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23.09.2025
Im Eindruck des Abdrucks
Siedle Haus in Furtwangen von Brandlhuber+ und hotz + architekten
Seit 275 Jahren ist der Sprechanlagenhersteller Siedle in Furtwangen im Schwarzwald verwurzelt. Nach Plänen von Brandlhuber+ und umgesetzt vom Freiburger Büro hotz + architekten entsteht dort nun ein Gebäude für Kunst und Kultur, das es im wahrsten Sinne des Wortes in sich hat. Im Frühjahr 2026 soll das Siedle Haus eröffnen. BauNetz konnte sich schon mal umschauen.
Von Friederike Meyer
Viel Dach, spitze Winkel, Holzschindeln und spiegelndes Glas. Irgendetwas stimmt hier nicht, oder? Der erste Eindruck des Siedle Hauses fordert die Sehgewohnheiten heraus. Von Brandlhuber+ ist man das schon fast gewohnt, doch diesmal hat das Berliner Büro auch der Bautechnik einiges abverlangt. Und das im Auftrag von Gabriele Siedle, die mit ihrem verstorbenen Mann Horst Siedle (1938–2019) über viele Jahre Kunst gesammelt und Pläne für ein Ausstellungshaus geschmiedet hatte. Im Siedle Haus wird die Sammlung der Horst und Gabriele Siedle Kunststiftung nun eine Heimat bekommen, nebst Raum für Veranstaltungen und Vermittlung.
Der Entwurf kommt als Interpretation örtlicher Bauweise mit Holzschindeln und Giebeldächern daher. Traditionelle Holzbalken sollen den Schnee auf den steilen Schrägen halten. Rekordverdächtige 100.000 Zedernholzschindeln bedecken die 1.400 Quadratmeter große Fläche. Ihre honiggelbe Farbe hat sich an vielen Stellen bereits in blasses Grau verwandelt. Die Art, wie die Schindeln das Austreten der Gauben begleiten, zeugt von handwerklichem Geschick.
Der Kern dieses neuartigen Schwarzwaldhauses ist der Kunst vorbehalten. Mit einer so eigenwilligen wie kunstvollen Ästhetik erinnert er an die baufällige Villa, die einst auf dem Grundstück stand: Die Fassaden des abgerissenen Wohnhauses, baugleich mit dem benachbarten Sitz der Siedle-Geschäftsführung, erscheinen nun als Relief im Innenraum des Neubaus. Dafür wurden sie vor dem Abriss per Laser vermessen und photogrammetrisch erfasst. Die Schweizer Firma JBKS erstellte daraufhin ein 3D-Modell, das wiederum als Vorlage für die 1067 unterschiedlichen Sanddruckplatten diente, mit der das alte Haus als Negativformen reproduziert wurde.
Das meisterhaft detaillierte Ergebnis beeindruckt durchaus. Nicht nur umhüllt es das verschwundene Volumen, es bildet auch dessen Risse, Löcher und Unebenheiten ab. Entfernt erinnert das an die Werke der Bildhauerin Rachel Whiteread, und doch entsteht mit dem Leerraum ein ganz anderer Eindruck vom Abdruck. Man darf gespannt sein, wie die Kunstwerke der Sammlung in diesem Raum ihre Wirkung entfalten.
Rund um das reliefverzierte Haus im Haus gibt es weitere Nova der Bautechnik. Das Holzdachtragwerk entstand in Zusammenarbeit mit Bollinger+Grohmann und bildet mit einer Spannweite von rund 25 Metern die Basis für das Schindeldach. Seine Geometrie verlangte höchste Präzision in der Vorfertigung. Maßarbeit und ausgefuchste Technik waren auch beim Spiegel gefragt, der das Foyer optisch verdoppelt und wie von Zauberhand gehalten an der Wand erscheint.
Schließlich die Glasfassade, die gegenüber der Dachgeometrie transparent und mit möglichst wenig Profilen erscheinen sollte. Die großen polygonalen Glasscheiben wurden eigens für das Projekt gefertigt. Die größte wiegt allein fünf Tonnen, ist 13 Meter lang und knapp drei Meter breit. „Das Maximum, was man so herstellen kann.“, erklärt Michael Eichmann vom ausführenden Büro hotz + architekten aus Freiburg. „Sie wurden mit riesigen Sauganlagen angebracht. Beim Einbau gab es kaum Toleranz.“ So sind viele der räumlichen Überraschungen nicht zuletzt der geschickten Auswahl der Handwerksfirmen und ihrer Expertise zu verdanken.
Rund um das Siedle Haus wird nach Plänen von atelier le balto aus Berlin derzeit ein Vorplatz gestaltet. Am alten Lokschuppen und entlang der Breg soll künftig ein neuer Museumsweg durch Furtwangen bis zur geplanten neuen Mensa der Hochschule verlaufen. Die Eröffnung des Siedle Hauses ist für Frühjahr 2026 geplant.
Fotos: Bernhard Strauss, Viktoria Wilhemine Tiedeke, Roland Krieg
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Das Siedle Haus entstand auf dem Grundstück einer baufälligen Villa.

Sie war baugleich zur bestehenden Siedle Villa an der Bregstraße.

Vor dem Abriss wurde die alte Villa mit Laser vermessen und photogrammetrisch erfasst.

Im Inneren erscheint die Altbaufassade als Negativabdruck.
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