RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Gespraech_mit_dem_scheidenden_Direktor_Stefan_Kraus_10176640.html

18.12.2025

Ein ganzes Berufsleben für Kölns Kolumba

Gespräch mit dem scheidenden Direktor Stefan Kraus


Ein ganzes Berufsleben widmete Stefan Kraus der Arbeit für das Kunstmuseum des Erzbistums Köln, erst als Kurator, seit 2008 als Direktor. Mit ihm ist es zu Kolumba geworden: Das Haus, die Institution und den Geist hat er maßgeblich geprägt. Ende des Jahres verabschiedet er sich nach 34 Jahren in den Ruhestand.

Interview: Uta Winterhager

Mitte Dezember treffen wir uns zum Gespräch in seinem Büro, einige Kartons sind gepackt. Wichtiges, darunter neben Büchern auch eine Kamera, liegt griffbereit im Regal, auf dem Schreibtisch eine große Schachtel Buntstifte. Stefan Kraus ist promovierter Kunsthistoriker, aber kaum jemand weiß, dass er auch die Typografie und die Coporate Identity für Kolumba entwickelt hat. Am Tag seiner Verabschiedung, dem 19. Dezember 2025, erscheint das vom Kolumba-Team herausgegebene Werkheft Kolumba Architektur. Die nebenstehende Bildstrecke zeigt eine Auswahl aus den 134 Aufnahmen, die Stefan Kraus aus seinem persönlichen Archiv für die Publikation ausgesucht hat.

Herr Kraus, als Sie 1991 als Kurator an das Kunstmuseum des Erzbistums Köln kamen, gab es nur ein Interim. Der Auftrag, herausragende Werke der Sakralkunst zu sichern, hatte sich erschöpft und der Anschluss an die Moderne war mehrfach gescheitert. Wo anfangen?

Stefan Kraus: Meine erste Aufgabe war die Architekturrecherche. Es sollte einen Einladungswettbewerb für einen Neubau geben. Mit meinem Vorgänger Joachim M. Plotzek habe ich viele, auch bedeutende Architekturbüros besucht. Museumsbauten haben uns im Team mit Katharina Winnekes und Ulrike Surmann ebenso interessiert, aber wichtiger war uns, wie sich die Architekt*innen auf eine Aufgabe einlassen konnten, ganz gleich, ob das eine Haltestelle oder ein Wohnhaus war. Im Gespräch merkten wir, ob aus der Zusammenarbeit etwas werden könnte, denn wir wollten Bauherren sein und gemeinsam nach Lösungen suchen. Als wir bis Herbst 1993 sieben Teilnehmer gefunden hatten, die wir einladen wollten, hieß es, dass wir warten und die den Erzbischof beratenden Gremien überzeugen müssten. Dafür wurden die Fragen stärker: Warum braucht Kirche ein Museum? Warum so viel Geld ausgeben für die Kultur? Doch je stärker die Opposition wurde, desto klarer wurde unser Konzept. Unser Glück war das 400 Quadratmeter große Provisorium auf dem Roncalliplatz, wo wir im Windschatten der großen Museen nach der erfolgreichen Ausstellung der vatikanischen Handschriften unsere Werkstatt aufmachen, Formate erproben und die Sammlung schärfen konnten. Dabei durften wir auch scheitern. So kamen die Konzeptbausteine zusammen, bis wir Ende 1996 einen offenen Wettbewerb mit sieben Zuladungen ausloben durften.

167 Arbeiten wurden eingereicht, gewonnen hat der Entwurf von Peter Zumthor. Wie lief die Zusammenarbeit?

Peter Zumthor hörte hin und kam immer wieder mit Lösungen, für die es keine Vorbilder gab. Beim ersten Arbeitstreffen in seinem Atelier fragte er, was wir an seinem Entwurf gut fänden und was nicht. Er hatte den Eingang dort platziert, wo er heute liegt, doch sollte man in eine 24 Meter hohe Halle mit zwei Galeriegeschossen treten. Wir waren der Ansicht, dass der archäologische Raum mit dem Filtermauerwerk der Hauptraum sei, der wesentlich höhere Luftraum am Eingang ein dramaturgischer Fehler. Außerdem gab es von der Eingangshalle keine Verbindung in den ehemaligen Kolumba-Friedhof, den heutigen Garten, den er als Einziger nicht überplant hatte. In seinem Wettbewerbstext hatte er diese Aspekte angesprochen und den eigenen Entwurf kritisiert. Das fand ich bemerkenswert.

Vom Wettbewerb bis zur Eröffnung 2007 sind noch einmal zehn Jahre vergangen, Kolumba wurde zum „Museum der Nachdenklichkeit“. Was passierte da?

Die für mich spannende Frage war, wie die Architektur ihre Grenze zur Kunst formuliert – selbst wissend, dass sie auch Kunst ist. Wie muss zum Beispiel eine Wand aussehen? Wenn ich monochrome Malerei habe, die wir in den 1990er Jahren verstärkt gesammelt haben, dann sollte man die Wände nicht mit Farbe streichen. Zumthor hat lange versucht, die Wand aus dem Fugenmörtel herauswachsen zu lassen. Aber nach vielen Bemusterungsrunden mit unermüdlichen Handwerkern haben wir den Lehmputz entwickelt, der sich als „Kolumba-Grau“ so sehr bewährt. Die äußere Gestalt von Kolumba ist dem Wettbewerbsentwurf sehr nahe, aber innen hat es die Intimität, die wir uns gewünscht hatten. Es ist die hohe Qualität dieser Architektur, dass sie uns für jedes Werk einen Ort empfiehlt und dass sie es uns ermöglicht, jedes Jahr ein anderes Kolumba zu sein.

In Ihrem Haus müssen sich die Besucher*innen auf einiges einlassen. Wie weit kann man da gehen? Ich denke zum Beispiel an die Stolperstufen.
Dazu eine ganz einfache Übung: Machen Sie die Augen zu, platzieren Sie sich gedanklich im Hauptraum und stellen Sie sich vor, der Boden würde plan in die Kabinette reinlaufen. Wie langweilig wäre das! Als wir die Binnenplanung beendet hatten, war die Raumfolge mit dem hellen Terrazzo entstanden, doch es sollte auch andere Räume geben: Kabinette, Kunstlichträume, die mit Mörtelböden und -decken und mit Lehmputzwänden so aussehen, als wären sie aus dem vollen Material geschnitten. Damit entstand die Stufe. Ich wusste, wir sind die Nutzer und müssen diese vier Zentimeter vertreten. Jede Vitrine, jeder Sockel und jeder Mensch muss da rüber. Wir haben Behindertenverbände aufgesucht und Freunde, die im Rollstuhl sitzen dazu befragt, um dahinterzukommen, dass die Stufe vertretbar ist. Zumal unser Museumskonzept auf Aufsichtskräfte als Gastgeber baut. Alle werden freundlich auf diese Stufen hingewiesen. Der inszenatorische Aspekt war uns wichtiger. Das habe ich nie bereut.

Die Substanz des Hauses erfordert auch im laufenden Betrieb immer wieder Ihre Aufmerksamkeit …
Auf die tropfenden Decken hätte ich gut verzichten können. Wenn das undichte Flachdach aber am Ende der einzig wirkliche Mangel eines Hauses ist, das wir seinerzeit im Kostenrahmen errichtet haben, kann ich gut damit leben. Wir haben eine Sanierungsvariante erprobt, die hält, sie wird im nächsten Jahr ausgeführt. Was sich nicht beheben lässt, ist das Zuviel an Technik. Von den in der Präambel zum Wettbewerb festgeschriebenen Grundsätzen haben wir nur einen nicht realisiert: Wir wollten ein Minimum an Technik und haben ein Zwischengeschoss, das voll davon ist. Sie funktioniert, wir haben ein stabiles Museumsklima, auch wenn wir keine Türen zwischen den Räumen haben, das ist wunderbar. Aber das Missverhältnis zwischen technischen Betriebs- und Wartungskosten und operativen Mitteln für Ausstellungen und Veranstaltungen ist krass. Wir müssen über neue Museumskonzepte nachdenken und akzeptieren, dass es Kunst gibt, die altern darf, dass nur noch Teilbereiche für heikle Dinge klimatisiert werden, nicht das ganze Haus. Denn es ist sinnlos, dass wir die Kunst retten, wenn die Welt dabei untergeht.

Als Teil der Jahresausstellung 2020 wurde in Kolumba getanzt. Die schwitzigen Körper des Ensembles haben Abdrücke an Wänden und Böden hinterlassen. Es gibt aber auch andere Zeichen der Benutzung, Nagellöcher oder abgeriebene Stellen. Was machen Sie mit diesen Spuren?
Das ist eine Frage, die mich immer beschäftigt hat. „In klimatisierten Museen erinnert sich die Kunst ihrer Ursprünge nicht“, schreibt Günter Grass beiläufig in Der Butt. Als junger Kunsthistoriker hat mich das begeistert, weil mir die geleckte Museumsarchitektur immer zuwider war. Die Werke unserer Sakralkunst sind doch deshalb im Museum, weil sie kaputt sind, da fehlen Arme und Beine oder die Fassung ist zerstört. Der ideale Raum dafür ist ein Gefäß, das zeigt: Auch ich kann etwas aushalten, benutz mich und dann werde ich schöner. Peter Zumthor weiß das, er spricht vom Aroma der Benutzung. Als wir die Lehmputzwände entwickelt haben, dachten wir, naja, nach zehn Jahren in Benutzung müssen wir den Lehm mal abkratzen und erneuern. Das haben wir bislang nicht getan. Wenn das Haus leer ist, sehen Sie alle von uns sorgfältig gepflegten Narben. Ich kann Ihnen anhand der Spuren jede Ausstellung zeigen.


Zum Thema:

Mit einem Programmtag am Freitag, 19. Dezember 2025, würdigt Kolumba das langjährige Wirken von Stefan Kraus. Unter dem Motto „Playing with Heart – Ein Tag für Stefan Kraus“ erwartet die Besucher*innen zwischen 11 und 17 Uhr ein vielfältiges Veranstaltungsangebot. 

Das Werkheft Kolumba Architektur versammelt Beiträge von Stefan Kraus und Jonas Grahl, einen fotografischen Rundgang durch das leere Haus, ein Abecedarium zu Einzelaspekten und eine Bildfolge zur Plan- und Bauzeit. Es erscheint in der Reihe Kolumba, Bd. 66, Köln 2025 (in gleicher Ausstattung erschienen Kolumba Archäologie und Kolumba Kapelle), 128 Seiten, ca. 150 Abbildungen, 28 Euro. Erhältlich ist es im Museum oder nach schriftlicher Bestellung.


Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
BauNetz-Maps


Kommentare:
Kommentar (1) lesen / Meldung kommentieren

Stefan Kraus

Stefan Kraus

Peter Zumthor mit einem Kolumba-Modell in seinem Atelier, Januar 2002

Peter Zumthor mit einem Kolumba-Modell in seinem Atelier, Januar 2002

Das zweischalige Filtermauerwerk im Bau, Juli 2004

Das zweischalige Filtermauerwerk im Bau, Juli 2004

Bemusterung des Kolumba-Schriftzuges an der Westfassade, Juli 2007

Bemusterung des Kolumba-Schriftzuges an der Westfassade, Juli 2007

Bildergalerie ansehen: 11 Bilder

Alle Meldungen

<

18.12.2025

Eingehaust in Stein und Holz

Ferienresidenz in den belgischen Ardennen von BC architects

18.12.2025

Shootingstar und Platzhirsche

Die 15 meistgelesenen Meldungen 2025

>
baunetz interior|design
Zwischen Himmel und Holz 
BauNetz Wissen
Neon im Nebel
Baunetz Architekt*innen
herrschmidt architekten
BauNetzwoche
Shortlist 2026
vgwort