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Wilmersdorf

Der 4. Botschaftsspaziergang
In vornehmen Gefilden


Berlin hat vornehme Viertel. Natürlich, werden Sie denken, aber nach diesem Spaziergang wird das Wort „vornehm“ für Sie einen anderen Klang bekommen. Sogar Berliner geraten hier ins Staunen.
Beginnen Sie dort, wo der Kurfürstendamm endet: am Rathenauplatz. Der Verkehrslärm ist enorm, schallt herauf von der Autobahn und wird verstärkt von den Autos, die noch nicht bemerkt haben, dass hier der Kudamm zu Ende ist und sie eigentlich umkehren müssten.
Die Mazedonische Republik residiert auf dem spitzen Winkel zwischen Koenigsallee und Hubertusstraße. Einer Stadtvilla nachempfunden, besitzt sie leider nicht mehr Charme als die üblichen Repliken des so oft zitierten Themas „große Fenster, leichtes Flugdach und noch etwas rundes im obersten Geschoss“. Ihre Entstehungszeit könnte statt der verbürgten 90er Jahre leicht noch 10 Jahr weiter zurückliegen. Aber lassen Sie sich nicht entmutigen, auch wenn der Auftakt etwas schwächelt, der heutige Spaziergang wird alle Erwartungen erfüllen. Wir führen Sie in den vornehmen Süden und Sie durchwandern heute wahre Vielfalt.
Richtung Südwesten - erst auf der Koenigs- und später auf der Bismarckallee - befinden Sie sich schon mitten in den architektonischen Sehenswürdigkeiten. Hier sind die Stars der letzten 120 Jahre Einfamilienhaus-Architektur versammelt: Vom gediegenen Fachwerklandhaus im englischen Stil über die unsäglichen „einstöckigen“ Walmdachvillen mit drei (!) Vollgeschossen im Dach flanieren Sie an goldumrahmten Fensterdetails der Arztbungalows aus den frühen 70ern vorbei und gelangen über die sphinxbewachte Brücke zwischen Hertha- und Hubertussee linker Hand in der Furtwänglerstraße zur Botschaft der Republik Polen. Fast möchte man sie zum Paradebeispiel der Grunewaldarchitektur ernennen. Die polnische Repräsentanz erscheint wunderbar trutzig und ein wenig traditionsverliebt.
Auf verschlungenen Wegen Richtung Osten überschreiten Sie auf dem Weg zur israelischen Botschaft die unsichtbare Grenze zwischen Grunewald und Schmargendorf. Aber auch hier lohnt sich ein offenen Auge, sonst könnten Sie den polierten Bundesadler aus Messing, mit Initialen und Löchern für die Gegensprechanlage, verpassen: Er dient irgendwo links am Wegesrand als Klingelschild.
Die Israelis sind schon von weitem an ihrem leuchtenden Grün zu erkennen. Sowohl der zurückhaltende Altbau als auch der formalisierte Neubau verfügen über ein durch alle Bäume leuchtendes Kupferdach. Der Neubau ragt aus der bestehenden Bebauung heraus, allein durch sein Volumen, die symbolbehafteten Fassaden und eine alles durchschneidende Mauer aus Jerusalemer Steinen. Eindrucksvoll und genauso unzusammenhängend wie alle anderen Häuser der Umgebung, fügt er sich - wenn schon nicht neben den Altbau - so zumindest in den größeren Zusammenhang von Schmargendorf nahtlos ein.
Am Hohenzollerndamm entlang gen Süden empfehlen wir einen kurzen Blick in die Ruhlaer Straße. Am MEMA-Supermarkt befindet sich eine der schönsten Blechfassaden von Berlin. Ihre floralen Ornamente der Fassadenplatten mit extra dekorativer Perforation für die Lüftungsöffnungen sind sehenswert.
Am Roseneck erreichen Sie endlich den orientalischen Höhepunkt Ihres Spazierganges: Die neu eröffnete Botschaft von Katar. Aus poliertem Granit, mit Zinnen und Rundbogen als Marmorimitat gedacht, steht sie plötzlich an einer ehemaligen Straßenbahnkehre.
Doch was für sich genommen als Theaterdekoration wirken könnte, erlebt an dieser Stelle nur durch das Umfeld eine außergewöhnliche Neubewertung: Hier scheint ein wenig Orient gerade noch gefehlt zu haben, und auf dem Weg zum Roseneck ist schon schlechter aussehender echter Marmor zu sehen gewesen.
Den Abschuss bildet nach einem kurzen Schlussspurt Richtung Westen die Botschaft von Kuwait. Mit diesem hochherrschaftlichen Bau samt Vorfahrt, grünen Fensterläden und neunachsiger Straßenfront im Herzen können Sie den Berliner Südenwesten nun wieder verlassen.
Die aufgefrischten Eindrücke werden erst einmal für die nächsten Jahre ausreichen.