Am nordöstlichen Rand der Innenstadt der belgischen Stadt Hasselt liegt ein Beginenhof. Dessen Geschichte reicht zurück bis ins 13. Jahrhundert, aber die heute noch erhaltenen Gebäude stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie zeugen vom sparsamen Leben der Beginen: Dies waren alleinstehende oder verwitwete Frauen, die ein strenges christliches, aber gelübdefreies Leben führten. Ihre Gemeinschaft wohnte in schmalen Reihenhäusern, die sich in Hasselt um einen grünen, kollektiv bewirtschafteten Innenhof drängten. Im Zentrum stand eine große Kirche, deren Turm viele Jahrhunderte lang das höchste Gebäude in Hasselt war.
Die letzte Begine starb bereits 1886. Danach wechselte der Beginenhof mehrfach seine Besitzer, bis ihn die Provinz Limburg 1938 erwarb und unter Denkmalschutz stellte. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche durch die deutsche Luftwaffe zerstört. Die Stadtbibliothek nutzte zeitweise einen Teil der Räume, dann kam das neue Zentrum für zeitgenössische Kunst Z33, für das 1959 ein wunderbarer Neubau im Blockrand errichtet wurde. Dieser erhielt bis 2020 einen ebenso wunderbaren Anbau von Francesca Torzo. In einer alten Klosterbrauerei an der Nordspitze des Blocks sitzt seit 1979 das nationale Genever-Museum. Der große, grüne Innenhof verwandelte sich in den Jahren ohne dauerhafte Nutzung in eine verwunschene Oase in der Stadt, gut verborgen hinter den Mauern der Beginen und nur wenigen Insider*innen bekannt. Das hat sich nun geändert.
Als die verbliebenen Wohnhäuser der Beginen um 2015 herum verkauft werden sollten, formte sich eine Initiative von Architekturstudierenden in Hasselt. Sie protestierte gegen die Privatisierung und wies auf die historische, baukulturelle Bedeutung ebenso wie auf den Wert als öffentliche Grünfläche hin. Aus dieser Initiative heraus entwickelte sich letztlich ein gemeinsames Projekt von Universität, Provinz und Stadt, um die Gebäude für die Architekturfakultät umzunutzen und den Innenhof als öffentlichen Park zu bewahren. Mit dem Vlaams Bouwmeester wurde 2018 ein Open-Oproep-Wettbewerb ausgeschrieben. Ihn gewann ein Team bestehend aus Bovenbouw Architectuur (Antwerpen) und David Kohn Architects (London).
Es war einiges an architektonischer Fantasie nötig, um das neue Programm in die schmalen, engen Räume der kleinen Reihenhäuser einzupassen. Treppen mussten angepasst, neue Türen, Toiletten und Öffnungen eingefügt werden. Im Dach wurden neue Gaubenfenster eingesetzt, um auch die Dachstühle als Lehr- und Seminarräume nutzbar zu machen. An der Ecke, wo die beiden erhaltenen Reihen der Beginen-Häuser aufeinandertreffen, sitzen nun kleine runde Lichtöffnungen in der historischen Wand. Zwei Kamine funktionierte man zu Türen um, an anderer Stelle wurde eine neue Tür im Stil einer verborgenen Tapetentür in die holzvertäfelte Wand geschnitten. An anderer Stelle mussten die Kamine ganz entfernt werden, ihre Umrisse blieben jedoch in der Form der Durchgänge wie Negativabdrücke erhalten.
Natürlich wurden diese Änderungen intensiv mit dem Denkmalschutz abgestimmt. Das Gleiche gilt für die Neugestaltung des Hofes, die gemeinsam mit Landinzicht Landschapsarchitecten (Brüssel) geplant wurde. Ein auffälliger, kreisrunder Ausschnitt in einer historischen Backsteinwand im Nordwesten fungiert als einladende neue Wegeöffnung in das Blockinnere. Der Hof wurde als kleiner Stadtpark neu gestaltet, der Studierenden, Museumsbesucher*innen und der ganzen Nachbarschaft gleichermaßen zur Verfügung steht. Im Leerraum der Kirchenruine ist ein Wasserspiel eingebaut, das entleert werden kann, damit der Raum auch für Freiluftveranstaltungen nutzbar ist.
Im Süden steht neben dem alten Torgebäude der Beginen schließlich das auffallendste neue Element: ein 30 Meter hoher Aussichtsturm auf sechseckigem Grundriss. Backsteinfassaden und ein kreisrunder Eingang markieren ihn deutlich als Teil des Umbauprojekts – eine selbstbewusste architektonische Geste. Seine Höhe entspricht ungefähr der des zerstörten Kirchturms. Sie macht ihn zum weithin sichtbaren Wegweiser und zum Wahrzeichen für die Revitalisierung dieses speziellen Ortes. Die Kosten werden für das gesamte Projekt mit 10,8 Millionen Euro angegeben. (fh)
Fotos: Stijn Bollaert, David De Bruijn, Michiel De Cleene, Isabelle Pateer
Zum Thema:
Darüber, dass die gute Wettbewerbskultur des Open Oproep in Flandern einen entscheidenden Anteil an der enorm verbesserten Qualität öffentlicher Gebäude im Land hat, berichteten wir in der BauNetzWOCHE #557 „Das Wunder von Flandern“.
Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
1
Arcseyler | 26.11.2025 18:34 Uhr.de
Interessant die architekturausbildung in einem umgestalteten Altbau statt in einem strukturierten Neubau. Man lernt hier durch Anschauung weniger modern strukturierte grossbauten als Umbau im Bestand. Der Maßstab ist ein anderer.