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23.04.2025

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Zugewandt und leidenschaftlich

Zum Tod von Kristin Feireiss


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Von Friederike Meyer

Es ist noch keine vier Wochen her, da stand Kristin Feireiss in ihrer Berliner Galerie Aedes und begrüßte die Vernissagengäste der aktuellen Doppelausstellung – wie immer mit großer Wärme und Herzlichkeit. Architekt*innen wie Architektur eine Bühne zu geben und den Debatten darüber einen Raum, darin war sie Meisterin – vor allem aber eine Pionierin. Am Sonntag ist die Galeristin, Kuratorin, Autorin und Herausgeberin Kristin Feireiss im Alter von 82 Jahren in Berlin verstorben.

Kristin Feireiss wurde 1942 in Berlin geboren. Sie war fünf Jahre alt, als ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben kamen. Über ihre Familiengeschichte und das Aufwachsen mit der Familie ihres Onkels Josef Neckermann, dem Gründer des gleichnamigen Versandhauses und bekannten Dressurreiter, erzählt sie in ihrem 2012 erschienenen Buch Wie ein Haus aus Karten. Kristin Feireiss studierte Kunstgeschichte und Philosophie an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Unter anderem bei Theodor W. Adorno, wie sie im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur erzählte.

Als Kristin Feireiss und Helga Retzer 1980 in Berlin-Charlottenburg ihre Galerie Aedes eröffneten, wurde über Architektur nur selten berichtet. Und die Architekturszene war vor allem eine Architektenszene. Daniel Libeskind, Peter Eisenman, Rem Koolhaas, Peter Cook und Zaha Hadid, alle und noch viel mehr stellte sie aus, alle kamen in ihre Galerie, lange bevor sie international bekannt wurden. Menschen miteinander zu vernetzen und ihnen völlig unabhängig von Herkunft, Alter und Bezug zur Szene mit offenen Armen und Interesse zu begegnen, darin war sie vielen ein Vorbild.

„Architektur geht uns alle an, ob wir wollen oder nicht“, so lautete einer ihrer Leitsätze. Seit 1994 hat Kristin Feireiss rund 1.000 Veranstaltungen auf die Beine gestellt, gemeinsam mit ihrem Partner Hans-Jürgen Commerell. Mit ihm initiierte sie auch The Aedes Metropolitan Laboratory ANCB, einen Raum, der vor allem auch Studierenden verschiedener Hochschulen eine Austauschplattform bietet und der 2010 für innovative, fortschrittliche und weltoffene Arbeit mit dem Deutschen Innovationspreis ausgezeichnet wurde.

In den mehr als vier Jahrzehnten seit seiner Gründung ist Aedes zum internationalen Netzwerk geworden. Der Gründungsidee folgen inzwischen Institutionen auf der ganzen Welt. Ja, der Name Feireiss fällt oft, wenn jemand nach Berliner Architekturkontakten sucht. Auch in den Niederlanden gehört Kristin Feireiss zur Architekturgeschichte. Von 1996 bis 2001 leitete sie das Niederländische Architekturinstitut NAi in Rotterdam – die damals einflussreichste Institution für Architektur. Ihre dort 1999 gezeigte Ausstellung „Blank – Architecture, Apartheid and After“ setzte Maßstäbe, die Königin der Niederlande sprach zu Eröffnung.

1996 und 2000 kuratierte sie den Niederländischen Pavillon auf der Architekturbiennale in Venedig, gehörte später zur Biennale-Jury, die die Löwen vergibt. Für ihre besonderen Verdienste um die deutsch-niederländischen Beziehungen auf dem Gebiet der Architektur erhielt sie 2001 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Als erste Frau und erste Nichtarchitektin wurde sie 2024 mit dem Hamburger Fritz-Schumacher-Preis ausgezeichnet. Von ihren vielen weiteren Initiativen und Mitgliedschaften sei die Jury des Pritzker-Preis-Komitees erwähnt, der sie von 2013 bis 2017 angehörte und die unter anderem Alejandro Aravena prämierte.

Mit Kristin Feireiss, Hans-Jürgen Commerell und dem Team bei Aedes verbinden wir bei BauNetz eine längjährige, vertrauensvolle Zusammenarbeit. Von Beginn an hostete BauNetz die Webseite von Aedes, unsere Redakteur*innen sind häufig zu Gast auf Podiumsdiskussionen, Vernissagen und legendär gewordenen Festen, durften die Räume am Pfefferberg für Veranstaltungen nutzen.

Kristin Feireiss war für viele eine Türöffnerin und vor allem eine großartige Gastgeberin. In ihrem Netzwerk laufen unzählige Fäden zusammen. Mit ungebrochener Leidenschaft setzte sie sich ein für die Themen der Architektur und machte durch ihre zugewandte, positive und direkte Art immer wieder auch den weiblichen Kolleginnen Mut. Mit Anteilnahme verneigen wir uns vor der Lebensleistung von Kristin Feireiss und verfolgen das Bedürfnis unzähliger Mitstreiter*innen und Wegbegleiter in diesen Tagen, Erlebnisse und Anekdoten öffentlich zu teilen. Gern stellen wir dafür unsere Kommentarfunktion bereit.


Zum Thema:

Zum 40-jährigen Bestehen der Berliner Architekturplattform AEDES erschien die Baunetzwoche #561.


In Baunetzwoche #36 berichten wir von einem Geburtstagsfest von Kristin Feireiss.

Anmerkung der Redaktion: Der Text basiert auf dem Beitrag zum 80. Geburtstag von Kristin Feireiss und wurde für diesen Nachruf überarbeitet. 


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

5

Hans-Gerhard Kauschke | 25.04.2025 04:50 Uhr

Kristin Feireiss

Frei von Dogmen hat sie die Berliner Architektur liberalisiert, zur Symbiose von Rationalität und Expressionismus beigetragen, deren Wirkkraft sich noch Jahrzehnte visuell artikulieren wird.

4

Arcseyler | 23.04.2025 21:24 Uhr

www.

Immer wieder das Highlight von Berlinbesuchen, wenn auch das eigene Thema: wie Raum funktioniert, das Phänomen Moderne, nicht über diese Schwelle kam. Danke

3

Jürgen Paul | 23.04.2025 20:51 Uhr

Die traurigste Nachricht dieser Tage // so sad news

Mutig, großzügig, herzlich, visionär, uneitel.
DANKE, KRISTIN ♥️

PS: Heute morgen finde ich eine persönliche Erinnerung: Volterra im Juli 2007 - Kristins 65. Geburtstag. Eine Hommage aus der BaunetzWOCHE #36.

"Sonntag:Ein lauer Sommerabend in der Toskana. Vollmond, gegenüber das idyllische Volterra. Wolf D. Prix treibt den geliehenen Alfa unerschrocken über die Steinwiese, Thom Mayne und Enrique Norten plaudern mit Odile Decq, Thomas Willemeit knuddelt sein Söhnchen, Hitoshi Abe tippt im Laptop, Nalbach-Enkel Emil jagt Glühwürmchen, Peter Wilson schwärmt vom Klosterumbau in Perugia, und der Grüntuch-Ernst-Nachwuchs singt vierstimmig ein Ständchen, getextet von Matthias Sauerbruch:

Aedes-Patronin Kristin Feireiss feiert mit ihrer rund 200-köpfigen Familie großen Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!"

Nur einer der vielen Momente, die bleiben.
Danke.

2

Carsten Venus | 23.04.2025 18:57 Uhr

wahr/unwahr

Liebe Kristin! Vielen Dank dass du uns in deine Welt eingeladen hast. Es hat mich geprägt, wie du uns aufgenommen hast und durch dein Zutun sich unsere Auseinandersetzung mit Architektur im Denken und Realisieren bereichert hat. Es war einer dieser Abende von denen man anderen erzählt!

Ausstellung „wirklichwahr“ / 28.10.2011
Thematisiert wurde die zunehmende Unschärfe zwischen realisierter und visualisierter Architektur.
Die Ausstellung wurde von Kristin Feireiss (Aedes), Andreas Ruby (Architekturkritiker) und Beate Engelhorn (Kuratorin) eröffnet.

1

Oliver G. Hamm | 23.04.2025 16:57 Uhr

Verneigung vor der Menschenfängerin

Kristin Feireiss war eine sehr beeindruckende, energische und warmherzige Frau, eine Kämpferin und Menschenfängerin, sie war die "Mutter Courage der Architektur", wie es Benedikt Hotze bereits zu unserer gemeinsamen Bauwelt-Zeit Mitte der 1990er-Jahre so treffend formuliert hat. Kristin wird uns allen fehlen, aber sie wird den vielen Menschen, denen sie in ihrem Leben begegnet ist, immer in angenehmer und dankbarer Erinnerung bleiben.
Dem Aedes- und ANCB-Team am Pfefferberg ist zu wünschen, dass das gemeinsame Werk im Architekturforum auch noch lange nach Kristins Tod mit dem gleichen Enthusiasmus fortgeführt werden kann!

 
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Kristin Feireiss (1942-2025)

Kristin Feireiss (1942-2025)

Kristin Feireiss auf der ersten Aedes-Ausstellung im Jahr 1980

Kristin Feireiss auf der ersten Aedes-Ausstellung im Jahr 1980

Aedes-Gründerinnen: Helga Retzer und Kristin Feireiss im Jahr 1980

Aedes-Gründerinnen: Helga Retzer und Kristin Feireiss im Jahr 1980

Starke Frauen: Zaha Hadid, Kristin Feireiss, Odile Decq und Francine Houben (v.l.)

Starke Frauen: Zaha Hadid, Kristin Feireiss, Odile Decq und Francine Houben (v.l.)

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