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24.08.2018

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Buchtipp: Konventionen

Städtebau der Normalität. Der Wiederaufbau urbaner Stadtquartiere im Ruhrgebiet


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Der Dortmunder Hochschullehrer Wolfgang Sonne arbeitet unermüdlich zur Schönheit im Städtebau. Regina Wittmann und er haben jetzt die Ergebnisse eines DFG-Forschungsprojekts herausgegeben, das von 2012 bis 2014 lief. Der reich bebilderte Sammelband umfasst vier Essays und elf Fallstudien zu Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Mülheim, Oberhausen und Witten.

Das suggestive Cover von „Städtebau der Normalität. Der Wiederaufbau urbaner Stadtquartiere im Ruhrgebiet“ zeigt eine urbane Straßeneinmündung in Duisburg-Marxloh, gefasst durch eine drei- bis fünfgeschossige Blockrandbebauung. Links im Bild sieht man einen an der Ecke abgeschrägten Flachdachbau mit liegenden Fensterformaten in der Tradition der Neuen Sachlichkeit der 1920er-Jahre. Das Gebäude rechts im Bild, ein Geschoss höher als der Rest, bildet ebenfalls eine städtebauliche Betonung der Ecksituation aus. Hier sehen wir quadratische Lochfenster und ein sehr flach geneigtes Walmdach – typische Merkmale der 1950er- und 1960er-Jahre. Beide Eckbauten haben vollverglaste Ladenfronten im Erdgeschoss.

Eine solch unaufgeregte, städtebauliche Szenerie ist prototypisch für die Innenstädte und gründerzeitlichen Stadterweiterungsgebiete an Rhein und Ruhr. Es handelt sich um Wiederaufbauten nach den gerade hier so verheerenden Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, die so selbstverständlich daherkommen, als hätten sie schon vor dem Krieg bestanden.

Wolfgang Sonne nennt dieses Leitbild „konventionellen Städtebau“ – in Abgrenzung sowohl zum dezidiert „traditionalistischen Städtebau“ als auch zum „fortschrittlichen Städtebau“ der Moderne mit seiner bewusst antiurbanen Haltung gegenüber der herkömmlichen Stadt. Laut Sonne sind die konventionell wiederaufgebauten Stadtviertel heute die „erfolgreichsten und beliebtesten“. Die Merkmale dieses urbanen Leitbilds sind Dichte, Blockrand und Nutzungsmischung – also das Gegenteil von Siedlung, Zeile und Funktionstrennung, die die „modernen“ Stadtplaner und Architekten in ihrer notorischen Verachtung gegenüber der „Korridorstadt“ des 19. Jahrhunderts propagierten.

Dem Buch verdanken wir die Erkenntnis, dass diese Art des Wiederaufbaus im Ruhrgebiet nicht zufällig entstand, sondern bewusst geplant wurde. Die Schlüsselfigur ist der 1879 geborene Architekt und Stadtplaner Philipp Rappaport, der von den Nazis geschasste und 1945 wieder eingesetzte Direktor des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk SVR, jenem 1920 gegründeten, überkommunalen Zweckverband, der gesetzliche Planungsaufgaben wahrnahm. Rappaport war ein unideologischer Pragmatiker, der schon vor 1933 die städtebaulichen und funktionalen Vorteile einer konventionellen Blockrandbebauung gegenüber der modernen Zeilenbauweise dargelegt hatte. Seine Überzeugungen konnte er beim Wiederaufbau nach dem Krieg umsetzen.

Sonne kriegt sogar die Volte plausibel hin, die vermeintlich progressive „gegliederte und aufgelockerte Stadt“ als Desiderat der Nazis zu beschreiben, die nach dem Krieg als „neu und demokratisch verkauft“ wurde, während die dichte, nutzungsgemischte, bürgerlich-selbstbestimmte Stadttradition den Nazis ein Gräuel war. Insofern lässt sich der konventionelle Wiederaufbau im Ruhrgebiet als Akt der Entnazifizierung lesen. Sage keiner, das Fach Städtebaugeschichte sei nicht spannend…

Text: Benedikt Hotze


Städtebau der Normalität. Der Wiederaufbau urbaner Stadtquartiere im Ruhrgebiet

Wolfgang Sonne / Regina Wittmann (Hg.)
DOM publishers, Berlin 2018
320 Seiten
ISBN 978-3-86922-616-3
98 Euro


 
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