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21.10.2025

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Richtfest für berlin modern

Ascan Mergenthaler über den Museumsbau von Herzog & de Meuron


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Neun Jahre ist es her, dass Herzog & de Meuron den Wettbewerb für den Museumsneubau am Kulturforum in Berlin gewannen. Vergangenen Freitag war Richtfest des viel diskutierten Kulturbaus, der inzwischen den Namen berlin modern trägt. So viel Kritik an einem Gebäude habe er noch nie erlebt, seufzte Jacques Herzog am Rande des Festaktes. Dabei sind Herzog & de Meuron nach der Elbphilharmonie in Hamburg oder dem Olympiastadion in Peking in dieser Hinsicht einiges gewöhnt. Unser Autor sprach auf der Baustelle mit Ascan Mergenthaler, der als Seniorpartner für das Projekt zuständig ist. 

Von Florian Heilmeyer


Herr Mergenthaler, können Sie sich denn trotz all der Kritik, der das Projekt von Anfang an ausgesetzt war, noch auf das Richtfest freuen?
Ja, absolut. Für uns war das Projekt von Anfang an einmalig sowohl in Bezug auf die Lage als auch die Aufgabe. Mit dem Richtfest können wir jetzt die Dreidimensionalität erfahren – wie die Räume und die Proportionen auf den Menschen wirken. Wenn sich die Architektur zum ersten Mal in ihrer physischen Realität zeigt, ist das ein besonderer Moment. Aus welcher Richtung sind Sie heute gekommen?

Von der Potsdamer Straße über die Brücke.

Dann konnten Sie von dort sehen, wie sich der Neubau in den Stadtraum einfügt und Teil einer Sequenz ist: Da ist zuerst die Neue Nationalgalerie, das große Flachdach schwebend über einem Podest, danach kommt das berlin modern mit seinem Satteldach, gefolgt von den geschwungenen Formen der Philharmonie von Hans Scharoun. Das Zusammenspiel und die Staffelung funktionieren wunderbar. Kein Gebäude dominiert, alle sind gleichwertig, und auch die Stadträume dazwischen sind klar definiert. Der Neubau ist wie ein Puzzlestück, das bislang fehlte.

Was waren die wichtigsten Veränderungen am Entwurf seit dem Wettbewerb? 
Eine der wichtigsten Änderungen war die Überarbeitung der Fassade zur Philharmonie. Im Wettbewerb war das eine perforierte Backsteinfassade mit einem vertikalen Schlitz in der Mitte. Diese Fassade wollten wir offener gestalten. Jetzt öffnet sie sich in mehreren Schichten, sodass man alle Funktionen – Ausstellungsraum, Café, Kino, Atrium, Veranstaltungsflächen – von außen sehen kann. Die räumliche Tiefe und die Transparenz dieser Schichten sorgt für eine direkte Verbindung des Hauses mit dem öffentlichen Raum und schafft Orientierung. Man wird förmlich ins Haus gezogen.

Auch haben wir das gesamte Dach mit Photovoltaik belegt. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Energiebilanz des Museums. Zudem betont das geschuppte, schwarze Satteldach die Hausform und damit die Idee des Hauses für die Kunst und für alle.

Und schließlich ergab sich aus stadtplanerischen Gründen die Notwendigkeit, die Rolltore an den Eingängen in der Ost- und Westfassade entfallen zu lassen, da die von uns vorgesehene direkte Verbindung für Fußgänger zwischen berlin modern und Staatsbibliothek so nicht möglich sein wird. Die Tore waren also nur noch eine hohle Geste. Daraufhin haben wir die Fassade mehr geschlossen und die Eingänge als präzise Öffnungen in die Fassade geschnitten. Hinter diesen Öffnungen liegt jeweils ein großzügiger, nicht klimatisierter, aber geschützter Ausstellungsraum, die sogenannten „Street Galleries“, so dass die Besucher beim Betreten des Museums unmittelbar Kunst begegnen. Diese beiden Street Galleries im Osten und Westen bilden Anfang und Ende einer Kunstachse, welche einmal durch das ganze Haus führt und die laute, urbane Straßenseite der Potsdamer Straße mit dem geschützten, ruhigen Matthäikirchplatz, einschließlich angrenzendem Baumhof und Kulturforum, verbindet. Diese Querverbindung ist entscheidend, da sie die öffentlichen Räume sowohl innerhalb des Gebäudes als auch in der Umgebung belebt und direkt Kunst erlebbar macht. Ein zentraler Gedanke des Entwurfs ist ja, dass das Erdgeschoss weitgehend öffentlich und kostenlos zugänglich ist, um Leben auf den umliegenden Plätzen zu schaffen und räumliche Beziehungen zu ermöglichen.

Ich habe den Eindruck, dass das Gebäude nun eine deutliche Vorderseite zur Philharmonie bekommen hat, während die Seite zur Nationalgalerie eher eine geschlossene Rückseite ist, an der hauptsächlich Anlieferungen stattfinden?

Ich würde nicht von einer Rückseite sprechen. Die Giebelwand zur Nationalgalerie hat zwei sehr wichtige Elemente. Es gibt die zentrale und große, leicht schräg gestellte Spiegelwand, die bis in den Giebel hinaufreicht und in der sich die Neue Nationalgalerie spiegelt. Zwischen Nationalgalerie und berlin modern entsteht ein neuer und spannender öffentlicher Platz mit Bäumen und Sitzmöglichkeiten. Ferner gibt es zusätzlich zu der regulären Anlieferung ein zweites Tor für übergroße Kunstwerke, um diese direkt in die Ausstellungsräume zu transportieren. Diese Öffnung kann temporär als ein kleines Café genutzt werden, das Leben und Publikumsverkehr bringt. Theoretisch könnte dies auch ein direkter Zugang in die Wechselausstellung sein.

Sind nach den ersten Diskussionen nicht die Dimensionen des Hauses noch einmal angepasst worden, vor allem der Abstand zur Kirche und die Firsthöhe? Musste das Haus nicht insgesamt kompakter werden?
Der Abstand zur Kirche wurde leicht vergrößert und die Traufhöhe ein wenig reduziert. Dies war Fazit konstruktiver Diskussionen mit der Landesdenkmalpflege getragen von dem Gedanken, dass der Neubau keinen seiner Nachbarn dominieren sollte und gleichzeitig eine gewisse Präsenz braucht. Auch die Firsthöhe im Verhältnis zur Neuen Nationalgalerie wurde diskutiert, mit dem Ergebnis, dass nur die Firstspitze mit ihren 18 Metern über das Dach der Nationalgalerie hinausragt.

Ihr Projekt hat bereits vor der Fertigstellung einige Spitznamen auf sich gezogen. Stefan Braunfels sprach vom „größten Aldi Berlins“. Mittlerweile hat sich „Kulturscheune“ durchgesetzt. Wie stehen Sie zu diesem Spitznamen? 
Wir finden es gut, wenn unsere Gebäude Namen bekommen, von der „Elphi“ bis zum „Vogelnest“. Das zeigt ihre Bedeutung und ist ein Mittel der Menschen, sich diese Gebäude anzueignen. Bei uns im Büro heißt das berlin modern allerdings immer noch NG20. Eine „Scheune“ hat ja durchaus positive Konnotationen, als ein großer landwirtschaftlicher Nutzbau, der für Offenheit, Bescheidenheit und Einfachheit steht – all diese Eigenschaften darf unser Museum gerne ausstrahlen. Zudem dient eine Scheune als Lager für Material und Nahrung. In unserem Fall ist es geistige Nahrung für die Stadt Berlin. 

Fotos: Alexander Ludwig Obst & Marion Schmieding, Stefanie Manthey


Zum Thema:

Mit dem 9.000 Quadratmeter großen Erweiterungsbau für Kunst des 20. Jahrhunderts vervielfacht die Bauherrin Stiftung Preußischer Kulturbesitz die Ausstellungsfläche der benachbarten Neuen Nationalgalerie. Der Entwurf von Herzog & de Meuron mit Vogt Landschaftsarchitekten (Berlin) geht auf einen Realisierungswettbewerb im Jahr 2016 zurück. Zwei Jahre später präsentierten die Architekt*innen ihre Vorentwurfsplanung, wiederum fünf Jahre später wurden geänderte Pläne vorgelegt. Die Grundsteinlegung erfolgte im Februar 2024. Als aktueller Fertigstellungstermin wird das Jahr 2029 gehandelt.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

13

Christian | 29.10.2025 10:12 Uhr

...besser nichts bauen?

wenn ich mich recht erinnere gab es zwei teils mehrstufige, teils offene Wettbewerbe mit hochkarätigster Besetzung und ca. 250 oder 500 Vorschlägen, von denen kein einziger überzeugen konnte.
Daraus schließe ich, dass es keine wirklich überzeugende Antwort auf diese städtebaulich völlig verfahrene Situation gab.

Anders als Ursula bin ich deshalb HdM dankbar, dass sie den Mut aufbringen, sich an dieser unmöglichen Aufgabe die Finger zu verbrennen. Und ich bin zuversichtlich, dass ihr Ergebnis besser sein wird als 99,99% aller denk- und realisierbaren Alternativen.

12

Dederich | 28.10.2025 11:42 Uhr

Elefant im Raum

Ein anderes Bild fällt mir für das Vorhaben nach wie vor nicht ein. Und wieso wird für das Vorhaben eigentlich ohne Ende betoniert, als müssten wir uns um das Morgen keine Sorgen machen?

11

Ursula Baus | 26.10.2025 19:19 Uhr

Mies

Im Kommentar von B. Flottwell ist es angesprochen: Dass die Sichtbeziehung von der Nationalgalerie zur Philharmonie ein für alle Male dahin ist, kritisierte ich schon beim ersten Mal, als Monika Grütters mit seltener Ignoranz stadträumlicher Bezüge nur Löbliches zur Wettbewerbsentscheidung zu vermelden wusste. Worin ich dem Kommentar widerspreche: Zwar kann man der Politik in der Standortwahl vieles anlasten. Aber es liegt einzig und letztlich an Herzog & De Meuron, dass sie an diesem falschen Standort bauen. Sie hätten "nein" sagen können und bereits die Teilnahme am Wettbewerb unterlassen können. Aber so sind viele ArchtektInnen: Auch am von ihnen als falsch erkannten Ort wollen sie: bauen. Wir werden bei Marlowes das Thema aufgreifen.

10

kaemer | 23.10.2025 11:01 Uhr

Raum!

Rolf Gutbrod sagte uns mal, als sein Kunstgewerbemuseum gerade fertig war und stark kritisiert wurde: „Ihr baut ja gar keine Räume mehr, ihr baut doch bloss noch Gänge mit Kämmerle dran!“ Das kommt hier wieder in Ordnung.
Und: Die Setzung eines derartigen Volumens ist Städtebau! Die ehemalige triste Brache war Ausdruck unserer Unentschlossenheit über Jahrzehnte. Jetzt entstehen aus zerfliessendem Unraum endlich Räume in wahrnehmbaren Dimensionen. Der Platz vor der Kirche wird gefasst und nutzbar und die entstehende Gasse zwischen Museum und Kirche wird superangenehm quasiitalienisch werden. Die Piazetta bleibt schwierig, dafür tragen andere Zeiten die Verantwortung.

9

Jan | 23.10.2025 10:51 Uhr

immer dieser Mies

Ich verstehe nicht, wieso sich alle auf die NNG beziehen.
Mies hat sie doch von Anfang an als einen autistischen Solitär konzipiert - auf einem Sockel ohne Zugang oder jeglichen Bezug zum Kulturforum. Scharouns Philharmonie macht es etwas besser aber auch nicht ideal. Einzig die Geländegalerie hat überhaupt einen Raumbezig zum "Forum" (über die Qualität kann man sich gerne streiten, aber zumindest ist eine Absicht erkennbar.)
Die Antwort von HdM auf dieses "Ensemble" ist - wahrscheinlich nicht die Beste - jedoch nachvollziehbar.

8

Anton Schedlbauer | 22.10.2025 18:10 Uhr

Mies dreht sich im Grab um.

[Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns gegen die Veröffentlichung Ihres Kommentars entschieden, da er gegen unsere Regeln verstößt: Schreiben Sie zur Sache. Teilen Sie etwas Neues mit. Nennen Sie Argumente. Keine Unterstellungen. Keine Beleidigungen. Verzichten Sie auf einen aggressiven Tonfall. Bitte schreiben Sie Ihren Namen. Verwenden Sie keine Links im Text.]

7

The Riddle | 22.10.2025 13:34 Uhr

Stütze

Die Stütze unter dem Giebel interessiert mich auch. Ich glaube, dass soll so eine Art Zeltassoziation schaffen, das Ganze leicht und spielerisch wirken lassen... oder macht das tatssächlich konstruktiv Sinn??

6

Arcseyler | 22.10.2025 12:09 Uhr

.de

Das Ding funktioniert von innen heraus als innere Öffentlichkeit wie früher. Der Rest ist nur möglichst angepasste Hülle. Städtebau, wie an dieser Stelle möglich wird vermieden. Hdm bemüht sich schon länger in dieser Bescheidenheit. Eine Postmoderne auf leisen Sohlen. Als ob moderne Architektur dem Web Zeitalter nichts zu sagen hätte. Der geistigen Entgrenzung des alles immer überall gleichzeitig. Vielleicht die notwendige Erdung um besser geistig fliegen zu können.

5

B.Flottwell | 22.10.2025 11:28 Uhr

Scheune

Ich war am Wochenende beim Tag der Offenen Baustelle und ich muss sagen, dass ich von den Innenräumen sehr positiv überrascht bin. Da merkt man dann eben doch die gute Architektur, auch wenn sie außen so ungeschlacht daherkommt. Ob der Ziegelüberguß außen später noch viel retten kann, weiß ich nicht, entlang der Kirche und zur Nationalgalerie wird das alles sehr grob und eng. Aber wenn man von der Philharmonie aus reinkommt, dann ahnt man, welches Potenzial diese Giebelwand dort haben kann und auch wie porös das Gebäude auf einmal in alle Richtungen wirkt: Zum Baum, zum Lichthof, zur Ost-West-Passage und zur Philharmonie hin. Da steckt enorm viel Potenzial, auch für alle Räumen außen herum. Und da freue ich mich drauf.

Für die falsche Wahl des Standortes können H&deM ja nichts und ich werde es der Politik nicht verzeihen, dass die Sicht zwischen Philharmonie und Nationalgalerie auf alle Zeiten gekappt wurde...

4

auch ein Kritiker | 22.10.2025 08:49 Uhr

Begeisterung

Am Ende werden wir alle staunen, was HdM diesmal wieder geschaffen hat – wir sehen uns 2029 zur Eröffnung.

3

Also | 22.10.2025 01:15 Uhr

diese

Stütze direkt am Giebelmittelpunkt unter dem First. Ist das jetzt ein selbstironischer Kommentar, späte Postmoderne?

Man muss ja eigentlich jegliche Form erst einmal akzeptieren, wenn sie mit der notwendigen Konsequenz und Eindringlichkeit daherkommt. Vielleicht überzeugt das dann irgendwann mal. Aber warum dann diese komische Brechung des Giebels mit der Stütze in diesem eh schon schwierigen Erscheinungsbild?

Vielleicht dann doch der subtile I-Punkt, der das Ding zum Leben bringt? Immerhin unterscheidet sich das Haus dadurch von einem Lidl oder Aldi.

2

Maxie | 21.10.2025 18:20 Uhr

Besser als befürchtet?

Der Baufortschritt ist interessant anzusehen, man ist gespannt auf das Ergebnis.

Der Baukörper ist gerade im Vergleich zur Neuen Nationalgalerie und Matthäikirche monströs in den Ausmaßen, aber eventuell wird das fertige Bauprojekt besser als die Pläne.

Um aus einer Scheune mehr zu machen, kommt es auf liebevolle Detailarbeit an, da gibt es hier einiges Potential.

Die unmögliche Sitation der Potsdamer Straße am Kulturforum bleibt unbefriedigend ungelöst, aber das wussten wir schon, als der Wettbewerb entschieden war. Ich werde Arno Lederer in dieser Hinsicht nie verstehen.

1

captain ahab | 21.10.2025 16:45 Uhr

schönheit liegt...

ja, ich denke auch dass das der schönste lidl berlins ist, anderds ist das nicht zu verstehen, aus meiner unmaßgeblichen sicht

 
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Ansicht von Nordosten am 3. September 2025

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Blick von Nordosten über die Baustelle am 7. August 2025

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