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25.01.2022

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Vielstimmige Kritik

Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude vorläufig gestoppt


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Im Zuge der neuen Klimapolitik beschloss das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Ende November 2021 das Ende der Förderung des Effizienzhaus 55-Standards zum 31. Januar 2022. Mit sofortiger Wirkung zog das BMWK am Montag, 24. Januar 2022 nun für alle Beteiligten völlig unerwartet die Entscheidung um eine Woche vor und stoppte vorläufig mehrere Programme der Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Die Entscheidung führt zu weitreichender Kritik in der Baubranche.

Von Alexander Stumm

Es sei „enttäuschend“ und widerspreche „der Idee von Planungssicherheit, dass eine mit viel Mühe und langem zeitlichen Vorlauf entwickelte Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) mit derartigen Ad-Hoc-Manövern komplett in Frage gestellt wird,“ äußert sich Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer. Der Präsident der Architektenkammer Baden-Württemberg Markus Müller fordert: „Die Politik muss wieder Berechenbarkeit in die Klimaschutzmaßnahmen bringen.“

Was ist die Position des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter Leitung von Grünen-Politiker Robert Habeck? Die neue Bundesregierung reagiere „auf eine klimapolitische Fehlsteuerung der letzten Jahre“, in denen notwendige Anpassungen versäumt worden seien. Die Bundesförderung des EH55-Standards sei nicht mehr zielführend gewesen, weil der Standard sich im Neubau ohnehin durchgesetzt habe. Sechs Milliarden Euro Steuergelder wurden in 2021 laut BMWK „für einen Baustandard zugesagt, der sich längst am Markt durchgesetzt hatte“. Dadurch allein seien rund ein Drittel der insgesamt für die Gebäudeeffizienzförderung verfügbaren Mittel gebunden.

Die Bundesarchitektenkammer bewertete diesen Schritt – wohlgemerkt vor der nun um eine Woche vorgezogenen Entscheidung – als „klimapolitisch überfällig, jedoch mit schlechtem Timing und schlechter Signalwirkung.“ Sie stimmt zu, dass zuvor „mit der Gießkanne gefördert [wurde], was eigentlich längst durch das GEG hätte gefordert werden sollen.“ Auch aus Sicht des Steuerzahlers sei es daher folgerichtig, dass hier nachjustiert werde. Für die von Bundesregierung und EU gesteckten Klimaziele bräuchte es „in der Neubauförderung schnellstmöglich eine Orientierung hin zu anspruchsvolleren Standards.“ Außerdem müsse die Sanierungsrate massiv vorangetrieben, denn hier sei „der Hebel für die Einsparungen von Treibhausgasen besonders wirksam“. Kurzfristig prognostiziert die BAK mit dem Stopp der EH55-Förderung einen Negativ-Effekt für den Klimaschutz.
 
Warum hat man nun aber schon eine Woche vor dem offiziellen Auslaufen des Förderprogramms die Notbremse gezogen und außerdem die Förderung für den EH40-Standard und die energetische Sanierung ausgesetzt? Laut BMWK habe das angekündigte Ende der EH55-Neubauförderung „zu einem ‚Run‘ auf die Förderung geführt“, welche „die im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung für die ‚Bundesförderung effiziente Gebäude‘ der KfW zur Verfügung stehenden Mittel in Höhe von 5 Milliarden Euro bereits jetzt ausgeschöpft“ habe. Allein im Zeitraum November 2021 bis zum 24.01.2022 sind bei der KfW nach eigenen Angaben Anträge in Höhe von über 20 Milliarden Euro Fördervolumen eingegangen.
 
Die Entscheidung des vorläufigen Förderstopps wird gerade auch kleinere und mittlere Architekturbüros, die nach der Entscheidung im November mit Hochdruck auf die Frist zum 31. Januar 2022 hingearbeitet haben, besonders hart treffen. Mit scharfem Protest reagiert Ernst Uhing, Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen: „Für viele unserer Mitglieder hat das unerwartete Förderaus verheerende Auswirkungen: Projekte werden seitens der Bauherren gestoppt, bereits realisierte Planungsleistungen bleiben ungenutzt und vielfach auch unbezahlt.“ Schon 2016 sei es beim Auslaufen der Neubauförderung für das EH 70 zu einem starken Anstieg der Förderanträge gekommen, das BMWK hätte sich für die erwartbaren Vorzieheffekte wappnen müssen. Und der Vorsitzende des Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure Hessen Andreas Ostermann kritisiert, dass ein solches Vorgehen in der Branche „maximales Kopfschütteln“ auslöse und man „bauwillige Familien, alle die professionell in Wohnungsbau investieren und letztendlich auch die, die händeringend nach Wohnungen suchen, im Regen stehen“ lasse.
 
Der Wohnungsbau dürfte kurzfristig jedenfalls erst einmal rückläufig sein. Wie damit die schon von der Vorgängerregierung nicht eingehaltene, im Koalitionsvertrag der neuen Regierung aber noch einmal hochgeschraubte Zielmarke von 400.000 neu zu schaffenden Wohneinheiten pro Jahr erreicht werden soll, bleibt unklar.


Kommentare

11

Komische Freuden-Reflexe sind hier zu lesen. | 31.01.2022 14:05 Uhr

Erst einmal bedeutet dieses Aus auch das Aus ...

... von vielen guten Projekten.

Ist es von einer ambitionierten Regierung wirklich zu viel verlangt, so ein "Aus" zu steuern oder wenigstens einzubetten in klare Aussagen?

Es ist nicht der Stopp der diesartigen Förderungen, der empört, sondern das ungeheuerliche unprofessionnelle und kontroproduktive Wie.

Diese feine Unterschied ist eigentlich nicht schwer zu verstehen.

10

Ehlers D. | 28.01.2022 11:44 Uhr

BRAVO!

dieses AUS könnte der Beginn von etwas großartigen NEUEN sein!

9

M. | 27.01.2022 09:27 Uhr

Förderprogramm 417

Ein bereits völlig überhitztes System nicht noch weiter zu befeuern ist zunächst mal richtig.

Mein GU hat mir klar gesagt, dass er die Förderung 1:1 auf seinen Angebotspreis drauf packt.
Nachhaltigkeit: 0
Denn die Förderung meines Hauses wurde nicht durch Programme definiert, sondern durch geforderte Parkplätze.

Und die PV speist nur mit 70% ein. Aber deutsche Netzbetreiber und Autos können weder praktikablen Mieterstrom noch V2H.
Dafür hat der Internetanschluss ein 3/4 Jahr länger gedauert. Ansprechpartner gab es in der Telefonhotline ganz viele, also niemanden.

Wenn ich ein Auto gebaut hätte, könnte ich schon jetzt 0 gr CO2/km hinschreiben.
Aber das ist vermutlich ein anderes Ressort.

Ich will Lösungen. Jetzt.
Oder zumindest so schnell, wie der Tscheche neulich auf der A2.


8

Kollegin | 27.01.2022 01:23 Uhr

was war da los herr habek?

ich habe selten erlebt, dass eine entscheidung von solcher enormer tragweite so abrupt und ohne ankündigung erfolgt ist.

nicht nur ohne ankündigung. auch ohne mitteilung darüber wie es weitergeht.

ist das politik?

ich habe große hoffnungen auf die neue bundesregierung und insbesonder auch auf sie gesetzt. natürlich hoffe ich weiter, aber die enttäuschung hätte kaum größer ausfallen können.

wenn wir in unserem beruf so dilletantisch zu werke gingen, wir hätten morgen eine klage am hals ...

7

Hoffen statt Fördern? | 26.01.2022 14:52 Uhr

@ Karl

Dass Nichtbauen am nachhaltigsten sei, ist so klar wie Nichtfahren die sicherste Art der Fortbewegung darstellt.
Hilfreich ist die Feststellung gleichwohl nicht,
weil unglückseligerweise nicht jede Krankenschwester von Kliniken in überfüllten Metropolregionen Ihren Job online aus entvölkerten Zonen Mecklenburg-Vorpommerns heraus betreiben kann und mittlerweile unstrittig sein sollte, dass Pendeln auch noch nie nachhaltig und - ohne steuerrechtliche Subventionierung - auch noch nie wirtschaftlich war.

Womit wir bei "wirtschaftlich" wären:

Dass sich wirtschaftliches Bauen durchsetzt, kann man im Markt durchaus erkennen.
Wer sich aber mit dem im Bau Befindlichen beschäftigt, wird feststellen, dass Wirtschaftlichkeit nur sehr bedingt mit Nachhaltigkeit zu tun hat!?
Weil Umweltschäden noch nicht angemessen mit Preisschildern versehen sind bzw. weitestgehend sozialisiert werden und Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der am Bau Beteiligten (daher) diese auf die Allgemeinheit umgelegten Zusatzkosten schlicht nicht berücksichtigen (können).
Genau da kann - solange eine Abbildung der realen Kosten hinsichtlich der Umweltschäden im Markt nicht erfolgt - Aufgabe und Chance von Förderstrukturen liegen!
"Der Markt" richtet die Dinge eben nur im Rahmen der Marktgesetze.
Solange diese nur bzw. zu weit durch Partikularinteressen bestimmter Marktteilnehmer geprägt sind, braucht es weiter reichende Regulative!
Über deren Ausgestaltung lässt sich nun natürlich streiten.
Aber der Verordnungsgeber sollte doch bitte soviel Vertrauensschutz gewähren, dass Diejenigen, die sich im Rahmen geltender Bestimmungen mit Dienstleistungen auf deren Grundlage beschäftigen, nicht für eine unzureichende Anpassung der Förderlandschaft in Haftung genommen werden, trifft es doch nicht nur im Einzelfall gerade solche Marktteilnehmer, die zumindest an Nachhaltigkeit interessiert sind und insbesondere in diesem Fall vermutlich nicht einmal glücklich über deren bisherige Ausgestaltung gewesen sein mögen!

6

Umbauen statt bauen | 26.01.2022 10:32 Uhr

Umbauen statt bauen

Die Frage ist doch - bei wem wären die Förderungen gelandet? Und waren sie denn wirklich so "hilfreich"? Oder saßen bei der Antrgasschreibung nicht doch zich Berater*innen dazwischen und kassierten 10% der Förderungen ein? Gut das es gestoppt wurde, so kann neu ausgerichtet werden und der Bürokratische Prozess auch erneuert werden um die Zugänglichkeiten/Transparenz/Einfachheit der Anträge in zukunft zu gewährleisten.

Die Architekt*innen, Bauherr*innen und Projektentwickler*innen der Zeit sollten sich auf Umbau konzentrieren, statt weiter irgendwelche greenwashed Stahlbeton-Klötze in die Welt zu setzen um den historischen CO2 pro/kopf Wert der Deutschen immer weiter zu steigern.

400.000 neue Wohnungen heißt nicht, dass alle neugebaut werden müssen. Die Bundesregierung setzt sich hoffentlich schnell genug mit der KfW zusammen um tatsächlich nachhaltige Architektur zu fördern. Kreislaufgerecht - Umbau statt Neubau.

5

Karl | 26.01.2022 10:25 Uhr

Förderstruktur

ich bin 100% für die Betrachtung von Lebenszykluskosten und den Blick auf Bau- UND Betriebskosten. Eine Förderstruktur braucht man dafür nicht. Was wirtschaftlich ist, setzt sich durch.
Die KFW als verlängerte Banknoten- Druckerpresse erledigt sich selbst. Siehe die panische Kurzschlussreaktion.
Die Bauherren und die Architekten müssen zu Erkenntnissen über Wirtschaftlichkeit kommen, statt den Förder- Konditionen hinterher zu rennen.
Und manchmal ist Nichtbauen am nachhaltigsten.

4

Hans- Jacob Heidenreich | 25.01.2022 22:26 Uhr

Geliefert wie gewählt

Eine weitere Schlechtleistung dieser Regierung. Die Wähler bekommen, was sie qua Wahl bestellt haben.

3

maestrow | 25.01.2022 15:57 Uhr

Das kfw-Klagelied

Die Klage ist das Gebet des Kaufmanns so das bonmot.
Sind nun alle Architekt/innen Kaufleute geworden? Den Irrwitz einen nicht ausreichenden energetischen Minimalstandard großzügig aus Steuermitteln fördern zu lassen haben ja auch alle fleißig mitgemacht.

2

Architekt | 25.01.2022 15:53 Uhr

Verlässlichkeit


So sieht Ampel-Verlässlichkeit aus.

1

Unprofessioneller geht es kaum | 25.01.2022 15:52 Uhr

... auch wenn die Intention richtig ist.

Die Art des Bauens muss sich ändern hin zu einem zirkulären Verständnis von Stoff- und Energiekreisläufen. Diese Bauwende auch über KFW-Förderprogramme zu steuern, kann ein sinnvoller Weg sein. Unsere Kritik zielt aber auf die Art der Umsetzung und das Vakuum von politischen und ökonomischen Ramenbedingungen, das durch diese überstürzte Ankündigung von einem Tag auf den anderen entstanden ist. Viele Projekte, die andernfalls vor dem Aus stünden, werden nun auf bauliche Mindest-standards zurückgestutzt werden - ein logischer ökonomischer Reflex, der auftritt, sobald auf der Seite der Finanzierung Lücken entstehen. Diese Entwicklung kann nicht gewollt sein. Sie läuft den von der Bundesregierung proklammierten Zielen nach Nachhaltigkeit eklatant entgegen.

Als planende ArchitektInnen stellen wir fest:

- Wir brauchen eine zuverlässige Förderstruktur.
- Ein Förderungsstopp - ohne Ankündigung konkreter Termine und Modalitäten der neuen Förderungen - führt zum Planungsstopp unzähliger Wohnungsbau-Projekte in Deutschland und zu Kostensteigerungen durch Planungs- und Bauverzug.
- Bürokratische Hürden bei den neuen Förderungen müssen für nachhaltiges Bauen reduziert werden. Es muss eine "Beweisumkehr" eingeführt werden. Nicht-Nachhaltige Baustoffe müssen nachweisen, dass sie verwendet werden dürfen, nicht umgekehrt. Die übliche Praxis, Nachhaltigkeit über die Beantragung eines Nachhaltigkeits-Siegels nachzuweisen ist ein sehr teurer und aufwändiger Verwaltungsprozess und führt in der Regel nicht zu nachhaltigeren Bauten, sondern bewertet nur das ohnehin Geplante und führt es über geringfügige Änderungen einer Nachhaltigkeitsklasse zu. Diese Praxis ist abzustellen.

 
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Zentrale der KfW in Frankfurt am Main, Foto: KfW-Bildarchiv / Rüdiger Nehmzow

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