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20.12.2017

Buchtipp: Monografie

OFFICE Kersten Geers David Van Severen Vol. 1, 2 & 3


Eine Architektur, die sich mit Architektur beschäftigt – so könnte man die Produkte der Entwurfsarbeit von OFFICE Kersten Geers David van Severen beschreiben. Und gleichzeitig ihren Gestaltungsanspruch formulieren. An dem hat sich seit der Gründung des belgischen Büros im Jahr 2002 nichts geändert. So vermittelt es uns zumindest die erste umfassende Publikation des Œuvres von OFFICE, die in diesem Jahr zum fünzehnjährigen Bürojubiläum im Verlag der Buchhandlung Walther König erschienen ist. Für manche Architekturbüros reicht diese Zeit noch nicht aus für eine dreibändige, 432 Seiten starke Monografie, die eine logische Sequenz – statt eines Sammelsuriums – von Projekten sowie eine kompromisslose Kontinuität von formalen Ideen, Arbeitsmethoden und spezifischem Architekturverständnis erkennen lässt. Bei OFFICE hätte man sicher sogar weniger zeitlichen Abstand gebraucht, um in der Projekthistorie einen roten Faden zu finden. Im einleitenden Essay des Kataloges schreibt die Kuratorin Giovanna Borasi zur Stringenz in der Arbeit der Belgier daher treffend: „Wir können den ersten Teil ihres Werkes nicht mit frischen Augen lesen und erwarten, überrascht zu werden.“

Nur Architektur

Der „fast zwanghafte Wunsch, eine schlüssige und verständliche Architektur zu machen“, wie Kersten Geers es im Vorwort beschreibt, hat die Architekten wohl vor diskursiven Irr- und Umwegen bewahrt. OFFICE versuchen, die Relevanz ihrer Architektur nicht durch eine Bearbeitung sozialer, politischer oder kultureller Fragestellungen zu legitimieren und grenzen ihre Herangehensweise bewusst gegen eine Projektrhetorik ab, die sich der jeweiligen, disziplinfremden Diskurse bedient. Sie konzentrieren sich auf Architektur. Das ist für sie organisierte Form, die erst nachträglich durch Inhalt, Programm, Menschen – kurzum: Leben – gefüllt wird. Der Architekt hat darauf wenig Einfluss und sollte lediglich eine grundlegende räumliche Organisation und Infrastruktur bereitstellen. Genau das tun die Belgier fast stoisch mit einem immer wiederkehrenden, limitierten Set einfacher Regeln, nach dem sie ihre Gebäude konzipieren.

Das führt dazu, dass sie Ideenprojekte – etwa eine Reißbrettstadt in Südkorea, ein Kolumbarium auf einer niederländischen Verkehrsinsel, ein Garten auf einem mexikanischen Grenzübergang – nach ähnlichen Prinzipien entwickeln wie ihre gebauten Projekte – Privathäuser in der belgischen Provinz oder Spanien, ein Kulturzentrum in Bahrain, Bürogebäude, Messegelände oder Industriehallen in der Peripherie belgischer Städte oder den belgischen Pavillon der Architekurbienale 2008. Alle im Katalog dokumentierten 201 Projekte lassen ein Interesse an formaler Einfachheit und Stringenz, an Komposition und klaren Geometrien erkennen – das Quadrat taucht gleichermaßen in Plänen von utopischen Stadtvisionen oder Grundrissen von Villen in der belgischen Provinz auf.

Grid im Buchschnitt


Selbstauferlegte Dogmen helfen nicht nur OFFICE beim Streben nach Kohärenz in ihrer Arbeit, sondern nutzten auch dem Grafiker bei der Gestaltung der Monografie. Joris Kritis, der die drei Bände in enger Zusammenarbeit mit dem Fotografen Bas Princen und den Architekten selbst entwickelte, gelingt eine Einheit von Inhalt und Form, die dem Werk der Belgier gerecht wird. Die auf einfachen Ordnungsprinzipien und auf der Wiederholung identischer Elemente basierende Architektur von OFFICE spiegelt sich eindrücklich in der Stringenz von Kritis’ Katalog-Gestaltung. Ein Beispiel: Die auf weißem Hochglanzpapier gedruckten Zeichnungen, Collagen und Fotografien gebauter Projekte werden in exakten Abständen durch auf grauem Karton gedruckte, matte Fotografien der Fotografen Bas Princen, Dirk Braeckman und Stefano Graziani unterbrochen. Damit produziert Kritis ein subtiles Detail: Die Prävalenz des Grids in den Grundrissen von OFFICE findet sich in der Abfolge weißer und grauer Linien, die man im Buchschnitt der Bände erkennen kann, wieder. Ähnlich wie die Regelhaftigkeit der Bauten von OFFICE stärker in ihrer zeichnerischen Darstellung deutlich wird als in ihrer räumlichen Erfahrung, wird die Struktur aber nur im Zusammenhang erkennbar. Beim Durchblättern der Bände scheinen die grauen Seiten eher zufällig angeordnet.

Die Projekte werden systematisch und in chronologischer Reihenfolge, fast hierarchielos, präsentiert. Die prägnanten Projekbeschreibungen enthalten, gemäß dem Diskursverzicht, nur konkret räumliche Analysen und Interventionen. Sie werden vereinzelt durch kurze Essays von befreundeten Architekten und Autoren ergänzt, die Einblick in das Referenzsystem von OFFICE gewähren. Eine thematische Gliederung der Projekte, wie man sie von anderen Architektenmonographien kennt, wird scheinbar bewusst vermieden. Ein spannungsreicher Rhythmus aus radikalen, utopischen Forschungsprojekten und realisierten Bauten ergibt sich ausschließlich durch die chronologische Einordnung im Werk der Architekten. Der Leser versteht: Ein nachträgliches Kuratieren der Arbeit ist hier nicht nötig. Schon im Entwurfsprozess hatten die Architekten eine klare Idee, wie sich das Projekt in den größeren Werkzusammenhang einordnen wird. Alle Arbeiten, auch die Schwarzbrot-Projekte, haben ihren Platz. Und so ist die Entscheidung, die Werkdokumentation in dieser Form von Band 4 bis Band x forzuführen, nur konsequent.

Bas Princen

Das spektakulärste an der Publikation ist die Dokumentation der
Kollaboration zwischen OFFICE und dem belgischen Fotografen Bas Princen. Wie die beiden verschiedenen Werke einander beeinflussen, wird von Kritis feinfühlig im Bildlayout herausgearbeitet. Princen ist in der Publikation gleichzeitig als Architekturfotograf von OFFICE und mit seinen eigenen fotografischen Arbeiten vertreten, die oft im Verfall begriffene Großarchitekturen in urbanen Randgebieten zeigen. Das hat zur Folge, dass man seine Fotoarbeiten manchmal wie die Dokumention realisierter oder sich im Bau befindlicher Visionen von OFFICE liest. Die Abwesenheit von Menschen in beiden Bildgruppen verstärkt diesen Effekt zudem. Realität und Fiktion – die Fotografien von Princen und die Collagen von OFFICE – wirken wie auf Seite 78/79 von Band eins geradezu vertauscht. Die sublime Wirkung seiner Bilder, die eine post-apokalyptische Welt suggerieren, geht dann auch von den monumentalen, zuweilen totalitär wirkenden Architekturen in den utopischen Stadtvisionen von OFFICE aus.

Text: Daniel Felgendreher

OFFICE Kersten Geers David Van Severen Vol. 1, 2 & 3
mit Texten von Christophe Van Gerrewey, Go Hasegawa, Ellis Woodman, Giovanna Borasi und OFFICE Kersten Geers David Van Severen
Verlag der Buchhandlung Walther König, 2017
Gebundene Ausgabe, 432 Seiten
Englisch
ISBN:
3863359240
120 Euro


www.buchhandlung-walther-koenig.de


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Die Monografie von OFFICE erscheint in drei Bänden, die fortgesetzt werden.

Die Monografie von OFFICE erscheint in drei Bänden, die fortgesetzt werden.

Die Projekte werden systematisch und in chronologischer Reihenfolge…

Die Projekte werden systematisch und in chronologischer Reihenfolge…

… fast hierarchielos, präsentiert.

… fast hierarchielos, präsentiert.

Spektakulär ist die Dokumentation der  besonderen Kollaboration zwischen OFFICE und dem belgischen Fotografen Bas Princen.

Spektakulär ist die Dokumentation der besonderen Kollaboration zwischen OFFICE und dem belgischen Fotografen Bas Princen.

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