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13.11.2019

Buchtipp: Von Schichtholz bis Flachs

Atlas des Möbeldesigns


Jeder, der sich mit Möbeldesign beschäftigt, sollte dieses Buch in bequemer Griffhöhe im Regal stehen haben. Denn egal, ob Designer, Planerin, Wissenschaftler, Sammlerin oder einfach nur Fan: Sie alle werden den ziegelsteindicken Atlas des Möbeldesigns regelmäßig zu Rate ziehen. Schon die Zahlen geben eine Ahnung vom Wissensschatz, der zwischen den weißen Buchdeckeln steckt: 1028 Seiten, 1740 dokumentierte Objekte, mehr als 2.800 Abbildungen. Mehrere Jahre hat das Team des Vitra Design Museum um die Herausgeber Mateo Kries und Jochen Eisenbrand daran gearbeitet, 70 Autoren haben Texte beigesteuert.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt! Herausgekommen ist, wie die Bezeichnung „Atlas“ andeutet, eine umfassende Kartierung des Möbeldesigns. Und Atlas ist hier ganz wörtlich gemeint, denn neben zahlreichen Fotos, Objekttexten, Essays, Biografien und Glossaren bietet der Band eine Reihe liebevoll gestalteter Infografiken zum Thema, darunter sogar Landkarten. Das Wissen über Möbel wird auf vielfache Weise textlich und visuell vermittelt und mit Querverweisen innerhalb des Buches vernetzt. Es gibt so unterschiedliche Formate wie eine Entwicklungsgeschichte des Freischwingers entlang einer illustrierten Timeline oder Artikel über Fertigungstechniken wie 3D-Druck oder Holzbiegen.


Der Star des Atlas’ ist zweifellos der Stuhl. Das liegt nicht zuletzt daran, dass das Publikationsprojekt auf der über 7.000 Objekte zählenden Möbelsammlung des privaten Vitra Design Museum in Weil am Rhein basiert – und die besteht nun mal zu einem guten Teil aus Stühlen. Denn, so schreibt der Begründer der Sammlung und ehemalige Vitra-Chef Rolf Fehlbaum im Buch, Stühle seien wichtige Zeitzeugen: „Man kann also eine Zeit – ihre soziale Ordnung, ihre Materialien, ihre Techniken und ihren Geschmack – an ihren Stühlen ablesen und verstehen.“

Vom ersten schichtverleimten Stuhl aus der Zeit um 1800 bis zu aktuellen Experimenten mit Sitzschalen aus Flachs entfaltet sich im Buch ein chronologisch sortiertes Panorama, gegliedert in vier Epochen: frühe Moderne, klassische Moderne, Spätmoderne und Postmoderne bis heute. Nicht fehlen dürfen natürlich die üblichen Verdächtigen Thonet, Bauhaus oder Eames. Schließlich, so definiert Museumsdirektor Kries in seiner lesenswerten Einleitung, seien die Klassiker „einerseits zeitlos, andererseits gewinnt der Zeitgeist in ihnen Gestalt.“ Doch zwischen Freischwinger und Glasfasersitzschale lassen sich zahllose weniger populäre Möbelstücke entdecken. Manche davon sind vielleicht nur Fußnoten der Geschichte, doch in der Zusammenschau ist diese bunte Mischung sehr instruktiv. Erhellende Vergleiche ergeben sich wie von selbst.

Bleibt bei dem hohen inhaltlichen und gestalterischen Niveau des Buches eigentlich nur die Frage: Was fehlt? Nicht-westliche Designobjekte beispielsweise. Auch Designerinnen sind eindeutig unterrepräsentiert. Aber damit spiegeln Atlas und Museumssammlung zunächst einmal lediglich die traditionellen Perspektiven einer Geschichtsschreibung wider, die gerade erst beginnt, sich neu zu justieren. Das schmälert nicht die Leistungen dieses Projekts, sollte aber beim Griff ins Bücherregal mit bedacht werden.

Text: Jasmin Jouhar

Atlas des Möbeldesigns

Mateo Kries und Jochen Eisenbrand (Hg.)
1028 SeitenVitra Design Museum, Weil am Rhein 2019
ISBN
978-3-931936-98-3
159,90 Euro

Das Buch ist auch in einer englischen Version erhältlich.


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