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30.01.2012

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Peter Bialobrzeski: The Raw and the Cooked

Bücher im BauNetz


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Außen gar gebraten, innen roh-rosa bis blutig – so schaut ein perfektes Steak aus. Dass sich der Aufbau aufstrebender Metropolen Asiens genau umgekehrt zu einer gebratenen (Rib-Eye-)Fleischscheibe verhält, zeigt Peter Bialobrzeskis Bildband „The Raw and the Cooked“. Bewaffnet mit seiner Kamera hat sich der Bremer Fotograf und Hochschullehrer vom Strand vor Manila bis in die Hochhaussiedlungen Singapurs gekämpft – und von den wuchernden Peripherien bis in die geordnet, strukturierten Kerne der Megacities. Den Titel seines Buches hat Bialobrzeski einem Werk Claude Lévi-Strauss‘ entliehen. In „Le cru et le cuit“ (Das Rohe und das Gekochte) beschrieb der Anthropologe den Übergang von der Natur zur Kultur anhand der Entwicklung von roher zu gekochter Nahrung. Auf die Städte übertragen heißt das wohl, sie sind roh und unkultiviert in den Outskirts und zivilisiert in der Hochhauslandschaft – innen durch, außen blutig. Aber stimmt das so wirklich?

Von außen nach innen jedenfalls arbeitet sich Bialobrzeski in seinen Bildern Schicht für Schicht durch das Metropolen-Gewebe. Er ist seit Jahren Experte auf dem Gebiet der asiatischen Megastädte. Bereits in den späten 80ern bereiste er Asien als Fotojournalist. „The Raw and the Cooked“ ist bereits sein neunter Bildband, den er im Hatje Cantz-Verlag veröffentlicht. Erst kürzlich zeichnete die Deutschen Gesellschaft für Photographie (DGPh) den Fotografen mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis aus.

In seinem neuesten Fotobuch findet sich der Betrachter zunächst in einem Bretterbuden-Wirrwarr entlang stillgelegter Bahngleise wieder. Einige Seiten weiter blickt er auf das Treiben von Straßenverkäufern und Rikschafahrern. Bald schweift die Kamera über die Dächer des flach gewachsenen Wohndickichts einer gläsernen Hochhauslandschaft entgegen. Das hat Methode: Je weiter man blättert, desto rythmisierter, höher und heller erscheinen die Architekturen.
Bialobrzeski arbeitet mit Langzeitaufnahmen. Die vom Slum bis ins Finanzzentrum kontinuierlich zunehmenden elektrischen Lichtquellen beleuchten ihre urbanen Umgebung schließlich in einem Licht, dass so künstlich wirkt wie die Beleuchtung in einer H&M-Umkleide.

Ein weiterer Effekt der verzögerten Aufnahmetechnik: Menschen sind größtenteils bewegungsunscharf aufgenommen, Autos und Mopeds erscheinen als rot oder weiß-gelblich leuchtender Lichtschweif. Das verleiht den Bildern Dynamik. Gleichzeitig ist es, als würde Zeit für einen kurzen Moment eingefroren.
Die gebaute Umgebung der geisterhaft verschwommenen Personen erscheint hingegen gestochen scharf. Und es gibt viel zu entdecken – das Buch ist ein „Wimmelbuch“ für erwachsene Stadt- und Architekturfans. Das gezeigte bauliche Repertoire von Bangkok bis Singapur, Shanghai bis Jakarta reicht von vernacular bis hightech. Die rund 130 Abbildungen stammen aus 14 verschiedenen Städten.
Manchmal fällt es schwer, sich in dem Band zu orientieren. Trotz der Vielfalt sieht es überall gleich aus. Oft ist nicht klar, ob die Straßenszene im Wellblechviertel von Kuala Lumpur oder Hanoi eingefangen wurde. Dazu trägt Bialobrzeski selbst bei – die großen Querformate sind weder mit Aufnahmeort, noch mit Entstehungsdatum versehen. Diese Angaben finden sich versteckt auf einer der letzten Buchseiten.

Eintönigkeit und Maßlosigkeit einer zügellosen asiatischen Stadtentwicklung geißelt daran anknüpfend der Autor Peter Lindhorst, der die Arbeit des Fotokünstlers einleitet. Er kann dem Prozess der Stadt-Transformationen vom „Rohen“ ins „Gare“ wenig Positives abgewinnen. Er sieht nur „die rigide städtebauliche Erschließung eines ehemals rural geprägten Lebensraumes, die unerbittliche Zerstörung eines kulturellen Erbes zugunsten eines rigorosen Ausbaus der Infrastrukturen einer Megacity“.
So einfach ist es dann doch nicht. Denn Bialobrzeksis Stadtporträts sind zwar verstörend und für Verfechter des europäischen Stadtgedankens nur schwer verdaulich. Aber sie sind eben auch faszinierend schön.
(Luise Rellensmann)

Peter Bialobrzeski: The Raw and the Cooked
Texte von Peter Bialobrzeski, Peter Lindhorst,
Gestaltung von Peter Bialobrzeski, Indra Kupferschmid
Hatje Cantz, 2011
Deutsch/Englisch
160 Seiten, 128 farbige Abbildungen
68 Euro

www.hatjecantz.de


 
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