Ursprünglich sollte der Strandpavillon in Knokke-Heist hübsch in der Reihe stehen, und das heißt an der belgischen Küste: in der Reihe mit fünf- bis achtgeschossigen, sehr gleichförmigen, sehr farb- und auch sonst akzentlosen Wohnriegeln, die in jeder Stadt die Strandpromenade säumen. Den Strand zu bebauen ist grundsätzlich unmöglich. Und doch konnten die beiden Architekturbüros
Compagnie O. (Brüssel) und
John Körmeling (Amsterdam) im Wettbewerb mit ihrer Idee überzeugen, den knallgelben Pavillon eben nicht südlich der Strandstraße auf dem Platz vor dem alten Leuchtturm, sondern nördlich der Straße „mit den Füßen in den Sand“ zu stellen.
„Grundsätzlich lässt sich die Atmosphäre entlang der Belgischen Küste zweifellos mit
50 Shades of Grey ganz gut beschreiben“, so erläutern die Architekten ihren Pavillon-Entwurf. Dem wollten sie etwas Kräftiges entgegensetzen, daher die Farbe und die runden Formen. Daher die fröhliche Leuchtschrift „Damen und Herren“, die an einen Zirkus oder einen Rummelplatz erinnert, tatsächlich aber auf die öffentliche Toilette im Pavillon hinweist. Überhaupt geht es hier um Sichtbarkeit, in beide Richtungen. Denn dieses Gebäude ist die zentrale Station für die Strandpolizei und die Rettungsschwimmer, beherbergt aber auch einen Erste-Hilfe-Raum, eine Garage für das Einsatzfahrzeug und Nebenräume. Zusätzlich zu dem kleinen Turm haben die Architeken das Dach des Pavillons als Plattform gestaltet, von wo aus die Sicherheitskräfte einen 360-Grad-Blick über Strand und Boulevard haben – und die Rettungsschwimmer*innen stehen nun zusätzlich in direktem Blickkontakt mit allen 12 am Strand verteilten Hochsitzen. Umgekehrt verstellt der Pavillon nicht den Blick vom Boulevard auf das Meer, da er tiefer liegt; die Dachterrasse befindet sich ungefähr auf Höhe der Straße.
Der kreisrunde Bau misst 17 Meter im Durchmesser und bietet 145 Quadratmeter Nutzfläche. Den Architekten war es wichtig, die Funktionen der Sicherheit und Überwachung nicht komplett von der Öffentlichkeit zu trennen, damit keine Distanz, sondern ein Miteinander entsteht. Schön wäre es, sagen sie, wenn der Pavillon auch als weithin sichtbarer Treffpunkt genutzt würde. Jedes Jahr würden an der Küste etwa 1.800 Kinder vermisst gemeldet. Offensichtlich böte die endlose Apartment-Mauer jenseits der Straße keine Orientierung. Vielleicht könne der neue, knallgelbe Punkt am Strand auch da ein wenig helfen.
(fh)
Fotos: Tim van de Velde Photography
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Reiner | 11.09.2020 09:05 UhrFreude
Vielen dank, diese Meldung hat mich einfach fröhlich gemacht.