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28.06.2023

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Buchtipp: Die letzte Zeitenwende

Kunsthal Rotterdam von OMA


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„If Manet’s paintings reflect societal transformations in the Paris of the second half of the nineteenth century, the Kunsthal in Rotterdam by OMA/Rem Koolhaas is a building with similiar qualities.“ Selten findet sich die These so klar im ersten Satz eines Buchs formuliert wie in Tibor Patakys lesenswerter Gebäudemonografie OMAs Kunsthal in Rotterdam. Rem Koolhaas and the New Europe. Auf mehr als vierhundert Seiten zeigt die reichlich bebilderte Publikation, dass das 1992 fertiggestellte Ausstellungshaus nicht nur den politischen Umbruch widerspiegelt, der mit dem Ende des Kalten Krieges einherging; Auch Francis Fukuyamas Verheißung vom „Ende der Geschichte“ und die (bevorstehende) Gründung der Europäischen Union haben nach Einschätzung des Autors in der Architektur Ausdruck gefunden.

Andere Veröffentlichungen aus jüngster Zeit, die das Schaffen Koolhaas' zum Thema haben (so etwa die von Pataky angeführte Publikation Projekt ohne Form von Holger Schurk) gehen von der Überzeugung des Architekten aus, dass das Programm eines Gebäudes mehr Aufmerksamkeit verdiene als seine Form. Pataky widersetzt sich dieser Tendenz. Indem er erklärt, sein Gehör eher der ‚Stimme des Projekts‘ als den Worten seines Schöpfers zu schenken, zieht er Skizzen wie Planungsstände heran. Intensiv setzte er sich dabei auch mit konstruktiven und statischen Fragen auseinander. Das allerdings hält ihn nicht davon ab, Koolhaas’ Essays ebenso wie seine Interviewaussagen zu bemühen, um die Genese des Museums nachzuvollziehen.

Auf diese Weise wird deutlich, dass auch Koolhaas’ Emanzipierung von der Moderne, „employing the terms ‚modern‘ and ‚contemporary‘ as ideological opposites“, in die Entstehungszeit des Rotterdamer Projekts fällt. Als Versuch des Architekten, eine eigenständige Position zu behaupten, erkennt Pataky im Museumsentwurf zudem eine Lossagung vom Dekonstruktivismus. Das mag schon insofern erstaunen, als Koolhaas in der New Yorker Ausstellung Deconstructivist Architecture als Protagonist der Strömung vorgestellt wurde. Nicht minder überraschend aber erscheint, zumindest im Rückblick, Koolhaas’ Distanzierung von der Postmoderne. Als ,vielsagender‘ Bau nämlich zeigt das Projekt die kommunikativen Möglichkeiten auf, die einem Museum abseits bloßer Zweckerfüllung innewohnen.

Somit ruft Patakys Veröffentlichung in Erinnerung, dass Architektur noch vor wenigen Jahrzehnten mehr als die unendliche Geschichte vom ,Lasten und Tragen‘ oder die ewige Litanei von der ,europäischen Stadt‘ bedeuten durfte. Als viergeteilter Ausstellungsbau, der den unterschiedlichen Nachbarschaften die Referenz erweist, mag das Rotterdamer Projekt zwar in dem Wettbewerbsbeitrag, den OMA zum neuen Museum am Berliner Kulturforum einreichte, einen leisen Widerhall finden. Eine Architektur aber, die der Gesellschaft bewusst und vorsätzlich Aufschluss über sich selbst gibt, scheint mehr als drei Dekaden nach der Vollendung der Kunsthalle ziemlich aus der Zeit gefallen. Was keineswegs bedeutet, dass sie nicht auch dem 21. Jahrhundert gut zu Gesicht stünde.

Text: Achim Reese

OMA’s Kunsthal in Rotterdam. Rem Koolhaas and the new Europe
Tibor Pataky
Gestaltung: Bureau Sandra Doeller (
Sandra Doeller, Merle Petsch)
424 Seiten
Park Books, Zürich 2023
ISBN
978-3038603214
48 Euro



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Kommentare

2

Frauke | 29.06.2023 15:31 Uhr

Heutzutage

Mir gehts genau andersrum und ich finde das Gebäude mit jeden Mal besser, das ich es in Rotterdam besuche.

Vor allem der collagenhafte aber souveräne Umgang mit der Materilität und den Bauteilen liefert einen ganz aktuellen Beitrag zur Debatte des zirkulären Bauens auf dem Weg zu einer entsprechenden Ästhetik.

1

Etwas | 29.06.2023 01:07 Uhr

Staubig

Gut, ich gestehe, ich finde OMAs Werk (immer noch) ziemlich interessant. Als Student fand ich das alles RICHTIG klasse.

Aber heute? Als ich dann endlich vor ein paar Jahren das Ding mal wieder besucht habe: vergiss mal für einen Moment den ganzen OMA hype und vertraue den Augen. Sieht schon ein bisschen staubig aus das Teil mit dieser halbgaren 90er Jahre Formensprache....

Die Straßenansicht hat schon was von einem Autohaus irgendwie. Und 400 Seiten + Ende der Geschichte? Also Ende der Postmoderne lasse ich ja noch durchgehen.

OK, die Parkansicht ist immer noch cool – und ja: ziemlich dekonstruktivistisch. :)

 
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