Klar, hier wurde in erster Linie gerendert, um einen gewagten stadtplanerischen Vorschlag zu bebildern. Aber selbst, wenn es für das Projekt momentan noch kein Planmaterial gibt, so lohnt sich der Blick nach Sydney allemal. Denn das Büro Bates Smart (Melbourne, Sydney) schlägt nicht weniger vor, als den Hauptbahnhof mit einem Sportstadion zu überbauen. Dass es sich bei dieser Idee nicht um ein verschrobenes Hirngespinst handelt, macht der Blick auf das Büro sofort klar. Bates Smart wurde 1853 gegründet und ist mit über 250 Mitarbeitern eines der führenden Planungsbüros in Australien. Ein entsprechend seriöses Büro geht nicht mit einer planerischen Luftnummer an die Öffentlichkeit.
Auslöser für die Initiative der Architekten ist der Plan des Bundesstaats New South Wales, das bestehende Allianz Stadium im Moore Park, in dem Rugby- und Fußballspiele vor bis zu 45.000 Zuschauern stattfinden, abzureißen und neu zu errichten. Auf 600 Millionen Euro werden die Kosten dieses Projekts momentan beziffert.
Das Interessante an der hierzu formulierten Alternative von Bates Smart sind nicht zuletzt die urbanistische Umdeutung des Stadions und die Problematisierung der Verkehrsfrage. Die Architekten greifen weit in die Vergangenheit zurück, um klar zu machen, was sie mit der überraschenden Verlagerung im Sinn haben: „Mit dem Kolosseum in Rom wurde das Konzept des Stadions als öffentlicher Ort inmitten der städtischen Struktur etabliert; ein monumentales Stück Infrastruktur für öffentliche Spektakel. Durch Individualverkehr und Suburbanisierung wurde das moderne Stadion zum monofunktionalen Objekt, isoliert am Rande der Stadt und umfangen von Parkplätzen.“ Die Architekten erkennen sogar erste Ansätze eines planerischen Umdenkens und verweisen auf das Baseballstadion Camden Yards in Baltimore und das Docklands Stadium in Melbourne, die zur Neubelebung zentraler Bezirke geführt hätten. Auch in Bergen, so ließe sich anfügen, arbeiten 3XN gerade an einem innerstädtischen Stadion.
Indem zwei städtebaulich oft schwierige Großstrukturen gestapelt und verknüpft werden, will man mehrere Probleme auf einmal lösen. Die exzellente Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr soll die Besucher anregen, auf die Anfahrt im eigenen Auto zu verzichten, und das Stadion kann umgekehrt die Umgebung des Hauptbahnhofs beleben. Die Sportveranstaltungen sollen zu „städtischen Spektakeln“ werden – mit allen positiven Auswirkungen auf das öffentliche Bild und die Wirtschaft der City. Auch über die Finanzierung haben die Architekten natürlich nachgedacht: Der Bundesstaat soll dem potentiellen Investor das Baurecht auf dem Bahngelände überlassen. Der jetzige Standort Moore Park, in dem dann nur noch ein Cricketstadion stehen wird, soll nicht bebaut, sondern renaturiert werden.
Mit von der Partie sind auch die Profis von Arup, die die statische Machbarkeit bestätigt haben. Die Planer sind sich einig, dass die verhältnismäßig leichte Struktur des Stadions auf eine gigantische Grundplatte gestellt werden könnte, die man über die Gleisanlagen setzt. Über die atmosphärischen Qualitäten unterhalb der Platte müsste man wohl noch ausführlich sprechen. Die Fehler der Vergangenheit, als mit den nun wieder heiß diskutierten „Betonmonstern“ hantiert wurde, sollten aber in den Griff zu bekommen sein – wenn man denn will. Die ersten Reaktionen aus der Politik sind laut Guardian jedoch eher verhalten. (gh)
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