Der Erfurter Südosten ist durch drei in den 1970er und 80er Jahren in industrieller Bauweise entstandene Großsiedlungen geprägt. Herrenberg, Wiesenhügel und Drosselberg-Buchenberg gruppieren sich um das zwischen ihnen eingezwängte, historisch gewachsene Melchendorf. Alle vier Stadtteile sind durch unwirtliche Verkehrsstraßen und undefinierte Räume voneinander abgetrennt.
Als Teilmaßnahme des Bundesprogramms „Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Städtebauförderung“ lobte die Stadt Erfurt 2022 einen städtebaulich-freiraumplanerischen und verkehrsfunktionalen Wettbewerb für die
Neue Mitte Südost nach RPW 2013 für das Gebiet aus. Das Ziel: ein Konzept zu entwickeln, wie bauliche und sozialräumliche Verbindungen zwischen den introvertierten Quartieren hergestellt werden können, um soziale Konflikte in den bereits umfassend sanierten Siedlungen zu entschärfen.
Im Wettbewerb mit sechs teilnehmenden Büros überzeugte der Entwurf des jungen
Octagon Architekturkollektivs aus Leipzig das Preisgericht. Bewertungskriterien waren neben der räumliche Leitidee und der städtebaulich-freiraumplanerischen, gestalterischen wie verkehrsfunktionalen Qualität auch das Grün- und Freiraumkonzept, Aspekte einer klimaangepassten, wassersensiblen und resilienten Planung, die Modellhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit sowie die Realisierungsfähigkeit in Baustufen. Die Jury unter Vorsitz von
Johannes Ringel vergab zudem zwei weitere Preise und eine Anerkennung. In der Summe betrugen Preisgelder und Bearbeitungshonorare 247.000 Euro netto. Die Platzierungen im Überblick:
- 1. Preis: Octagon Architekturkollektiv (Leipzig) mit impuls°Landschaftsarchitektur Facius . Facius (Jena) und team red Deutschland (Berlin)
- 2. Preis: quaas stadtplaner (Weimar) mit plandrei Landschaftsarchitektur (Erfurt) und yverkehrsplanung (Weimar)
- Anerkennung: Winking Froh Architekten (Berlin) mit arbos Freiraumplanung (Hamburg) und Hoffmann-Leichter Ingenieurgesellschaft (Leipzig)
Das Team um Octagon Architekturkollektiv schlägt vor, den PKW-Verkehr und die Straßenbahnführung neu zu regeln. Die Wohnquartiere werden dezentral erschlossen, die derzeitige Hauptachse Kranichfelder Straße/Haarbergstraße entlastet und verkehrsberuhigt. Individuelles Parken erfolgt in dezentralen Garagen. So sollen neue, verbindende Freiräume als gesellschaftliche Kristallisationspunkte entstehen. Diese Idee hob das Preisgericht als Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerbsfeld hervor.
In Erhalt und Weiterentwicklung von Bausubstanz wie dem ehemaligen Herrenberg Center und dem Kaufland mit Sportplatz entfalte sich der Modellcharakter des Entwurfes, betont die Jury. Zudem wurde lobend erwähnt, dass die einzelnen „gemeinwohlorientierten Bausteine“ als Schwimmhalle, Bürgerhaus, Sporteinrichtungen oder Marktplatz inhaltlich konkret gefasst und quartierübergreifend gesetzt wurden, um der Segregation entgegenzuwirken. Allerdings sei ihre städtebauliche Setzung kontrovers diskutiert worden.
Durch die neu geschaffenen Plätze würde die Vernetzung der einzelnen Bereiche insbesondere für den Fußverkehr deutlich verbessert. Auch Belange des Radverkehrs wurden weitgehend berücksichtigt. Die Jury empfahl jedoch eine sorgfältigere Durcharbeitung der Anordnung und Erschließung der Mobilitätshubs sowie der Gestaltung von Knotenpunkten und Querungsstellen, auch im Hinblick auf ihre Barrierefreiheit.
Die nächsten Schritte sind noch für dieses Jahr geplant. In einem VgV-Verfahren mit vorgeschaltetem Realisierungswettbewerb sollen Brücke und Freianlagen im zentralen Bereich der Neuen Mitte Südost ausgearbeitet und umgesetzt werden. Zudem ist vorgesehen, mittels Verhandlungsverfahren die Verkehrsumplanung der Kranichfelder Straße zu vergeben. (kms)
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Kritiker | 24.04.2023 08:56 UhrEffizienz versus Effizienz
@BAUNETZ:
Da es in der DDR keinen Sozialen Wohnungsbau im eigentlichen Sinne gab, da man die Mieten einfror und daher nicht regulatorisch in den Markt zumindestens finanziell eingreifen musste, gibt es auch keine Großwohnsiedlungen dort. Diese sind nämlich in Westdeutschland eine rechtlich spezifische Form gewewsen welche über den anteil an Sozialen Wohnungsbau definiert ist. Der korrekte Begriff für Sozialistiche Wohnkomplexe in Ostdeutschland ist maximal Großsiedlung.
@Beitrag
Interressant wie das nicht mehr so junge Büro den DDR-Städtebau anerkennt und weiterbenutzt. Kompakte Körper und viel Grünraum statt Bauwirtschaftlichkeitsdichte. Schöner nebeneffekt wenig Versiegelung und wie in der DDR ein optimierte Bauablauf mot vervollkummungscharakter. Auch entsprechen die wurschtelbilder genau den Stil an Bunten-Pokemonfarbenen-Kisten die man in Ostdeutschland üblicherweise baut (auch wenns schrecklich ist).