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28.08.2018

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Mechanisches Ballett in Zürich

Kinetisches Mehrfamilienhaus von Manuel Herz


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Ist das Kunst oder kann man darin wohnen? Der extravagante Bau, den Manuel Herz mit seinem in Basel ansässigen Büro im Zürcher Villenstadtteil Seefeld am Ostufer des Zürichsees entworfen hat, ist tatsächlich ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen, auch wenn er auf den ersten Blick wie eine riesige bewegliche Installation anmutet. Der Name des Projekts, Ballet Mechanique, ruft Assoziationen zum gleichnamigen dadaistischen Stummfilm von Fernand Léger wach, als Inspirationsquelle nennt Herz zudem die kinetischen Skulpturen von Jean Tinguely. Auch Auftraggeberin und Standort verweisen direkt auf einen Kunstkontext: Der Neubau befindet sich im wilden Garten des Grundstücks der Künstlerin, Kunstsammlerin und Mäzenin Katrin Bechtler, die in der hier befindlichen Villa aus dem 19. Jahrundert und darum herum ihr „Architektur-Kunstbaustellenprojekt“ Chemicalmoonbaby betreibt.

Sie ist ein großer Fan von Manuel Herz, der unter anderem mit seinem 2010 realisierten Entwurf der Neuen Synagoge in Mainz und als Ko-Kurator des Westsahara-Pavillons bei der Venedig-Biennale 2016 für Aufsehen sorgte. Auf Bechtlers Einladung realisierte er in ihrem Garten ein Haus, dessen fassadenbildende Fensterelemente sich mithilfe eines hydraulischen Mechanismus wie Briefumschläge nach allen vier Seiten öffnen und wieder schließen lassen, sodass sich der Charakter des Gebäudes quasi stündlich ändern kann – je nachdem, wer gerade zuhause ist und die Luken auf oder zu hat. Geld spielte bei diesem aufwendigen Projekt keine Rolle – allein die „tanzende“ Fassade kostete gut 900.000 Euro, wie die New York Times in einem Artikel über den Bau vermeldet.

Das Ganze weist starke Parallelen zu einem anderen architektonischen „Gesamtkunstwerk“ auf, das nur wenige hundert Meter entfernt liegt: das Mitte der 60er Jahre erbaute Heidi Weber Museum – Centre Le Corbusier. Es ist das letzte Gebäude, das Le Corbusier entwarf – im Auftrag der Bauherrin Heidi Weber, auch sie Kunstsammlerin, Galeristin, Mäzenin. 2014 ging das frühere Privatmuseum allerdings in den Besitz der Stadt Zürich über – das 50-jährige Baurecht war abgelaufen. Ab 2019 soll es unter dem neuen, von Heidi Weber angefochtenen Namen Pavillon Le Corbusier vom Museum für Gestaltung bespielt werden.

Le Corbusiers avantgardistischer Bau gleicht mit seinen farbenfrohen kubischen Stahl- und Glaselementen unterm expressiv aufgeständerten Dach einer konstruktivistischen Plastik – eine Formensprache, an die Manuel Herz direkt anknüpft. Auch sein Bauwerk verfügt über eine kubische Form mit einfacher Geometrie, die von der facettenreichen Metall-Fassade kontrastiert wird. Im geschlossenen Zustand schimmert sie in einem edlen Champagnerfarbton, wenn sich die Klappen öffnen, kommen deren kolorierte Innenseiten zum Vorschein, die in zwanzig unterschiedlichen Rot- und Blautönen leuchten. Eine Mischung aus statischen und beweglichen Elementen bis hin zu ausklappbaren Balkonen lässt immer neue Farbkompositionen und Silhouetten entstehen.

Nicht zuletzt sei das Gebäude auch eine Hommage an einen eindrucksvollen alten Baum, der früher an dieser Stelle des Gartens stand und dem Bau weichen musste, so Manuel Herz. Die beweglichen dreieckigen Elemente mit den abgerundeten Ecken könnten als abstrakte Blätter, die sich im Wind bewegen, verstanden werden. Sind sie geöffnet, erweitert sich der Wohnraum in den Garten, die geschlossenen Flügel hingegen bringen Farbe ins Innere – das Fenster als abstrakte Malerei. Wer immer hier auch einzieht, es werden Kunstliebhaber sein. (da)

Fotos: Yuri Palmin


Video:


046_VID_20180820_BM from Manuel Herz on Vimeo.



Zum Thema:

www.chemicalmoonbaby.com


Kommentare

12

maestrowec | 31.08.2018 16:17 Uhr

Streit um Sinn und Unsinn

Es ist wunderbar, dass hier gelegentlich solche Experimente Raum im ansonsten grauen Einerlei des Gebauten zu finden. Wenn sich darüber die Leserschaft erzürnt zeigt das auch, wie eindimensional die gebaute Umwelt heute ist. Es ist wahrscheinlich auch etwas Neid, sich "so etwas"gar nicht zuzutrauen und wohl leider auch die dazu nötige zahlungskräftige Kundschaft nicht zu kennen. Wenn sich dagegen die Bauherrschaft für irrsinnige Beträge eine Garage unter eine alte Villa am Starnberger See buddeln lässt (das gibt es wirklich) sieht man davon nichts, es ist aber vermutlich nicht weniger grotesk als die hier gezeigten kinetischen Manierismen. Man sollte also ruhig viel mehr über Sinn und Unsinn streiten! Tolles Beispiel hierfür!

11

a_C | 31.08.2018 11:33 Uhr

Nee...

Wie es dieser Entwurf ins Baunetz gebracht hat, ist mir nicht begreiflich. Ich verstehe ja, dass man eine möglichst große Bandbreite an Haltungen, Stilen und Herangehensweisen abbilden möchte, aber dieser Quatsch hat mMn keine Daseinsberechtigung hier. Das ist ein modischer Designer-Furz im Winde, der schneller vergessen ist als feuchter Smalltalk auf der letzten Vernissage... Pfui.

10

Lisa Raab | 30.08.2018 03:57 Uhr

Abstraktion und Mut

Gerade beim Wohnungsbau, finde ich es wichtig, dass es solche experimentelle Projekte gibt.
Man muss abstrahieren können.

9

Barbara | 30.08.2018 01:26 Uhr

Super

Der Bau hat eine tolle Fassade, von Innen wie von Aussen. Nach den Fotos zu urteilen, ist das Treppenhaus extrem schön, und die Wohnungen scheinen gut angelegt und vielseitig. Die Materialien wirken sorgfältig ausgewählt und sehr gut ausgeführt. Und wenn man sich das Video anschaut erkennt man auch eine poetische Dimension vom Gebäude.
Was ist denn dann hier "Unsinn"??? (Kommentar 4 und 5) Wenn so ein Gebäude unsinnig ist, dann möchte ich mehr davon, und bitte keine "sinnigen" Gebäude. Davon gibt's viel zu viele.

8

Christoph Wetsch | 29.08.2018 18:09 Uhr

Schön dass es sowas geben darf

Ich persönlich finde es super dass sowas gebaut wird...
Allein die Tatsache dass es noch Bauherren gibt die bereit sind zu experimentieren, gibt etwas Hoffnung. Aus meiner Sicht darf es neben dem minimalistischem Einerlei auch noch etwas verspieltes geben....

Über Sinn und Unsinn, oder gar Geschmack lässt sich ja hervorragend streiten. Wo hört Architektur auf, wo fängt Kunst an? Alte Leier... wen
interessiert es?

Mehr solche Bauherren und Projekte mit Charakter, bitte!

7

Stefan Kreissel | 29.08.2018 16:17 Uhr

Haus_Ballet?

Wenn einem Architekten nichts mehr Sinnvolles einfällt zum Thema Architektur, dann entstehen solche Häuser. Wirklich schön gebauter Unsinn!

6

ixamotto | 29.08.2018 14:28 Uhr

so, so...

Was für ein prätentiöser Unfug.

5

gerhard | 29.08.2018 12:38 Uhr

Sinn

Was soll das sein?
Wo ist die Sinnhaftigkeit?
Wenn kein Sinn, wo ist die Poesie?

Das wirkt doch alles sehr erzwungen.....

4

peter | 29.08.2018 09:09 Uhr

kinetisch

was ist an diesem entwurf jetzt so besonders? jedes haus mit klapp-, schiebe- oder rollläden bzw. mit öffenbaren fenstern und türen ist so gesehen ein kinetisches, ohne dass wir es so nennen würden.

abgesehen von den fensterläden ist das hier ein ganz normales, ordentlich gemachtes schweizer mehrfamilienhaus, und die fensterläden sind eben fensterläden mit antrieb, so what. deren obere und untere flügel sind technisch sicher etwas anspruchsvoller als die seitlichen, aber das war's auch schon. ecken etwas abgerundet, innenflächen farbig gestrichen, und fertig ist ein (zugegeben sehr schöner) effekt!

lediglich das staffelgeschoss hätte es meines erachtens nicht gebraucht, dann wäre die idee noch deutlich klarer herausgekommen.

3

joscic | 28.08.2018 17:09 Uhr

Über-Ambitioniert

Fast beruhigend, daß auch die Schweizer mal so richtig daneben greifen können. Und den Krokodilstränen-Bezug zu dem "eindrucksvollen alten Baum" hätte man sich auch sparen können.

2

Marc Sautter | 28.08.2018 16:39 Uhr

Mechanisches Ballett für Kunstliebhaber?

Wenn die Liebe zur Kunst über das Gehäuse hinausgeht, werden die Kunstliebhaber über den Rembrandt mit Rot- oder Blaustich (je nach Öffnungsgrad der Fensterläden) sicher begeistert sein.

1

zoio | 28.08.2018 16:12 Uhr

o h a

ich weiß gar nicht was ich davon halten soll...ich mag die fassade nicht allzu sehr, aber der effekt ist, von innen betrachtet, doch ein schöner.

 
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Kunstobjekt oder Wohnhaus? Der von Manuel Herz in Zürich entworfene Bau lässt die Grenzen verschwimmen.

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Der Kubus verfügt über eine bewegliche Fassade, deren Fensterelemente hydraulisch geöffnet werden können.

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Wenn die Klappen ausfahren, kommen rote und blaue Farbflächen zum Vorschein.

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