Stück zu Hause fühle. Die Kritik hier ist gut und auf dem Punkt. Und wer da oben im Kommentar schreibt, es sei eben reine Architektur und daher gut, hat den Sinn der Leitthemas oder sogar seines Berufs überhaupt nicht verstanden.....

Der wunderbare Charakter des Kanzlerhauses erfährt eine üble und ganz unverdiente Tristesse durch die aufgezwungene Kopulation mit dem Faschobau. In einem Punkt muss der Autorin nämlich widersprochen werden. Dass Erhard und andere seiner Nachfolger in Sep Rufs Bungalow keine Gemütlichkeit empfanden, ist nicht Schuld des Hauses, sondern repräsentiert nur ein weiteres deutsches Problem, da überall wieder nach schmucken Palast-Repliken und goldbedruckten Streichholz Mäppchen gegeifert wird.

Stand da nicht im Arsenal Modern_ism ist sexy.... oder hieß es reich aber unsesxy ? .....

Geht also lieber an die Bar und holt Euch ein bis zwei orange Aperolspritz zur Gemütsauffrischung.
bon giornata J_A

11

Patrick | 12.06.2014 16:27 Uhr

Quo Vadis?

Ja, es ist Architektur. Ja, es ist eine Auseinandersetzung mt den zwei Gebäuden und Ihren Gegensätzlichkeiten. Ja, es ist ein Verweis auf unser Modernes Erbe.

Aber wo sind die Schlüsse daraus, die Statements?
Wo ist das bisschen mehr, um den Beitrag von der reinen Dokumentation unserer Herkunft zur Standortbestimmung oder gar zur Richtungsweisung zu machen? Weiterentwicklung müsste anders aussehen.

So viele praktizierende Kollegen sind bereits weiter als dieser Beitrag!

10

FJW | 12.06.2014 13:09 Uhr

excellent!

Love it! Don't agree with Jeanette Kunsmann's comment. Kind of reminds me to a piece by Thomas Demand, even though, I suppose, Thomas would never do something like this as he obviously destroys his 1:1 models after taking a lovely shot. People may think it stands in the tradition of say Caruso St John's 'Nagelhaus' project in Zürich (in collaboration with TD), but it definitely stands in the tradition of creating a critical dialogue with the existing. In my personal opinion, this is a much more intellectual approach than just deleting the existing and replacing it with some selfish architectural cliché, what the Deutsche Werkbund suggests with its absurd competition. Lehnerer & Ciriacidis's piece is witty, fresh and innovative with plenty of poetic subtleties. It is one of the highlights of this years Biennale which does not feel like some banal trade fair show. Could also imagine to have a piece of a 1:1 model of BER squeezed in the pavilion...

9

Lutz | 12.06.2014 12:59 Uhr

germania (west)

Wie genau war eigentlich nochmal die Begründung, warum das westdeutsche Gebäude ausgesucht wurde? Wird in zwei Jahren der Palast der Republik um den Pavillon herum errichtet? DAS würde ich gerne anschauen!

8

Gerd van der Mulde | 12.06.2014 10:43 Uhr

Ich....

....finde es großartig. Es ist Architektur, keine Kunst. Es braucht weder einen Kommentar noch Erläuterungen. Die Sache steht für sich selbst und ist eindeutig.

7

Johnny | 12.06.2014 10:03 Uhr

love it or hate it

Ist lustig, das scheint so eine richtige love it or hate it Geschichte zu sein. So gesehen immerhin schon mal gar nicht deutsch lauwarm ängstlich usw.

Ich hatte an der Idee lange Zweifel, aber das ganze hat mich Ende schon sehr überzeugt. Allerdings ist es sicherlich so, dass nur das Erfahren am Ende nicht reicht.

Spannend wird es erst, den Raum zu erleben, aber gleichzeitig auch die Zeit, die Architektur, den Kontext usw. mitzudenken. Dann ist die Arbeit großartig.

6

gero | 11.06.2014 17:27 Uhr

leider schwach

wer den Kanzlerbungalow sehen will, muss nach Bonn fahren,
das ganze ist derartig plakativ, dass es nicht einmal am Ende gut wird,
alles ist sofort sichtbar, kein Geheimnis dahinter,
= Porno,
wer modernes und historisches im Zusammenspiel sehen will, braucht doch nur einen Spaziergang durch eine x-beliebige europäische Stadt zu wagen,
im Interview der Kuratoren wird das Ganze auch nicht komplexer oder interessanter,
es wird mit Spannung und Dialog argumentiert, bla bla bla,
diese worte werden immer bemüht, wenn nichts weiter zu sagen ist, Spannung und Dialog

das erinnert ein wenig an eine Semesterpräsentation einer schwachen Arbeit,
da muss man dann eben selbst alles hineinreden, was nicht drin ist,

5

Fritze | 11.06.2014 16:10 Uhr

überzeugend

aus meiner Sicht schon auf den Fotos überzeugend. ich freue mich auf das Erlebnis vor Ort.

4

Der Raumjournalist | 11.06.2014 13:44 Uhr

Architektur ist ...

Konzeptionell schwach ist vor allem der retrospektive Charakter vieler anderer Länderbeiträge, oft nur eine Aneinanderreihung von Ereignissen der Vergangenheit. Da ist der Besuch im Deutschen Pavillon eine wahre Wohltat! Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis arbeiten rein mit den Mitteln der Architektur, nicht mit der Fotografie und nicht mit der Belletristik. Sie bauen durch die beiden sich überschneidenden Entwürfe ein Spannungsfeld auf und lassen die Architektur aus sich heraus sprechen. Wem diese architektonische Ebene zu wenig ist, der sollte sein Allgemeinwissen bemühen und auf Grund dieses Spannungsfeldes die politische und gerne auch die kulturelle Ebene hinzuziehen. Dazu braucht es keinen Text und keine Pläne. Architektur im Maßstab 1:1 ist eben mehr als das bloße Bauen! Wer das nicht sieht, hat Architektur nicht verstanden.

3

Frank Barkow | 11.06.2014 11:06 Uhr

Bungalow

Excellent concept and execution, experiential and spatial, requiring very little text to understand. A compelling dialetic between the two 20th century architectures. Congratulations to all involved. One of the best in recent memory.

2

Wirklich | 10.06.2014 21:58 Uhr

guter Kommentar

ergänzen könnte man noch den kulissenhaften Charakter der Intervention. Es ist ein Bühnenbild. Wenn das in einem der Fotos sichtbare Sofa mit einer massiven Originalwand verschneidet, verliert sich die Inszenierung im beliebigen. Viele hat auch gerade der Mercedes gestört, der das Thema ins pubertär-komische lenkt. Zu Gute halten könnte man der Installation, dass sie sich - im Gegensatz zu den Materialschlachten anderer Präsentationen - auf ein Thema konzentriert. Vielleicht liegt hierin aber auch gerade die im Artikel kritisierte Eindimensionalität.

1

falken | 10.06.2014 19:40 Uhr

leider

unglaublich schwach,

die Kritik drückt das noch sehr zurückhaltend aus,

 
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