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26.01.2022

Petra Kahlfeldts Schritt in die Öffentlichkeit

Zur Debatte um die neue Berliner Senatsbaudirektorin


Vor fünf Wochen wurde Petra Kahlfeldt Senatsbaudirektorin von Berlin. Seither wird in den Medien heftig über die Personalie gestritten. Vergangene Woche hat sich Kahlfeldt nun erstmals gegenüber ausgewählten Tageszeitungen geäußert.

Von Gregor Harbusch

Die Ernennung von Petra Kahlfeldt zur obersten Berliner Baubeamtin geriet kurz vor Weihnachten zum baupolitischen Paukenschlag. Von einer „Kampfansage an eine soziale und ökologische Stadtpolitik“ sprach ein kritisches Statement, das unter anderem Kristin Feireiss von der Architekturgalerie Aedes, Matthias Grünzig (Initiative Offene Mitte Berlin), HG Merz, Anh-Linh Ngo (Chefredakteur der Zeitschrift ARCH+) sowie Philipp Oswalt und Matthias Sauerbruch unterzeichneten und in den sozialen Medien lancierten. Kahlfeldt stehe nicht für gemeinwohlorientierte Planung, klimagerechtes Bauen oder partizipative Prozesse, argumentierten sie. Sie sei deshalb die falsche Besetzung für die Senatsbaudirektion. Das zeige auch der Blick in das Portfolio ihres Büros Kahlfeldt Architekten, das sie seit 1987 mit ihrem Mann führt – und aus dem sie nun natürlich offiziell ausgestiegen ist. 

Die Kritik hat Widerspruch und Zustimmung provoziert. Matthias Sauerbruch legte in der Welt nach und attestierte Kahlfeldt ein Denken im „Maßstab von Einfamilienhäusern“Gerwin Zohlen leistete der Polarisierung der Debatte Vorschub, indem er zum Rundumschlag gegen die breite Phalanx der Kritiker*innen ausholte und dabei weder mit Kampfwörtern noch mit schwierigen Vergleichen geizte. Der erfahrene Jury-Vorsitzende Arno Lederer rief kurze Zeit später zur allgemeinen Mäßigung auf. Das Interesse an der Personalie spiegelte nicht zuletzt die Berliner Zeitung, die die meisten Beiträge zu Kahlfeldt veröffentlichte. Sogar der Herausgeber Holger Friedrich ließ sich zu einem Kommentar bewegen, in dem er in der Silvesterausgabe mit launigem Macher-Habitus die Berufung Kahlfeldts hoffnungsvoll begrüßte.

Jenseits dieser und vieler weiterer Kommentare fiel ein langer Text von Matthias Grünzig in der taz auf, in dem die Netzwerke und kollegialen Verbindungen Kahlfeldts bis zurück in die Zeit des Planwerks Innenstadt und ihres Vorvorgängers Hans Stimmann dargestellt werden. Grünzig lenkt den Blick auf die 2011 gegründete „Planungsgruppe Stadtkern“, die sich die „Wiedergewinnung der Berliner Mitte“ auf die Fahnen geschrieben hat. Neben Kahlfeldt sind unter anderem Bernd Albers, Harald Bodenschatz, Tobias Nöfer und Gerwin Zohlen Mitglieder der von Grünzig als SPD-nah beschriebenen Gruppe.

Vergangene Woche lud Kahlfeldt ausgewählte Journalist*innen der überregionalen und lokalen Tagespresse in ihren Amtssitz ein. In Zeit, Welt, Berliner Zeitung und Tagesspiegel kann man nun nachlesen, was sie zu den drängenden Fragen der Stadtentwicklung zu sagen hat.

Aufschlussreich ist das Interview in der Berliner Zeitung, in dem Nikolaus Bernau Kahlfeldt zu neuralgischen Orten der Stadtplanung befragt. Am Beispiel des laufenden Verfahrens zur Bebauung des Molkenmarkts macht Kahlfeldt ihre Positionen deutlich. Sie betont, dass es richtig sei, dass Berlin keine landeseigenen Grundstücke mehr privatisiert. Mit Blick auf einen DDR-Verwaltungsbau im Planungsgebiet bezeichnet sie sich als „Anwältin der bestehenden Häuser“. Sie lobt die von ihrer Vorgängerin Regula Lüscher eingeführte „Beratungs- und Prozesskultur“, weist aber auch darauf hin, dass diese nicht dazu dienen darf, das Bauen zu verhindern: „Irgendwann muss auch mal der Sack zugemacht werden.“ Das sei wiederum Aufgabe der Verwaltung. Nicht fehlen darf das Bekenntnis zum „Leitbild der europäischen Stadt“ und zu einer „kleinteiligen Parzellierung“.

Am Molkenmarkt sieht Kahlfeldt diese gewünschte Kleinteiligkeit im Entwurf ihres Kollegen aus der „Planungsgruppe Stadtkern“ Bernd Albers, der einen von zwei ersten Preisen gewonnen hat, die nun in einem Werkstattverfahren weiterentwickelt werden sollen. Die kritische Frage nach potenzieller Befangenheit auf Grund dieser personellen Konstellation weist sie brüskiert als „Unterstellung“ zurück. Man wird sich in diesem Zusammenhang auch ihre Aussage merken müssen, dass es für das Bauen in Berlin unter ihrer Ägide „keine ästhetischen Leitlinien“ geben soll.

Was als Tenor der Artikel außerdem hängen bleibt, ist Kahlfeldts Wunsch, private Akteure im Wohnungsbau nicht pauschal zu verurteilen. Auch wenn sie die Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaubestände in der Nachwendezeit als „Riesenfehler“ bewertet. Wichtig ist ihr zudem die Vielfalt Berlins mit seinen vielen Zentren und Nachbarschaften.

Das Büro Kahlfeldt Architekten hat beeindruckende Sanierungsprojekte umgesetzt, bei den Neubauten dominiert ein formaler Konservatismus und Traditionalismus. So unzeitgemäß die Villen mit ihren Säulen und Pilastern auf viele wirken mögen, so wenig positioniert sich die neue oberste Baubeamtin der Hauptstadt gegen den common sense einer sozial und ökologisch argumentierenden Stadtplanung. Spannend wird es im Mai, wenn das von Regula Lüscher gegründete Baukollegium turnusgemäß verabschiedet wird und Kahlfeldt das Gremium neu besetzt.


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Berlins Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt

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