Soll Moskau noch größer, höher, finanzstärker werden? Das im ohnehin gut betuchten Westen der Hauptstadt geplante MFZ – Internationales Finanzzentrum Moskau – ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Mit dem neuen Finanzviertel soll die wirtschaftliche Stellung der Stadt innerhalb Russlands und darüber hinaus gestärkt werden. Am 4. Oktober letzten Jahres wurde dafür ein zweistufiger internationaler Wettbewerb ausgerufen. Bauherr ist CJSC Rublyovo-Arkhangelskoye, und das Strelka Institute for Media, Architecture and Design unterstützt das Projekt inhaltlich. Nach der zweiten Etappe hat die international Jury, der unter Anderem Yves Lion und Thomas Krüger angehörten, am vergangenen Dienstag drei Finalisten ausgewählt:
- Team Moscow – Astoc/HPP
- KCAP architects & planners, de Architecten Cie., Buro Happold, Karres en Brands landscape architects, MLAB & Fakton und prospertity project management
- Rezerv + Maxwan
Das 460 Hektar große Areal Rubljowo-Archangelskoje zählt seit einer Eingemeindung vom 1. Juli 2012 zu Moskau. Das Territorium ist von unterschiedlichen Wohngebieten aus Hochhäusern und Villen geprägt und wird ergänzt durch Wald-, Fluss- und Seeflächen. In unmittelbarer Nähe befindet sich das „Moskauer Versailles“ – eine der vielen ehemaligen Residenzen rund um die Stadt.
Dem künftigen Finanzzentrum werden viele Ideale auferlegt. Ziel ist es, eine monofunktionale Bürohochburg wie La Défense zu vermeiden. Für etwa 30.000 Menschen, die hier einmal wohnen werden, und weitere 100.000 Pendler sollen menschliche Bedingungen geschaffen werden: durchdachte Infrastruktur, gute Mobilitätsbedingungen, eine Mischung aus Arbeits- und Erholungsgebieten – oder mit anderen Worten: Büros, Wohnungen, Hotels und soziale Infrastruktur. Was das Gebiet nicht beherbergen soll, ist preisgünstiger Sozialer Wohnungsbaubau, aber es dürften auch keine unerschwinglich elitären
Gated Communities entstehen – eben ein gutes Moskauer Mittelmaß für Mitarbeiter aus dem Finanzsektor, Beamte und hochqualifizierte internationale Arbeitskräfte. Die Experten sind sich jedenfalls einig, dass die sozialen Bedürfnisse künftiger Bewohner und Arbeitskräfte im Vordergrund stehen sollen.
In diesem Sinn haben auch die ausgewählten Architekturbüros entworfen. Für
Astoc/HPP ist die Balance zwischen allen Nutzungen das Wichtigste. Kein starres Hochhausgebilde soll hier entstehen, sondern ein auf jeweilige Anforderungen variabel reagierender Lebens- und Arbeitsraum. Angestrebt ist „ein Mix aus der Vielseitigkeit Manhattans und der Lebensqualität Kopenhagens“.
KCAP fokussieren sich auf die natürlichen Qualitäten des Areals: Der Fluss und die Seeufer seien das Besondere, was den Anziehungspunkt ausmache und worum sich der so genannte „Finanz-Kreml“ konzentrieren solle. Die Grünflächen möchten die Planer zwischen der Bebauung platzieren, um genügend Raum zur Erholung zu bieten.
Auch
Rezerv + Maxwan möchten nichts anderes als ein lebenswertes Finanzzentrum – das erste auf der Welt, so die Architekten. „Business in nature“ bezeichnen sie ihr Projekt, das die landschaftlich attraktive Ausgangssituation am besten nutzen soll. Sie sehen eine Vielfalt an Wohnformen vor – im Sinne der erwarteten Vielfalt der künftigen Nutzer, denn nur so könne man optimal Anreize zur Umsiedlung schaffen. Eine Mischung aus Hochhäusern und niedriger Bebauung, viele Grün- und Erholungsflächen sowie ausreichende Angebote an täglichen Bedarfseinrichtungen sollen den Wünschen der Nutzer nahe kommen.
Eines ist den Finalisten auf jeden Fall gemeinsam: die Abkehr vom Leitbild eines kahlen Geschäftsbezirks, der sich nach Feierabend in eine unbelebte Glas- und Betonwüste verwandelt. Mag sein, dass das Randgebiet der russischen Hauptstadt bald wirklich an neuer Lebensqualität gewinnt. Im Moskauer Stil, versteht sich.
(pg)
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