Der Blick wandert langsam nach oben, von der schmalen Rue des Minimes über die neoklassizistische Fassade mit großen Erkern auf Straßenhöhe hinauf zum Dach. Noch ist hier nichts Außergewöhnliches zu sehen, schon bald aber wird ein markanter Aufbau das Jüdische Museum von Belgien krönen. Entworfen hat ihn das spanische Büro Barozzi Veiga (Barcelona) in Zusammenarbeit mit dem Genter Büro Tab Architects. Gemeinsam mit Restauratorin Barbara Van der Wee (Brüssel) plant das Team die umfassende Sanierung und Erweiterung des Museums.
Die Arbeitsgemeinschaft ist aus dem 2018 initiierten internationalen Auswahlverfahren, an dem sich 28 Büros beteiligt hatten, als Siegerin hervorgegangen. Der Entwurf – von der Jury als „diskrete und gleichzeitig gegenwärtige Integration in das städtische Gefüge“ beschrieben – soll sich auf die Stärkung der Beziehung zwischen der kulturellen Institution des Museums und der Stadt Brüssel konzentrieren, so die Architekt*innen. Finanziert wird das Bauvorhaben vom öffentlichen Projektentwickler Beliris, der aus Mitteln des Landes und der Stadt Brüssel gespeist wird, und dem Jüdischen Museum.
Das Ziel: Das Museum heutigen Anforderungen an die Präsentation und Lagerung von Kulturgütern anpassen. Die bestehende Struktur des 1901 erbauten Gebäudes ist veraltet, der Raum beengt, die Zirkulation schwierig, insbesondere für Personen mit eingeschränkter Mobilität. Auch entspricht der Bau nicht den Standards für den Erhalt von Kunst- und Kulturgütern, und es fehlt an einer überdachten Verbindung zum Gebäude auf der Rückseite des Museums.
Lösen wollen Barozzi Veiga diese Probleme, indem sie das sechsgeschossige Museum – jede Etage rund 300 Quadratmeter groß – insgesamt neu strukturieren. Beginnend auf der Straßenebene sollen große Schaufenster die Besucher einladen, ins Museum zu kommen. Hier sind künftig die Buchhandlung und das Café untergebracht. Im Untergeschoss wird Platz für Wechselausstellungen geschaffen, während die Dauerausstellung in den vier oberen Stockwerken mehr Raum bekommt. Darüber ist ein neue Etage geplant: Sie wird als „Belvedere“ bezeichnet und beherbergt einen Mehrzwecksaal für 250 Personen, der sich zu einer Außenloggia öffnet und Ausblicke auf den Brüsseler Justizpalast und die umliegenden Viertel bietet.
Mit wenigen Gesten erreiche man so das oberste Ziel dieses Vorhabens, so die Architekt*innen: Identität schaffen und das Museum in der Stadt sichtbar machen. Das architektonische Vorhaben stehe „im Einklang mit der Vision des Jüdischen Museums von Belgien: durch seine Bildungsprogramme eine integrativere und bürgerlichere Gesellschaft zu bilden und die Kenntnis und das Verständnis der jüdischen Kulturen zu fördern“, schreibt das Museum selbst. Der Baubeginn ist für 2021, die Fertigstellung 2024 geplant. (kat)
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Kritiker | 12.11.2020 17:11 Uhr@Frauke
Natürlich bin ich nicht wirklich davon ausgegangen, dass hier einer der Vorzeigebauten des Faschismus zitiert wurde, sondern nehme es so an, wie Sie schreiben.
Aber wenn Architekten so wenig Ahnung von Architekturgeschichte haben, dass sie aus Versehen ihren Bau so gestalten, dass ein gewolltes Zitat des Faschismus-Baus im Bereich des Möglichen ist, dann sollten solche Architekten einfach nicht an solchen Wettbewerben teilnehmen.
Das gilt übrigens auch für die Jury, die über diese Entwürfe entschieden hat.
Hier haben alle versagt.