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19.02.2010

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Architektur und Eskapismus

Berlinale-Keynotes mit Foster und Prix


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Um nichts Geringeres als die „Zukunft des bzw. der Kinos“ sollte es am vergangenen Sonntag in der Neuen Nationalgalerie in Berlin gehen: „The Future of Cinema(s)“ war der verheißungsvolle Titel der diesjährige Berlinale-Keynotes, der scharenweise Architektur- und Kino-affine Zuhörer in Mies van der Rohes Halle gelockt hatte (BauNetz-Meldung zur Ankündigung). Der Andrang lag sicher auch an den geladenen Gästen, allen voran Norman Foster, der zunächst einen mit persönlichen Erinnerungen angereicherten professionellen Überblick über die gegenseitige Befruchtung von Film und Architektur lieferte. In seinem retrospektiven Vortrag „The Cinema – Back to the Future?“ ging er sowohl auf die frühere soziale Funktion des Kinobesuchs sowie die städtebauliche des Kinos als einem „außerordentlichen Gebäude in einer gewöhnlichen Umgebung“ ein. Wichtig war ihm beim Ritual des Kinobesuchs nicht nur die persönliche Begrüßung des Kinobesitzers sondern vor allem die Pause während der Vorstellung, die Gelegenheit zu Austausch und Reflexion über den Film gab.

Und einem Überblick über spektakuläre Vorführungsstätten aus der Vergangenheit stellte er die nüchterne Realität zeitgenössischer Multiplexe und ihrer „Kistenarchitektur“ gegenüber, die den Schluss nahe legte, dass das Kino als Ort von Kultur, Austausch und Repräsentation vom Untergang bedroht sei. Foster machte dann aber doch noch Orte ausfindig, an denen Kinokultur lebendig ist: Einerseits zitierte er Familienausflüge zu dörflichen Kinos in der Schweiz, in denen er eine ähnlich persönliche Atmosphäre erlebt hatte wie in seiner Kindheit, andererseits verwies er auf die große Bedeutung des Kinos im asiatischen und indischen Raum. Die cinematografische Entwicklung stellte er dabei in Analogie zur Verbreitung der Eisenbahn, die ihn mindestens genauso fasziniert und die im indo-asiatischen Raum derzeit eine ähnliche Renaissance - inklusive technischer Weiterentwicklung - erlebt wie das Kino.

Kein Wunder also, dass eines der größten Kinozentren weltweit für Busan geplant ist. „Wolf Dr. Prix“, wie Dieter Kosslick ihn vorstellte, zeigte seine filmisch animierten Pläne für ein Festivalzentrum in der südkoreanischen Metropole, das vor allem Venedig in den Schatten stellen soll. Doch auch für den Westen greift Prix in die Zauberkiste: Für den Disneykonzern hat er eine neue Architektur geplant, ein „New Tomorrowland“. Offenbar trifft er damit den Geschmack der Filmproduzenten haargenau: Die dramatisch untermalte Visualisierung seines fantastisch-futuristischen Komplexes wollten die Disney-Leute zehn mal hintereinander anschauen.

Aus einer ganz anderen, nämlich äußerst realen Welt kommt dagegen der frühere französische Filmemacher Marin Karmitz, der mit den von ihm initiierten MK2-Kinos in Pariser Problembezirken kleine kulturelle Zentren schafft, in denen nicht nur Filme in Originalversion gezeigt werden, sondern auch Vorträge stattfinden, Bücher und DVDs verkauft werden, Ausstellungen gezeigt, Musik gemacht und Kaffee getrunken wird. Fünf Millionen Menschen erreicht er damit in seinen zehn Kinos. Glaubt man der ebenfalls geladenen Trendforscherin Li Edelkoort, dann liegt Karmitz mit seinen lokal orientierten Kinos genau richtig, denn die Holländerin sieht das Ende der Individualisierung gekommen und spricht von einer allgegenwärtigen Sehnsucht nach Gemeinschaft und gemeinschaftlichen Erlebnissen. Und auch Norman Foster ist zuversichtlich –und äußerst kreativ -, was das Filme schauen angeht: „Wer weiß,“ sagt er, „vielleicht gibt es ja demnächst Leinwände auf Flughäfen, um die Wartezeiten zu überbrücken? Dafür könnten die Regisseure doch neue Kurzfilmformate entwickeln...“ Dejan Sudjic, bereits wieder auf dem Weg zum Flieger, hat das leider nicht mehr gehört. Aber vielleicht wird das Brainstorming ja im nächsten Jahr fortgesetzt.

Cordula Vielhauer


Zum Thema:

Die Architekturgalerie Aedes am Pfefferberg veranstaltet gemeinsam mit der Fachhochschule Wien einen Workshop mit dem Titel „Berlin Motion“, der sich mit dem Thema Film und Architektur bzw. bewegte Medien und Architektur auseinander setzt. Die Ergebnisse des Workshop werden am 20. Februar ab 14 Uhr präsentiert: Aedes Network Campus, Pfefferberg, Christinenstraße 18-19, Berlin www.ancb.de
Außerdem:
BAUNETZWOCHE#86 „Learning from Superman“: Filmarchitektur als (letztes) Biotop architektonischer Utopien?
BAUNETZWOCHE#98 „Der Ort im Film, Stadt als Kulisse

BAUNETZWOCHE#114 „Architekten im Film“


Kommentare

4

Ex-Fosterianer | 21.02.2010 11:14 Uhr

normaloman

Norman Foster hat doch - und hatte auch vor einem Jahr - betriebswirtschaftlich gar nichts mehr mit dem Büro fosterandpartners zu tun. Er ist/war lediglich Repräsentationsfigur und Zugpferd eines längst in einem reinen Wirtschaftsbetrieb aufgegangenen Unternehmens.

3

kevin | 20.02.2010 20:21 Uhr

journalisten & architekten

Foster + Partners gehört zu einem Grossteil einem arabischen Investor und von daher muss man natürlich den Einfluss von Foster selber in Frage stellen, was die Schließung des Berliner Bueros angeht. Es geht hier auch um die architektonischen Leistungen von Norman Foster die selbstverständlich ausserordentlich sind und an diese kein einziger lebender deutscher Architekt kommt. Dass der Architekt des Reichstages, ein Erfolgsprojekt ersten Ranges von der Presse dokumentiert wird, ist ja wohl ganz normal.
Die Journalisten können sich ja nicht der leidenden deutschen Architektenschaft widmen, vor allem weil die Probleme doch hausgemacht sind.
Die Schließung dieses Büros wäre doch Bedeutungslos wenn es in Deutschland für junge Architekten menschenwürdige Bedingungen und Perspektiven gäbe. Was in Berlin an ausländische Architekten vergeben worden ist ist Wahnsinn wenn man sieht das KEIN deutscher Architekt auch nur ein Projekt in London realisiert hat. ( In 6 Jahren Bauboom ) Dafür kann Norman Foster allerdings nichts.
@ fosterized : was wer hat sich in Berlin weiterentwickelt ?? Soweit ich das sehe entwickelt sich in Berlin nur eins: der Leerstand

2

norman | 20.02.2010 11:09 Uhr

foterized

ja, man erinnert sich - die presse scheinbar nicht, die der aktion im vergangenen jahr allerdings viel beachtung schenkte.
kleine korrektur: es waren weniger als 100 (zumindest in berlin) und die meissten dieser 75 personen haben sich im letzten jahr durchaus weiterentwicklen können. man kann es im nachhinein auch positiv sehen.

1

fritz | 19.02.2010 22:18 Uhr

norman-superstar

vor gut einem jahr hat herr foster seine depandance in berlin geschlossen, und ohne weiteres seine mitarbeiter (ueber 100) auf die strasse gesetzt, welche zuvor in seinem namen einige der prestige-reichsten projekte in deutschland fuer ihn entworfen und verwirklicht haben (wohl gemerkt: ohne sein zu-tuen...).
nun kommt herr foster zurueck und zelebriert sich selbst an dem ort, seines tiefpunkts seiner karriere, und die presse erwartet ihn mit offenen objektiven?! das muss ein witz sein? oder bin ich der einzige, der sich an dieses debakel erinnert...
"how much weights your guilt, Mr. Foster?"

 
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