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07.12.2020

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Zweck versus Bedürfnis

Wohnhausanbau in Leipzig von Meier Unger


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Im Leipziger Stadtteil Wiederitzsch hat das junge Architektenduo Jan Meier und Lena Unger (Leipzig) einen Anbau an ein Wohnhaus aus den 1930er Jahren realisiert, der von einem besonderen Ideenreichtum und Gestaltungswillen der Planer zeugt. Die zum Garten hin orientierte Wohnküche bringt zusätzliche 40 Quadratmeter Wohnraum und ist zum beliebtesten Ort im Haus der vierköpfigen Bauherrenfamilie geworden. Er läuft sogar dem Wohnzimmer im Bestandsgebäude den Rang ab. Kein Wunder, denn neben der Küche findet im farbenfrohen Anbau ein Tisch für bis zu zwölf Personen Platz, ein gemauerter Kamin sorgt für Stimmung und im Fenster gibt es eine Sitzmöglichkeit.

Über die großzügigen Fenster mit ihren Schiebeelementen wird der gemauerte Anbau zum Teil des Gartens. Eine nach Osten ausgerichtete, vier Meter breite Gaube bringt die Morgensonne in den Raum. Sämtliche Details der Küche, wie etwa die dreieckigen dunkelblauen Griffe der Holzküche, die glänzend blauen Fronten und die türkisfarbenen Fliesen sind mutig gestaltet. Durch die Fassadenverkleidung aus dreifarbig lackiertem Holz und die gelochten Stahlträger außen werde der Anbau gerne in die neopostmoderne Ecke gestellt, so die Architekten. Diese spiegle aber lediglich die fröhliche Natur der Bauherrschaft wider.

Der neue Anbau ersetzt einen älteren Bestand aus den 1960er Jahren, der nicht zuletzt wegen seiner schlechten Gründung vom Haus wegkippte und dadurch nicht mehr zu retten war. Viele Details wurden von den Planern im Prozess oder aufgrund besonderer konstruktiver Bedürfnisse ausgearbeitet, wie etwa der Terrazzoboden, der sich an einer Stelle des Fußbodens hochzieht, der schmale Kamin mit Hochformatziegeln und Betonbrüstung oder der Ringanker aus Sichtbeton, der über der Lampe unterhalb der Gaube auskragt und so das Licht steuert.

Nicht unwesentlich für das kleine Projekt war der Zeitaufwand, fähige Handwerker zu finden und diese für eigene Lösungen oder gemeinsame Entwicklungen zu begeistern, anstatt nach Standard zu arbeiten. Die Suche nach dem Terrazzoleger etwa dauerte einen Monat. Gern ließ man sich auch von eigenen Ideen der Handwerker überzeugen wie etwa bei den Details der Wasserspeier oder der Gaubenabdeckung. Dabei arbeitet das Duo gerne mit Standardmaterialien, bei denen sie kleine Modifikationen vornehmen oder schlichtweg das „Klimbimm“ weglassen, wie Jan Meier sagt. So etwa bei den roten Markisenrollos, die ohne die mitgelieferten Einhausungen außen an den Fensterflächen montiert wurden. Für einen Schutz gegen Schlagregen sorgen vom Spengler ausgearbeitete Abdeckungen, die in das Blechdach integiert wurden.

Prägend für die Gestaltung sind auch die aus filigranem Stahl gefertigten Dachsparren, die von verdeckten Balken verstärkt werden und im von außen sichtbaren Bereich einen dünnen Dachquerschnitt ermöglichen. „Für derlei Details müsse man die richtigen Gewerke finden und jeden Tag auf der Baustelle sein, damit sich die fein detaillierten Elemente fügen.“ Den Mehraufwand nimmt das junge Büro gerne in Kauf, schließlich gelte für die Maxime Zweck versus Bedürfnis. Ein kleineres Bauvolumen sei da natürlich hilfreich, so Meier. (tl)

Fotos: Philip Heckhausen


Kommentare

22

Paulchen Panther | 12.12.2020 12:00 Uhr

Herablassung und Scarpa

an Paula
Nicht die Glasfuge an sich, sondern der Architektenreflex ist bedauernswert. Ich finde es schwierig und architektonisch etwas vereinsamt, wenn nur noch die Glasfuge als "Kunst" bezeichnet und im Gegensatz dazu ein absolut naheliegender Anschluss wie in diesem Projekt per se als eine vergebene "Chance zur Kunst" hingestellt wird. Da hilft uns leider auch nicht ein, von mir übrigens sehr verehrter, Herr Scarpa, weiter.
Und noch etwas: herablassend ist eher das unreflektierte Übernehmen von Schlagwörtern aus anderen Disziplinen, um sich damit vor den "Unwissenden" zu profilieren. Und der Spruch von der "Kunst der Fuge" ist dafür leider das beste Beispiel, weil auch das Misslungenste.
Wie das ganze nun in China ist, weiß ich wirklich nicht: ich bitte hier untertänigst um Aufklärung, bin ja nicht so weltbereist und kann es deshalb als
"deutscher Kollege" nicht. Was für eine Herablassung.

21

Peter | 09.12.2020 11:31 Uhr

Postminimalismus

Super Projekt! Präzise Plaung und Ausführung bis ins Detail. Der Mut zur Farb- und Formenvielfalt gefällt mir sehr gut! Sehr erfrischend kraftvoll! Muss ja nicht immer der gleiche Neominimalismus sein an dem man sich doch eigentlich längst satt gesehen hat.
Weiter so!

20

tine wittler | 09.12.2020 08:29 Uhr

...aus gegebenen anlass...:


... zb. so sieht liebe aus ...

19

Korbinian S. | 08.12.2020 22:31 Uhr

Respekt!

@ Architekten/in: Klein, aber oho! Tolles Haus!
@ Baunetz: Bitte mehr von diesen Häusern!

18

Paula | 08.12.2020 15:52 Uhr

kommentar des monats

ja, mit glasfuge anbauen ist so scarpa. macht man heute nicht mehr.

lieber so wie hier. kann man auch schön verdichtet fotografieren.

ich wünsche mir übrigens hier mehr herablassung. mein spärliches wissen will belehrt werden.

in china würde man übrigens die fuge gar nicht brauchen. aber das können die deutschen kollegen nicht.

17

g.k. | 08.12.2020 14:54 Uhr

Gefallen


Ans Haus baut er ein Häusel dran,
zu zeigen was er alles kann.

Da kommt von fern der Kritikus,
und sagt ihm was er ändern muss.

Die Farbe, Fuge und das Dach,
das alles hat er falsch gemacht.

Auch Garten und der Stühle Form,
am besten wär, er machts von vorn.

Allein der Bauerr der ist froh,
den er wollt es gerade so.

16

Thomas Gerstmeir | 08.12.2020 12:30 Uhr

an Mainzer #7

"Die Kunst der Fuge."
Lieber Mainzer, dies ist wohl eine der gängigsten Missinterpretationen von Architekten, die der Versuchung des Verschlagwortens fremder Disziplinen nicht standhalten können. Und damit sich und die Kollegen in belächeltes Mitleid bringen. Bei diesen Beispiel von Musikern.
Die Kunster der Fuge ist ein Band von J.S.Bach von Fugen. Die musikalische Fuge hat NICHTS mit der Fuge am Bau zu tun. Das erste kommt von fugare = fliehen. Dabei fliehen mehrere Stimmen voneinander her. Das zweite kommt von Fügen.
Den Architekten aus Leipzig übermittle ich hier in aller Dehmut meinen Glückwunsch zu den vielen erstaunlichen Projekten. Hut ab! Genauso weiter!
Dass Häuser besser über eine Fuge angeschlossen werden, die zudem dann auch wie in einer Peepshow aus Glas überhöht werden müssen, ist ein zweiter Architektenreflex. So weit sind diese jungen Kollegen aus Leipzig Gott sei Dank nicht "gebrainwashed"
Super Haus - ich kenne die krautigen Hofgärten in Leipzig Richtung Schleußig und Süd-Vorstadt. Das braucht auch solche krautigen Häuser.

15

Kurz vor Knapp | 08.12.2020 12:27 Uhr

Garten?haus

Leider zeigt sich, dass zu einem gewollt expressiven Anbau im Garten auch eine entsprechende Gestaltung des Freiraums gehören würde. Hier fehlt leider ein (Material-)konzept und eine saubere Detaillierung. Siehe zum Beispiel am banal changierenden Betonpflaster mit der unrunden und unpassenden Einfassung auf Bild 8. Mit Putz, Naturstein, Beton, Holz, Stahl und dem Sendemast im Hintergrund wirkt es von außen dann doch sehr altbacken. Dabei hätte es mit dem Klinker der Bestandmauer auf Bild 10 doch einen guten Anhaltspunkt gegeben, mit dem man sich hätte beschäftigen können.

14

auch ein | 08.12.2020 12:08 Uhr

architekt

@13 iaxamotto

diesmal muss ich ihnen, so schwer mirs fällt, recht geben!

ausnahmsweise gebe ich ihnen recht , dass jeder doch bitte seine stühle selbst raussuchen darf. der architekt ist, auch wenn der bauherr postmoderne rosa winkelchen will, dienstleister. und er kann ablehnen (wenn er genug zu tun hat) oder weitermachen, jedem selbst überlassen.

und bei farben stühlen klinker und leder :
schwupps sind wir bei der "geschmackssache" !
i

13

ixamotto | 08.12.2020 09:56 Uhr

baukunscht

schönes projekt mit – wie es aussieht – gelungener bewegungs- und blickführung, differenzierten innen-aussen-bezügen und sicherlich abwechslungreichen, über den tages- und jahresverlauf wechselnden lichtstimmungen.

interessant auch, dass darüber von den 'architekten-kritikern' gar nicht geschrieben wird, sondern vor allem über geschmacksfragen, die als haltungs- oder wahrheitsfragen ausgewiesen und moralisiert werden, so wie man es einst an der uni gelernt hat.

das erscheint mir angesichts der größe und architekturgeschichtlichen bedeutung des projektes besonders kleingeistig. letztlich aber macht es gut nachvollziehbar, warum architekten so oft sowohl gehasst, gefürchtet als auch belächelt werden: wenn ich mir eine erweiterung meines hauses entwerfen und planen ließe, dann würde ich von den beauftragten architekt*innen erwarten, dass sie eine räumliche lösung für meine alltäglichen bedürfnisse entwickeln – selbstständig aber verantwortungsbewusst, prägnant aber mit kapazitäten und wahrscheinlich in der ästhetik, bild- und formsprache, die ich ihren referenzen entnehmen konnte, bevor ich sie beauftragt habe. wenn sie mich allerdings mit dem vielsagend nichtssagendem begriff "baukunst" zuquatschen würden, mir akademisches gelabere über gute und schlechte fugen aufdrücken würden oder als kleine geschmacksdiktatoren über die persönliche wahl meiner stühle herfallen würden – dann säßen sie schneller vor der tür meines noch nicht erweiterten bestandshäuschens als sie bis drei zählen könnten.

12

auch Architekt | 08.12.2020 09:26 Uhr

unlangweilig

Architektur ist gelungen wenn darüber viel diskutiert wird!

11

auch ein | 08.12.2020 09:02 Uhr

architekt

" besonderen Ideenreichtum und Gestaltungswillen der Planer "
trifft die sache auf den punkt......

auf 40 qm anbau alles reinpacken was man gerne mal machen würde....

10

cobrazange | 08.12.2020 08:50 Uhr

ernst

einziges büro in deutschland was ich aktuell ernst nehmen kann.

9

Johann Maier | 08.12.2020 07:56 Uhr

Der Schein trügt

Ich dachte, die Formensprache der 1990er Jahre sei seit min. 20 Jahren überwunden. Hat man hier noch alte Pläne in der Schublade gefunden oder handelt es sich doch um eine Pinselsanierung eines Anbaus aus dieser Zeit?
Diese Stühle sind natürlich der blanke Horror.
Aus welcher Zeit das Bestandsgebäude stammt, ist doch gar nicht erwähnenswert, weil anscheinend sowieso kein Bezug besteht.

8

Albert Freistadt | 07.12.2020 21:38 Uhr

Sehr, sehr gut gemacht!

Tolles Ding! Das Niveau auf dem hier gemeckert wird bzw. die Parameter, die zur Bewertung herangezogen werden (Fuge oder nicht Fuge), scheinen mir allerdings aus dem letzten Jahrtausend zu stammen.

7

Mainzer | 07.12.2020 19:04 Uhr

Bild 3

... hätte die Kunst der Fuge zeigen können.

Leider zeigt es eine nicht ganz schlüssige Anbindung an den Bestand; nicht mehr und nicht weniger ... sozusagen. Unter Baukunst versteht halt jeder was anderes.

6

DocPom | 07.12.2020 18:48 Uhr

jung

Ich denke auch, dass hier frische, zeitgenössiche Architektur gezeigt wird, die klassische Aufgabe bewußt anders und sehr gekonnt umsetzt. Ein Anbau muss nicht mit einer Fuge "gefügt" werden...

5

Peter | 07.12.2020 18:39 Uhr

Alltagsarchitektur

Ich mag den unverkrampften Umgang mit Materialien und Farben. Das Ganze wirkt nicht gewollt, sondern unbeschwert und unaufgeregt ohne banal zu erscheinen. Schöner Beitrag!

4

Baukultur | 07.12.2020 18:33 Uhr

Neues inter-europäisches Selbstverständnis

Drei Sterne+ für die jüngere Sächsische Architektur! AtelierSt, summcacumfemmer, Löser Lott, Schoper Schoper. Fantastisch was aus dem Freistaat via Instagram in die Welt und wieder in die Region zurückschießt. Das macht sich bezahlt und richtig Spaß. Der DIN-Deutsche Michel kann da nur digital schnauben.

Wie vergangenen Freitag bei Felgendreher Olfs Köchling sind auch hier die Schweizer Querverweise an allen Eckens spürbar. Philipp Heckhausen verdichtet dann fotografisch, was sowieso schon da ist und baut zauberhafte helvetische Brücken. Freue mich sehr darauf, was von diesem Büro zukünftig noch kommen wird.

3

Denkste | 07.12.2020 17:27 Uhr

Zweck versus Bedürfnis

Völlig aus der Zeit gefallen. Wie kommt die Rdaktion auf die Idee diesesProjekt hier vorzustellen? Bild drei zeigt eine gewollte, doch schlechte Fuge.

2

karlo | 07.12.2020 17:18 Uhr

Baukunst

@Schneider
Da macht ein junges, ambitioniertes Büro etwas Baukunst und es wird direkt gemeckert.
Schönes Ding. Nicht vom dt. Michel entmutigen lassen. Gerne mehr dieser gebauten "Unruhe"!

1

Schneider | 07.12.2020 16:26 Uhr

weniger

... ist gelegentlich mehr:

Bei erkennbar guter Funktionalität braucht es nicht die Villa Kunterbunt für einen Anbau. Etwas weniger Schnickschnack würde eben etwas mehr Ruhe in den städtebaulichen Kontext bringen. Der Anbindung an den Bestand hätte mehr Sorgfalt gut getan.

 
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