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29.09.2025
Wohndorf mit Sparpotenzial
synn und Treberspurg & Partner in Wien
Der Campo Breitenlee im Nordosten Wiens ist ein gebautes Forschungsprojekt. Die 324 Wohnungen werden erneuerbar beheizt und temperiert. Auf einen klassischen Wärmespeicher haben die Architekt*innen in diesem Fall jedoch bewusst verzichtet.
Von Wojciech Czaja
Der geförderte Wiener Wohnbau ist ein soziales Best-Practice-Beispiel und mittlerweile auch ein Quotenbringer im internationalen Fachtourismus, und das ist gut so. Wirft man jedoch einen detaillierten Blick auf die Architektur der im geförderten Biotop gebauten Wohnlandschaften, fallen vor allem zwei diametral entgegengesetzte Gestaltungsansätze auf. Zum einen die uninspirierte Produktionsmasse aus Stahlbeton und Vollwärmeschutz, zum anderen überaus ambitionierte Architektur, die so schrill und anspruchsvoll daherkommt, dass sie den klassischen Bewohner mitunter überfordert.
Der Campo Breitenlee im Norden der Wiener Donaustadt fügt sich zwischen diese beiden Extreme ein. Die beiden zuständigen Wiener Büros synn architekten und Treberspurg & Partner haben ein sympathisches Wohndörfchen geschaffen, das wohl kaum erotisches Herzklopfen bereiten wird, dafür aber so hübsch, so gemütlich und so unangestrengt fein in seinen architektonischen Details ist, dass man sich als Besucher und Stadtflaneur auf Anhieb wohl fühlt. Zentrum der Wohnhausanlage ist der namensgebende Campus, eine Art Dorfmitte mit Sitzbänken, Picknick-Podesten und schottergestreuten Boule-Bahnen, deren Planung von Carla Lo Landschaftsarchitektur (Wien) kommt. Selten hat man in einem Wiener Neubauprojekt so viele Kids und Jugendliche herumtollen gesehen wie hier.
„Diese Qualität mit dem Dorfplatz, den Wegen, den Sichtachsen und den Bezügen zwischen den einzelnen Freiräumen war uns von Anfang an wichtig“, sagt Bettina Krauk von synn architekten. „Letztendlich ist genau diesem Maßstab zu verdanken, dass die große Anzahl an 324 Wohnungen optisch nicht wirklich ins Gewicht fällt.“ Während die Bauteile von synn mit warmen, bronzefarbenen Loggien und Balkonen bestückt wurden, in einem Mix aus Stabgeländern und Lochverblechungen, hat sich Trebersburg für einen deutlich kühleren Silberton entschieden. Im Erdgeschoss wurden die Fassaden an manchen Stellen mit Holzlatten und vertikalem Riffelputz verkleidet.
Doch das wahre Highlight des Campo Breitenlee, Resultat eines Bauträger-Wettbewerbs, das mit den beiden Wohnbauträgern Wiener Heim und Österreichisches Volkswohnungswerk (ÖVW) errichtet wurde, liegt in seinem Inneren verborgen: Die sieben Zentimeter dicken, vorgefertigten Elementdecken wurden bereits im Werk mit wasserführenden Installationen ausgestattet, vor Ort nur noch miteinander verbunden und schließlich zu einer tragfähigen Verbund-Ortbetondecke aufbetoniert. Die Bauteilaktivierung hat in den heißen Sommermonaten bereits Wirkung gezeigt: Bei einem Besuch vor Ort meinten einige Bewohner*innen, dass sie eine spürbare Kühlung der Innenräume um zwei bis drei Grad Celsius verzeichnen konnten.
Die Energiezufuhr ist zu 100 Prozent erneuerbar: Unter dem Campo gibt es 43 Tiefensonden, die bis zu 150 Meter nach unten reichen. Mithilfe von zwei Wasser-Wärmepumpen und zwei Dach-PV-Anlagen mit jeweils 50 Kilowatt Peak wird die Wohnhausanlage im Winter beheizt und im Sommer mit einer Stützkühlung temperiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Projekten wurde in diesem Fall auf einen teuren Wärmespeicher verzichtet. Als Speicher fungieren ausschließlich die massiven Betondecken. Im Zuge einer Forschungsstudie unter dem Titel „ZQ3 Demo“, an der 15 Wohnungen mitsamt Monitoring und Interviews teilnehmen, soll das Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren evaluiert werden.
„Das ist ein komplexes Forschungsprojekt mit prädiktiver Steuerung und mit vielen, vielen Playern und Variablen“, sagt Christoph Treberspurg von Treberspurg & Partner. „Wir wollen herausfinden, was passiert, wenn man auf klassische Speichersysteme verzichtet und darauf vertraut, dass die vorhandenen speicherfähigen Massen ausreichen. Im besten Fall werden wir wertvolle Daten gewinnen, um künftigen Bauträgern und Bauherr*innen eine Art Handbuch zu geben, wie sie mit nur minimalen Komforteinbußen bei gleichbleibender Nachhaltigkeit die üblicherweise hohen Investitionskosten drastisch reduzieren können.“ Aufgrund seines innovativen Ansatzes wurde der Campo Breitenlee kürzlich mit dem Österreichischen Betonpreis 2025 ausgezeichnet.
Fotos: Hertha Hurnaus
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