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07.10.2022

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Leben in der Ziehharmonika

Baugruppenhaus in Berlin von June14


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Auf den ersten Blick sieht der Neubau ein bisschen aus wie eine Ziehharmonika: Als habe da jemand einer typischen Berliner Mietskaserne die Putzfassade abgezogen und das Eckhaus dann von beiden Seiten ein klein wenig zusammengedrückt, um eine Melodie zu erzeugen. Es handelt sich um das Baugruppenhaus Kufu, entworfen von June14 Meyer-Grohbrügge & Chermayeff (Berlin), mit 20 Wohnungen, drei Gewerbeeinheiten und einem Atelier – wobei sich hier bereits die ersten Fragen stellen. Denn wo verläuft hier eigentlich noch eine Grenze zwischen Wohnung, Geschäft und Atelier?

Johanna Meyer-Grohbrügge und Sam Chermayeff beschreiben ihren Entwurf als sechs Türme, deren Fassaden im Wechsel parallel zu den beiden im stumpfen Winkel aufeinander treffenden Straßen ausgerichtet sind. So entstehen zwischen den Baukörpern Überlappungen, die sich „wie Finger ineinander verschränken“. Die Wohnungen sind höchst unterschiedlich in der Zahl ihrer Quadratmeter, aber jede Einheit verfügt über einen zweigeschossigen Raum, der sich jeweils sowohl zur Straße als auch zum Hof öffnet. Nur die Badezimmer haben feste Innenwände. Um den zentralen Raum gruppieren sich unterschiedlich viele eingeschossige, offene Räume. Es gibt keine Flure – Zonen mit mehr oder weniger Privatsphäre ergeben sich in den Wohnungen alleine durch Ecken, Ebenen und Sichtlinien.

Dadurch gibt es auch keine klaren Grenzen zwischen den Wohneinheiten, der Wohnraum sei grundsätzlich „ein Kontinuum“, so Meyer-Grohbrügge und Chermayeff: „Jeder Raum ist mit mehreren anderen verbunden, sodass die Bewohner wählen können, wann, was und mit wem sie ihr Leben teilen.“ Denn die Räume um die Haupträume herum könnten immer neu zwischen den Wohnungen verhandelt werden oder gemeinsam genutzt werden, als Gästezimmer, Heimkino, Musikzimmer oder auch als Küche. So habe das gesamte Haus das Potenzial für eine kontinuierliche Verhandlung über die Räume und Wohngrundrisse, was die Bewohner*innen „herausfordert, den Raum auf neue und unterschiedliche Weise zu nutzen.“

Die Planungen der Leistungsphasen 5 bis 9 lag in den Händen von schäferwenningerprojekt (Berlin). Die Wohnungen wurden im Frühjahr 2022 bezogen, wir hatten über das Projekt (und die benachbarte Baugruppe von Bolles+Wilson) bereits im August 2020 berichtet. (fh)

Fotos: Laurian Ghinitoiu


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Kommentare

23

KuMiKö | 12.10.2022 15:48 Uhr

@21

Sie haben recht, das hätte mir bei sorgfältiger durchsicht de3 Fotos auch auffallen können. Dennoch glaube ich, dass das Haus trotzdem funktionieren kann, da die Hofbebauung recht eng ist, und die direkte Einstrahlung sich so in Grenzen halten sollte.

22

Jan | 12.10.2022 12:31 Uhr

Nachhaltigkeit

Es wundet mich, dass unsere Zunft das Thema Nachhaltigkeit so engstirnig definiert.
Nachhaltig ist doch vor allem eine Architektur, die nicht mit einem Lebenszyklus von 50 Jahren rechnet. Wenn ein Gebäude 200 Jahre stehen bleibt und genutz wird muss es doch nicht mit den aller klimafreundlichsten Materialien hergestellt sein. Es hat dennoch eine bessere Klimabilanz als eine Holzkiste, die ständig gewartet und nach 50 Jahren abgerissen und neu gebaut wird.
Es ist ein sehr starkes Projekt, was edgy ist und die Stadt bereichert.

Allerdings frage ich mich, wie man heutzutage ein Wohngebäude ohne private Außenräume entwerfen kann. Da würde mir als Bewohner ein großer Teil an Wohnqualität abgehen.

21

a_C | 12.10.2022 11:16 Uhr

Schöneberger Glashaus...

Wenn mich der Kompass von Google Maps nicht täuscht, sind die vollverglasten Bereiche nicht nur zur Straße hin nach Norden bzw. Nordosten ausgerichtet, sondern auch nach Süden bzw. Südwesten zum Hof hin.

Und der Hof ist hier weit geöffnet und bekommt jede Menge Sonne, wie man nicht zuletzt im Luftbild, sondern auch auf Google Maps gut erkennen kann (am besten mal das Satellitenbild bzw. die 3D-Ansicht aktivieren).

Kurz: Das Gebäude bekommt von allen Seiten (bis auf die der Brandwände) einen Wärmeeintrag, der dadurch definitiv heftig und im Sommer zu viel sein wird.

20

Neid | 11.10.2022 23:13 Uhr

@50667

Sie haben noch den Begriff "Neid'' vergessen. Dieser würde sich doch wunderbar in die Reihe Ihrer "Argumente" Reihen.

Dass Sie beim "dass" das zweite s vergessen haben sei mir als Spießer auch noch zu erwähnen geggönnt.

Grüße gehen auch raus an Christian, der Ihnen nahestehen dürfte.

19

claus | 11.10.2022 17:05 Uhr

zwei seelen wohnen, ach, in meiner brust

ich weiß nicht, ich kann mich nicht richtig entscheiden.

einerseits:
mir geht der gesätigte exhibitionismus der manufactum-bourgeoisie unheimlich auf den keks und die marketingprosa, die dieses projekt auch abseits des baunetzes umwabert, ist wirklich zum davon laufen. bei all dem räumliche kontinuum und die in einander übergehenden wohnbereiche beschleicht einem doch das gefühl, dass sich hier einige leute zusammengefunden haben, die doch erheblich gleicher sind als alle anderen. und wer nicht mit macht ist halt selber schuld...

andererseits:
aber sei's drum! spannendes haus, sowas wird doch nur alle jubeljahre gebaut und ist daher zu begrüßen! Solche experimente braucht das bauen, besonders auch im bereich des wohnens. berlin hat wirklich zu genüge neoklassizistischen investorenunsinn in A-lage. daher sollten wir dieses haus auf jeden fall begrüßen.

18

KuMiKö | 11.10.2022 16:09 Uhr

Ausrichtung vs. Wärmeeintrag

Wenn mich der Kompass von Google Maps nicht täuscht, sind die vollverglasten Bereiche zur Straße hin noch Norden bzw. Nordosten ausgerichtet. Der Wäremeintrag dürfte von der Seite aus nicht ganz so schlimm ausfallen

17

tomski | 10.10.2022 18:51 Uhr

Ziehharmonika?

Sehr gut. Wenn der Berliner Volksmund noch in irgendeiner Ecke meiner Lieblingsstadt lebt, dann würde er das schräge Ding Quetschkommode nennen! Und ins Herz schließen, wie all das andere schräge, ruppige um ihn herum auch. Passt.

16

a_C | 10.10.2022 15:46 Uhr

Schöneberger Zuckerwürfel

Sieht ganz cool aus, so gläsern und locker an der Ecke. Und es ist in vielen Bereichen auch kompetent durchgearbeitet - die Grundrisse sind wirklich gut. Aber natürlich muss sich das Gebäude die fehlende 'bauklimatische Intelligenz' vorwerfen lassen - gegen den Wärmeeintrag werden die vielen massiven Bauteile (und ggf. Bauteilaktivierung) auch nicht helfen.

Ob man so wohnen will und es auch dauerhaft so funktionieren wird, sei den Betroffenen selbst überlassen. Das Gebäude ist jedenfalls eine Bereicherung für das Quartier, auch wenn es etwas arrogant daherkommt. Nicht alles kann, muss und will jedem gefallen...

15

Werker | 10.10.2022 13:13 Uhr

@Kehrmaschinenfahrer

Fahrradstellplätze sind im Grundriss EG dargestellt, für Autos gibt es in Berlin seit dem Potsdamer Platz keien Anforderung.

14

M. | 10.10.2022 12:30 Uhr

ach...

können wir uns nicht lieber wieder über Berlins Mitte und die dortigen weltstädtischen Skandale streiten.

13

Kehrmaschinenfahrer | 10.10.2022 12:08 Uhr

Stellplätze

Kann mich mal jemand erhellen, wie hier die Frage der notwendigen Stellplätze gelöst wurde?
Gibt hierauf nämlich keine Aussage.

12

50667 | 10.10.2022 11:32 Uhr

Schon interessant...


.....das es in der Weltmetropole Berlin scheinbar soviel kleinkarierte Spiessigkeit gibt.

@Schoeneberger
Voyeristisch ist im Übrigen nicht das Gebäude, sondern diejenigen Nachbarn, welche dem Architekten den ganzen Tag beim schaukeln zugucken und sich scheinbar dadurch so provoziert fühlen, das Sie darüber ein Magengeschwür kriegen.

Macht Euch mal ein bischen locker ..und lasst die Leute einfach leben wie es Ihnen gefällt...ist nur ein Haus !

11

maestrow | 10.10.2022 10:13 Uhr

Zur-Schau-Stellung

Zur-Schau-Stellung bedeutete im Spätlateinischen 'prostitutio". Wenn sich die Bewohnerschaft eines solchen Gebäudes so offen ins Fenster stellen wollen, wäre folglich die Frage, ob das Prostituieren der eigenen (ökonomischen und sozialen) Potenz durch Zur-Schau gestellte Transparenz erwerflich ist aus den verschiedenen, in den Kommentaren anklingenden Aspekten durchaus berechtigt. Es lohnte sich, genauer hinzusehen und nicht @ixamotto zu unterstellen, er/sie arbeite für einen "Geheimdienst". Das von @ixamotto genannte Argument ist doch gewichtig, vor allem angesichts der verschachtelten Grundrisse. Dümmliche Vermarktungsprosa bleibt dümmliche Vermarktungsprosa. Schlimm ist eher, dass es dafür wenig Sensorium zu geben scheint und nette Bildchen und Werbeprosa gelegentlich für Fakten gehalten werden.

10

stph | 09.10.2022 18:50 Uhr

@57688

Ich halte Ixamottos Einwand für stichhaltig.
Die Flucht nach vorne in eine Wohnskulptur nachvollziehbar aber entsprechend teuer und doch eher scheinbar flexibel wie in Lofts. Dargestellte Flexibilität.

9

50667 | 09.10.2022 13:36 Uhr

@xiamotto


...für welchen Geheimdienst arbeiten Sie eigentlich...?

8

ixamotto | 09.10.2022 08:58 Uhr

verhandlungsräume

in keiner rechtsform ist die grundsätzliche und ständige verhandelbarkeit der grenzziehungen und öffnungen zwischen den wohnungen, ihre durchlässigkeit zueinander und das verschalten mit weiteren, gemeinsam genutzten räumen so eingeschränkt wie in einer wohnungseigentümergemeinschaft.

nirgendwo gibt es so "klare grenzen" wie dort, wo die teilung des grundbuchs einen fragmentierten raum aus (hier: 20) einheiten im sondereigentum entstehen läßt, über die jeweils unbeschränkte aber eben individuelle verfügungsgewalt herrscht. wo soll hier das "potenzial für eine kontinuielriche verhandlung" herkommen? zunächst einmal wird in der WEG die möglichkeit des*der einzelnen privilegiert, zu allem, was "seins" oder "ihres" betrifft, kategorisch "nein" sagen zu können. und dann säßen ja noch die einzelnen banken als privatkreditgeber mit am großen verhandlungstisch, die über grundschulden in den einzelnen grundbüchern eingetragen sind. viel spaß beim verhandeln über ein gmeinsames heimkino oder gästezimmer im sondereigentum (denn als gemeinschafteigentum sind diese räume ja aktuell nicht qualifiziert)...

es handelt sich bei den im vorletzten absatz der baunetz-meldung erwähnten ansichten der architekt*innen also entweder um einen ausweis verstörender naivität, um eine im luftleeren raum schwebende architekt*innenphantasie ohne bindung zu den materiellen realitäten, um die übliche immer wiederkehrende dümmliche vermarktungsprosa oder um ideologischen kitsch.

7

Fritz | 07.10.2022 18:05 Uhr

neuer Wortschatz

Klimaschande... , hatte ich bisher noch nicht gehört. Klingt ein bißchen wie Rassenschande. Scheint derselben Synapsenverbindung zu entstammen.
Wenn es ein traditioneller Ziegelbau geworden wäre, hätte es der Barbara Schöneberger wahrscheinlich auch nicht gefallen. Dann müsste die sozial benachteiligte Nachbarschaft auf ein ewiggestriges Gebäude schauen. Das ist natürlich niemandem zuzumuten.

6

50667 | 07.10.2022 17:49 Uhr

Eine ...


...sehr schöne und gekonnte Ecklösung...ein freundliches offenes Haus...und ein aufregendes und anspruchsvolles Wohnkonzept.

Ich wünsche allen Bewohnern, das sich diese anspruchvolle Wohnform auch im Alltag bewährt.

5

stph | 07.10.2022 17:47 Uhr

....

Wie sich Berliner Wohnhäuser zur Straße raus prostituieren hängt stark von der Situation ab. Ein zarter baumschleier ein platz eine beruhigte Wohngegend. Das ist die Kunst. Hier im Stil 70er in der Kurfü. vielleicht eher obszön.

4

auch ein* | 07.10.2022 16:40 Uhr

Das ist aber ein schönes Bürogebäude..?

Huch, das ist doch garkein Bürogebäude? Könnte aber eins sein.
Wirkt leider sehr kühl, der Betonbrecher! Alles aus Glas und Beton ist weder nachhaltig noch verbreitet es eine Wohlfühlatmophäre. Ein so hoher Glasanteil mag im Wald funktionieren, hier geht der Vorhang jedoch nur für die Fotos auf, oder aber die Bewohner:innen sind außer Haus (Hallo, ihr da gegenüber, kuck mal, ich hab sogar eine Straßenlaterne in der Bude!) oder haben gerade Besuch (Ach, das ist so schön hell bei euch!)!
Sicherlich ein interessantes Gebäude mit Daseinsberechtigung, trotz/aufgrund der sehr formalen Grundrisse, die hier und da auch ihre Probleme haben.

3

Schöneberger | 07.10.2022 16:40 Uhr

Modernistischer Gentrifizierung und Klimaschande

Wie hoch war wohl der Energieaufwand für diesen Betonklotz mit der gläsernen Alu-Pfostenriegelfassade? Wer kann es sich leisten, so ein Gebäude zu bauen? Eine Gruppe privilegierter Zugezogener mit einem Erbe, das die Baukosten von 16 Millionen (Grundstück + Baukosten) deckt? Wer wohnt in den 20 Wohneinheiten? In einer der Architekt Chermayyeff selbst. Dort hat er so viel Platz, dass er gelegentlich auch mal in seinem Wohnzimmer schaukelt, während er über die Köpfe der migrantischen Sexarbeiter*innen und prostituierten Frauen, drogenabhängigen und sozial benachteiligten der Nachbarschaft schaut. Die Voyeuristische Fassade erlaubt einen Blick in diese perverse Performanz des schaukelnden Architekten in seinem eigenen Projekt, während nebenbei tausende eine bezahlbare Wohnung in Berlin suchen. Der Modernismus, mit seinen starchitecture Idealen und Gentrifizierungs Trends, sollte längst ausgestorben sein. Ihr belebt ihn nur wieder. Ich hoffe, dass es an der Hochschule, wo die Architektin Grohbrügge nun lehrt, nicht so abgeht, dass der soziale Kontext und Klimagerechte Materialwahl völlig vernachlässigt wird. Danke für ein Beispiel wie wir nicht Bauen sollten.

2

Fritz | 07.10.2022 16:39 Uhr

Offen

...und hell - so muß man natürlcih wohnen möchten - ich finde das ist eines der besten Häuser in Berlin....und ich bin etwas neidisch da mir bei so großen Glasflächen immer der sommerliche Wärmeschutz ein Strich durch die Rechnug macht - wie geht das?
Herzlichen Glückwunsch für dieses schöne Haus!

1

peter | 07.10.2022 16:02 Uhr

nachhaltig af...

ein projekt für gesegnete leute, die sich keine sorgen um sowas banales wie heizkosten machen müssen. bin neidisch.

 
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