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01.01.1996

Beton, ein Baustoff wird Schlagwort

Bücher im Baunetz


Positivistisch-akribische Nachzeichnung
Womit sich mittlerweile akademische Grade erwerben lassen, versetzt bisweilen doch in Erstaunen. Der Imagewandel des Betons seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute von einem in der Wiederaufbauphase positiv wahrgenommenen, im Zuge wachsenden Umweltbewußtseins und zunehmender „Sozialkritik“ verteufelten Baustoff sowie seine Verwendung als Schlagwort, werden positivistisch-akribisch nachgezeichnet, unter reichlicher Zitat-Zuhilfenahme einschlägiger Literatur. Garniert wird das Ganze mit vielerlei theoretischen Versatzstücken, etwa der Frankfurter Schule, die mittlerweile für alles und jedes herhalten muß. Es ist ja wirklich ideal, daß auch Adorno in seiner Kulturkritik auf den Beton eingeht, das schmückt. Gelangt die Autorin wirklich einmal zu eigenen Schlüssen, traut sie berechtigterweise sich selber nicht und flüchtet in Unsicherheitsfloskeln wie „schien“, „erweckt den Eindruck“ oder in völlig absurde Kausalitätsbegründungen. Ganz zu schweigen von Aussagen in wirklich architektonischen Fragen, die nur um Haaresbreite am sachlich Falschen vorbeischliddern – Thema Spannbeton. Dafür wird der Leser mit dem Anti-Beton-Graffiti samt Namensnennung der Urheberin entschädigt, der die öffentliche Damentoilette des Rathauses Witzenhausen ziert.

Zwanghaft aufgeblasen
Manches ist von unfreiwilliger Komik. Wird das Marburger Klinikum als „ein offiziell für die menschliche Gesundheit errichtetes Gebäude“ (41) bezeichnet, stellt sich die Frage, was in Wahrheit hinter seinen (Beton?-)Mauern abläuft, Menschenversuche irgendwelcher Scharlatane, die sich als Ärzte tarnen? Überhaupt nicht komisch ist die Bebilderung, sondern schlichtweg eine Zumutung. Zum einen wegen ihres Umfangs in Relation zum Text, ohne sie (und die Anmerkungen und das Literaturverzeichnis) würde der Titel so zusammenschnurren, daß eine Veröffentlichung des auch jetzt nicht gerade voluminösen Buches überhaupt nicht mehr gerechtfertigt wäre. Zum anderen wegen ihrer Auswahl und Legenden, wobei natürlich angeführt werden kann, daß unter dem Zwang des Aufblasens keine andere Möglichkeit bleibt.

Aber ist es wirklich notwendig, auf acht Seiten die Plakate einer Werbekampagne des Informationszentrums Beton zu dokumentieren mit Unterschriften, die nur den Text der Abbildungen wiederholen? Dieser Vorwurf ist an den Verlag zu richten, von ihm war man bisher Besseres gewohnt. Angesichts der gerade jüngst durch einige profunde und weitreichende Arbeiten in Gang gekommenen Diskussion um Materialgerechtigkeit und Materialikonologie sowie einzelne Materialien hätte man sich gewünscht, hier in bezug auf Beton etwas Gleichrangiges vorzufinden. Die Aufgabe bleibt weiterbestehen.
(Axel Haase)

Kathrin Bonacker
88 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
Jonas Verlag, Marburg 1996


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