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25.09.2025

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Amazon im Berliner Himmel

Bürohochhaus von BIG und Aukett + Heese


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Seit fast drei Jahren drängt sich das Bürohochhaus EDGE East Side ins alltägliche Blickfeld vieler Berliner*innen. Lange Zeit war dieses Privileg dem Fernsehturm vorbehalten. Während es aber Menschen geben soll, die letzteren herzlich grüßen, sobald er ihnen in der Ferne begegnet, dürfte das dem etwas plumpen Hochhaus an der Warschauer Brücke eher nicht passieren. Wobei sich die meisten Kritiker*innen nicht unbedingt an den Proportionen stören.

Von Maximilian Hinz

Obwohl der von BIG (Kopenhagen/London) entworfene Turm EDGE East Side schon einige Zeit am Horizont auftaucht, wurde er erst diesen Sommer offiziell eröffnet. Auftraggeber und Projektentwickler EDGE Technologies benannte ihn – wie auch bei seinem Projekt am Berliner Südkreuz – nach sich selbst. Der Volksmund hatte das Hochhaus allerdings längst auf einen anderen Namen getauft: Amazon Tower. Denn 33 der insgesamt 35 oberirdischen Etagen nutzt künftig der US-amerikanische Tech-Gigant und residiert damit direkt oberhalb der subkulturellen und gemischten Szene um die Warschauer Straße. Bis ihn der Estrel Tower in Neukölln nach dessen Fertigstellung übertrumpft, ist der EDGE East Side mit 142 Metern gar der höchste Geschossbau der Stadt. 

Noch weitaus länger als im Berliner Himmel steht das Projekt allerdings in der öffentlichen Diskussion. Das Grundstück liegt auf dem sogenannten Anschutz-Areal rund um die heutige Uber Arena. 2004 hatte US-Investor Philip Anschutz das Gebiet gekauft, um es zu entwickeln. In einem Bebauungsplan ließ das Land Berlin damals mehrere Hochhäuser vorsehen, darunter auch ein bereits fertiggestellter Bau von Gewers Pudewill und der Standort des EDGE East Side an der nordöstlichen Ecke. 

Verfahrensfragen und New Yorker Inspiration

Zwischenzeitlich wechselte das Grundstück mehrmals den Eigentümer, bis EDGE Technologies die konkrete Planung begann. Der städtebauliche Vertrag im Rahmen des B-Plans verpflichtete zu einem Wettbewerb, ohne dabei die Verfahrensart festzulegen. EDGE richtete 2017 ein Werkstattverfahren mit drei eingeladenen Büros aus. Trotz nur einer Woche Bearbeitungszeit und einer Jury, die mehrheitlich durch Bauherrenvertreter*innen besetzt war, soll der erste Siegerentwurf von BIG mit einer „kieztypischen Lebendigkeit“ überzeugt haben, schreibt Jan Schildknecht, damaliger Bauaufsichtsleiter im Stadtentwicklungsamt Friedrichshain-Kreuzberg. 

Dieser ursprüngliche Entwurf war im Zusammenhang mit der benachbarten East Side Mall geplant. Da die Zeitpläne der Projekte aber auseinander liefen, wurde er obsolet. Die Bauherrschaft ließ BIG einen neuen Entwurf – ohne Wettbewerb – vorlegen, der schließlich in den Bauantrag mündete. Ob die Architekt*innen dabei einfach in die Schublade fertiger Konzepte griffen und das bereits seit 2016 für New York geplante The Spiral herauszogen, bleibt natürlich Mutmaßung. Die scharfe Kritik des Berliner Baukollegiums am neuen Entwurf blieb folgenlos, denn der Bezirk hatte das Projekt bereits genehmigt.

Kaskaden und Kiezlab

An der Planung war als lokales Büro Aukett + Heese, die bereits das Werkstattverfahren mit vorbereitetet hatten, in den Leistungsphasen 2–5 beteiligt. Die Ausführungsplanung haben A+H baubegleitend für den Generalunternehmer Züblin erstellt. Insgesamt umfasst das Hochhaus circa 85.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche. Bis zu 3.000 Mitarbeitende von Amazon sollen hier arbeiten, die ersten sind bereits eingezogen. 

Eine Plattform im Sockelbereich verbindet den Büroturm mit der Warschauer Brücke und der East Side Mall. Hinter die kaskadenartigen Terrassen an den Außenseiten haben die Architekt*innen Atrien angelegt, um die Geschosse untereinander zu verbinden. Durch herausnehmbare Deckenelemente seien sie flexibel gestaltbar, heißt es.

Öffentliche Bereiche finden sich ganz oben, wo noch ein Restaurant mit Zugang zur Dachterrasse eröffnen soll, und ganz unten, wo ein sogenanntes Kiezlab eingezogen ist. Amazon stellt dort auf 1.400 Quadratmetern Büroflächen, Workshopräume und Infrastruktur für lokale und gemeinnützige Initiativen zur Verfügung. Laut Schildknecht geht diese öffentliche Nutzung auf das Engagement von Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Die Grünen) zurück – und war Auflage für die Genehmigung.

Auf dem Weg zur Amazon Straße

Vertreter*innen der Tech- und Start-Up-Branche sehen EDGE East Side als Chance für den Standort Berlin. Auch Bürgermeister Kai Wegner (CDU) freute sich bei der Eröffnung über den „starken Arbeitgeber“ Amazon. Auf diesen zielt aber natürlich auch die Kritik der Gegenseite. Die Gruppe „Berlin vs Amazon“ etwa veranstaltete in der Vergangenheit mehrere Protestaktionen. Sie werfen dem Konzern unter anderem „unmenschliche Arbeitsbedingungen, schamlose Steuerpraktiken und ein auf Überkonsum basierendes Geschäftsmodell“ vor. Im Stadtteil verursache der Bau zudem soziale Verdrängungsprozesse. 

Zur Eröffnung überklebten die zwei Aktionskünstler*innen Jakob Wirth und Marina Resende Santos das Schild der S-Bahnstation Warschauer Straße mit „Amazon Straße“. So wollten sie sichtbar machen, wie Konzerne das Stadtbild vereinnahmen. Den Turm selbst hat man bislang nicht mit dem Logo des Unternehmens gelabelt. Das wolle man künftig noch nachholen, so Amazon. Bis dahin reicht als Bild vielleicht auch die Architektur selbst, die bei BIG ja oft wie ein gebautes Piktogramm daherkommt. Die Aufwertung zeichnet sich am Amazon Tower jedenfalls für alle weithin sichtbar ab.

Fotos: Laurian Ghinitoiu, Marcus Bischoff, Franco Casaccia, Franz Brück, Rohl Fotografie


Zum Thema:

Weitere Projekte von EDGE: MVRDV in Amsterdam, UNStudio in Eindhoven, Behnisch Architekten in Hamburg und gleich nebenan ein Bau von HENN.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

12

jenatsch | 26.09.2025 16:10 Uhr

"Wettbewerb"

Eine Woche Bearbeitungszeit, eine fragwürdig besetzte "Jury", der drittletzte erhält den Auftrag, den er sich, sozusagen als Cocktailkirsche des ganzen Gebräus, mit dem Verfahrensvorbereitenden Büro teilt ... und das ging (und geht vielleicht immer noch) in Berlin als Wettbewerb durch? Nicht ohne Grund zählt Prozesskultur zur Baukultur. Übrigens ist niemand gezwungen Kunde/Kundin der dort ansässigen Firma zu sein.

11

Max | 26.09.2025 14:58 Uhr

Was ist eigentlich aus...

YES IST MORE geworden? Da ging es doch darum, für ALLE Beteiligten (also auch die Stadtgesellschaft) das Beste aus einem Proejkt rauszuholen, nicht nur für den Immobilienentwickler. Das war für die Studenten zu meiner Zeit noch so eine Art Inspiration. Wenn ich BIG heute sehe, überkommt mich Weltschmerz.

10

blaunetz | 26.09.2025 14:32 Uhr

nein @9

ein entwurf aus BIGs eigener resteschublade: the spiral in new york. IN new york, IN der doppelten höhe und MIT den zikkurat-ähnlichen terrassierungen mag dies sogar vielleicht funktionieren.

9

auch ein | 26.09.2025 11:35 Uhr

architekt

das ist die bauträger-billigvariante des hochhauses in bangkok "MahaNakhon".
da stammt der entwurf aus 2009 (von oma und scheeren durfte das projekt "mitnehmen").

Damals war das witzig, da war BIG noch ein kleines fischlein


aus dem baunetz:12.09.2016
Auflösung der Skyline
Hochhaus von Ole Scheeren in Bangkok fertiggestellt

8

Maxie | 26.09.2025 09:10 Uhr

Hochhaus oder Skyliine

Vor einem Monat bin ich daran vorbeigelaufen, hatte Freunde aus München dabei, und wir haben übereinstimmend festgestellt, dass es schöne Hochhäuser geben kann, die die Stadtsilhouette bereichern können.

Dieses gehört einfach nicht dazu. Es ist hier kunstvoll fotografiert worden, aber es erscheint aus der Fußgängerperspektive, egal ob aus der Nähe oder vom anderen Ufer, aus der Ferne einfach unproportioniert, mit seinen gespiegelten Gläsern protzig und klobig.

Es ist sicher alles andere als eine gute Bilanz:
Weder für den prominenten Platz auf der Warschauer Brücke, neben der Oberbaumbrücke als ein nutzbarer, besserer Ort, noch für die Umwelt oder die Stadtarchitektur.

Schlimmer, der Turm verstellt den Blick und nimmt einen Raum ein, der ihm nicht zustehen sollte.

Und da frage ich mich, was der damalige Beirat des Senats, das Baukollegium, dazu ursprünglich gedacht hatte.

7

maestrow | 25.09.2025 23:08 Uhr

Kritik aus dem Glashaus

wer im Glashaus sitzt soll nicht mit Steinen werfen, so mag die hier wörtlich zu verstehende Redewendung gelten: Über die Ästhetik des Kolosses an der Brücke mag zu Recht gestritten werden. Aber, liebe Architektinnen und Architekten vor allem aus Bayern, bedenkt, dass eure Altersversorgung an eben diesen Berliner Monstrositäten hängt. Seht mal ein wenig genauer nach, wer der Eigentümer des Gebäudes ist....

6

bauknecht | 25.09.2025 21:43 Uhr

Der Einkaufswagen auf der Mauer

in Bild 14 - Kunst am Bau?

5

Lars K | 25.09.2025 20:04 Uhr

Das wirft Fragen auf

Unter anderem diese: Wenn die Ausgebeuteten sich nicht als Ausgebeutete empfinden, sind sie dann wirklich Ausgebeutete? Oder braucht es dafür nicht die schmerzhafte Selbstdefinition, die einen vielleicht sogar dazu bringen würde, sich zu wehren? Ach, hoffentlich ist bald Wochenende.

4

fabrik3 | 25.09.2025 18:18 Uhr

grün?

War nicht angedacht bzw. geplant auf den Fasadentreppen ganz viel grün zu installieren?
Wenn man direkt darunter steht, ist das Ding potthässlich und sehr bedrohlich,
Und wenn die Sonne rauskommt, sieht die Fassade mit den silbernen Verschattungselementen, die dann nur zum Teil runtergelassen werden noch hässlicher aus.
Für den Kiez ist das Ding bzw. Amazon ganz schrecklich. Jetzt kommen zu den ganzen Touris noch ganz viel Ausgebeutete, die das nicht mal so empfinden.

3

Arcseyler | 25.09.2025 16:53 Uhr

.de

Die Formulierung ist nicht ganz eindeutig. Die getreppte Reduktion des Glaskörpers ist, wenn auch ausgedehnter, nicht bis zum Boden durchgehalten. So sitzt auf dem Stumpf die Wucht eines Hochstands.Die vielleicht durch Höhenbegrenzung unentschiedenen Proportionen wären so ein Hybrid, in der expressiven berliner Tradition.

2

staubkind | 25.09.2025 16:13 Uhr

Jeffs Resterampe

Wer nach Kopenhagen fährt,
staunt über sehr viele,
sehr anregende Bauten.

Und wenn es da Rampen
und Stufen und Treppen gibt,
lassen die sich auch
hoch- und runtergehen.
Von Allen, die wollen.

Für Berlin fand BIG
reicht eine Resterampe.

1

Hinrich Schoppe | 25.09.2025 15:56 Uhr

Irgendwann...

... in hundert Jahren oder so wird mensch sich auch daran gewöhnt haben oder es gar denkmalwürdig und schön finden.

Derzeit aber - das ist das Privileg der Zeitgenossen - kann ich es anmaßend unproportioniert und schlicht häßlich finden, unpassend für den Ort und die Stadt und deren Gesellschaft sowieso.
Wobei es seinen Zweck damit auf das Beste erfüllt, nämlich Amazon eine Heimstatt zu bieten.
Absolut ehrliche Ignoranz und unverhohlene Dreistigkeit. Aber das ist nur meine bescheidene Wahrnehmung.

Wir werden sehen, ob Amazon in hundert Jahren Geschichte sein werden oder Teil der Weltregierung.

Bleibt also spannend!

 
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